SunExpress Deutschland Gericht verhindert Betriebsratswahl bei Lufthansa-Beteiligung

Die Piloten und Flugbegleiter der Airline SunExpress dürfen keinen Betriebsrat gründen. Es fehle der nötige Tarifvertrag, urteilt ein Gericht.

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Lufthansa, SunExpress, Turkish Airlines, VC Cockpit, UFO, Betriebsverfassungsgesetz, Aerologic, Tarifvertrag Quelle: Wikimedia Commons

Frankfurt Bei der Lufthansa-Beteiligung SunExpress Deutschland können Arbeitnehmervertreter vorerst keinen Betriebsrat wählen. Der Ferienflieger hatte mit einer einstweiligen Verfügung gegen eine Personalvertretung Erfolg am Frankfurter Arbeitsgericht, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte.

Die Pilotengewerkschaft VC Cockpit und die Flugbegleitervertretung UFO wollen einen Betriebsrat bei SunExpress Deutschland etablieren und hatten bereits einen Wahlvorstand bestimmt. Die Airline, eine Tochter der in Antalya sitzenden SunExpress, die zu gleichen Teilen Turkish Airlines und Lufthansa gehört, hatte sich dagegen gewehrt.

Die Fluggesellschaft sah den Weg der Gewerkschaften als unrechtmäßig an, da laut Betriebsverfassungsgesetz für das fliegende Personal zunächst ein Tarifvertrag abgeschlossen werden müsse, der eine Personalvertretung regelt. Einen Tarifvertrag lehnt die Airline ab.

Das Frankfurter Arbeitsgericht gab der Sicht nun Recht. Es fehle eine gesetzliche Grundlage für eine Betriebsratswahl, da der Flugbetrieb nicht dem Betriebsverfassungsgesetz unterliege, hieß es in der Begründung. Die Wahl eines Betriebsrats ohne Tarifvertrag sei nichtig. Gegen die Entscheidung können die Gewerkschaften Beschwerde beim hessischen Landesarbeitsgericht einlegen.

Sun Express ist in der Luftfahrtbranche bei weitem kein Einzelfall. Seit 2015 schwelt auch bei Aerologic, einem Joint-Venture von DHL und Lufthansa Cargo, ein Streit über die Berechtigung eines Betriebsrates für das fliegende Personal. Auch hier versuchte die Geschäftsleitung mehrfach, die Wahl des Gremiums zu verhindern.

Zunächst scheiterte sie zweimal mit ihren Anträgen auf einstweilige Verfügungen gegen die Wahl des Wahlvorstands. Sowohl das Arbeitsgericht Leipzig als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen verweigerten die einstweiligen Verfügungen. Später erklärte das Landesarbeitsgericht die dann durchgeführte Wahl dennoch für nichtig, weil diese gemeinsam für das Bodenpersonal und die Piloten durchgeführt wurde, was gegen die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes ist.

Doch ein höchstinstanzliches Urteil des Bundesarbeitsgerichts liegt in diesem Streit noch nicht vor. Das Verfahren liegt noch beim 7. Senat des BAG – bislang ohne Terminierung einer Entscheidung.

Die Situation ist rechtlich äußerst vertrackt. Denn auch wenn die Wahl eines Betriebsrates für Unternehmen mit mehr als fünf Arbeitnehmern arbeitsrechtlich vorgesehen ist, für Mitarbeiter in Flugbetrieben gibt es eine eigene Formulierung in dem Gesetzestext. Wörtlich heißt es im Betriebsverfassungsgesetz, Paragraf 117, Abschnitt 2: „Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden.“

Viele Jahre wurde das so interpretiert, dass ein Betriebsrat nur gewählt werden darf, wenn ein Tarifvertrag das vorsieht. Doch Rechtsexperten wie Karl Fitting sind der Ansicht, dass das Gesetz lediglich die Möglichkeit einräumt, die Mitbestimmung über einen Tarifvertrag zu regeln. Gibt es einen solchen nicht, wirkt das Betriebsverfassungsgesetz laut Fitting unmittelbar. Ein Betriebsrat wäre dann zwingend.

Gleichzeitig wird das Arbeitsrecht zunehmend auf Europa-Ebene formuliert. In der EU-Mitbestimmungsrichtlinie wird als Ausnahme nur die Hochseeschifffahrt genannt, nicht die Luftfahrt. Deshalb zweifeln mittlerweile viele Rechtsexperten daran, dass der Paragraf 117 europarechtskonform ist. Auch der DGB fordert die Streichung dieses Paragraphen.

Angesichts des nun zweiten Falls in Deutschland, in dem über die Mitbestimmung in Flugbetrieben gestritten wird, wäre es wohl angebracht, die Sachlage endlich rechtlich klären zu lassen – am besten gleich auf EU-Ebene.

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