Supermarkt Smarte Waagen sollen den Verkauf ankurbeln

Ein Steak und ein Paar Würstchen: Bei solchen Kundenwünschen an der Supermarkt-Theke werden Waagen genutzt – eigentlich nur zum Wiegen, wozu sonst? Aber Zusatzfunktionen der Waagen werden für den Umsatz immer wichtiger.

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Wartet der Kunde an der Fleischtheke auf das Abpacken der Ware, sieht er auf einem ihm zugewandten Bildschirm Werbung, die zu dem ausgewählten Produkt passen soll. Bekommt der Kunde das Fleischpäckchen überreicht, ist daran ein Zettel mit Rezeptempfehlung. Quelle: dpa

Balingen Das Geschäft mit der ausgewogenen Sache wird lukrativer. Nachdem Supermarkt-Thekenwaagen lange eher simple Geräte waren, werden sie nun technisch anspruchsvoller und der Mehrwert für den Einzelhandel steigt: Sie dienen in Supermärkten als Werbeträger.

Die Waagen böten den Supermarkt-Kunden beim Einkaufen über Werbe-Displays und Rezept-Bons wichtige Hilfestellungen und beeinflussten den Verkauf positiv, sagt der Chef des Waagenherstellers Bizerba, Andreas Kraut. „Das ist Hightech, der sich lohnt.“ Das Kölner Marktforschungsinstitut EHI bestätigt, dass es in Deutschlands Supermärkten immer mehr Waagen mit Werbefunktion gibt.

Bizerba aus dem baden-württembergischen Balingen zählt in dem Nischen-Markt der Supermarkt-Waagen zu den großen Anbietern, ein Konkurrent ist der amerikanisch-schweizerische Konzern Mettler Toledo. In dem 3700-Mitarbeiter-Unternehmen Bizerba wuchs der Umsatz 2015 um satte 19 Prozent auf rund 600 Millionen Euro.

Der Gewinn ist nur für 2014 bekannt, damals war es ein Überschuss von 10,4 Millionen Euro. Supermarkt-Thekenwaagen sind gewissermaßen das Aushängeschild des Unternehmens. Sie machen zwar nur ein Sechstel der Bizerba-Erlöse aus, andere Felder wie der Etiketten-Verkauf, der Geräteservice oder eine Leasing-Abteilung hängen damit aber zusammen.

Waagen mit Werbefunktion verkauft Bizerba an Supermarktketten wie Edeka. Wartet der Kunde an der Fleischtheke auf das Abpacken der Ware, sieht er auf einem ihm zugewandten Bildschirm Werbung, die zu dem ausgewählten Produkt passen soll. Möglich ist, dass beim Kauf eines Nackenteaks Bier zu sehen ist und bei einem Rumpsteak eine teure Rotweinflasche.

Eine weitere Funktion: Bekommt der Kunde das Fleischpäckchen überreicht, ist daran nicht nur das Preisschild, sondern ein Zettel mit Rezeptempfehlung. „Findet der Kunde die Empfehlung gut, kann er unkompliziert noch im Supermarkt die fehlenden Zutaten für das Gericht kaufen“, sagt Kraut. Andere Werbung oder Kochbücher hätten keinen vergleichbaren Effekt, schließlich hätten die ihre Wirkung nur außerhalb des Supermarktes.


Werbe-Waagen als Umsatzplus

Auch Marktforscher und Uni-Professoren werten die Werbe-Waagen als positiven Umsatzimpuls. „Der Händler nutzt jede Möglichkeit der Interaktion mit dem Kunden, auch mit den Waagen“, sagt der IT-Experte des EHI-Instituts, Çetin Acar. Die „Krux an der Sache“ sei aber die Software. „Die muss sehr gut sein und Kunden passgenaue Werbevorschläge machen.“ Wenn man bei jedem Supermarktbesuch die gleiche Bierwerbung sehe oder nur wenige, ähnliche Rezeptvorschläge bekomme, könne das zu Verdruss beim Kunden führen.

Acar ist überzeugt, dass sich der Kauf der Waagen finanziell lohne für die Händler. Wie genau, sei aber schwer abschätzbar. „Da spielen auch weiche Faktoren rein, etwa dass der Supermarkt auch wegen der Waagen als ein innovativer Ort mit gutem Ambiente wahrgenommen wird - und die Kunden daher langfristig gebunden werden.“

Auch für den Marketing-Professor Markus Voeth von der Universität Hohenheim ist die Art der Vermittlung entscheidend für den Erfolg. „Bekommt der Kunde an der Theke einen Hinweis zur Zubereitung des gerade gekauften Fleisches, wird dies sicherlich mancher sehr schätzen“, so Voeth. Werbebotschaften auf dem Display dürften hingegen eher mäßigen Erfolg haben, wenn sie nur typische „Einkaufsbündel“ aufgriffen, etwa Bierwerbung beim Steak-Kaufen.

Der Werbepsychologe Joost van Treeck von der Hochschule Fresenius hält die Waagenwerbung ebenfalls für vielversprechend. Das Shopping sei „eine der wenigen Situationen, in denen Verbraucherinformationen fast nie als lästig und unangebracht empfunden werden“, sagt der Professor. „Die individualisierte Werbung am Einkaufswagen hat die große Chance, ungeplante Impulskäufe sinnstiftend zu fördern.“ Eine „Überdosis Werbung“ drohe hierbei nicht.

Aber auch er sagt: „Kompliziert ist der gute Content.“ Es dürften keine simplen Werbemechanismen genutzt werden, sondern mit einer aufwendigen, gut durchdachten Software die Verbraucherbedürfnisse zu erkennen und sinnvolle Infos zu liefern. Mit den Waagen sollten die Märkte zur „Tante Emma 2.0“ werden, so van Treeck.

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