Supreme-Kampagne Ein Werbe-Coup gegen alle Algorithmen

Die New York Post hat erstmals ihre Titelseite verkauft: An das Streetwear-Label Supreme. Quelle: nypost (instagram, Screenshot) Montage: WirtschaftsWoche

Supreme-Fans stehen sonst vor den Läden Schlange, nun an den Kiosken für die "New York Post": Die Trend-Marke kaufte die Titelseite und die Fans rasten aus. Was der Werbe-Coup über die Zukunft von Zeitungen verrät.

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Man nehme ein schwer angesagtes Mode-Label und platziere dessen Werbung flächendeckend in einer traditionsreichen Boulevard-Zeitung – was wie ein einfaches Rezept für einen Marketingerfolg aussieht, zeigt zugleich schlaglichtartig die Möglichkeiten, die in angeblich totgeweihten Medien stecken.

Für den deutschen Zeitungs- und Werbeexperten Boris Schramm, Geschäftsführer der Düsseldorfer Media-Agentur Group M, liegt genau darin der wesentliche Grund für den erstaunlichen Erfolg der jüngsten Zusammenarbeit zwischen einer New Yorker Skater-Marke und einem Lokalblatt: „Supreme und der „New York Post“ ist ein echter Coup gelungen, weil sie eine junge hippe Zielgruppe sehr erfolgreich mit einem angeblich antiquierten Medium ansprechen.“ Dabei sei das Gegenteil der Fall – auch Printmedien könnten im Zeitalter des Digitalen absolut ihren Platz im Mediengeschäft behaupten, sagt der Mediaplaner.

Tatsächlich gingen viele New Yorker, die sich auf dem Weg zur Arbeit wie gewohnt ihre „New York Post“ am Büdchen um die Ecke kaufen wollten, am Montag leer aus – ihr gewohntes Boulevardblatt war anders als an allen anderen Tagen an vielen Verkaufsstellen in der Millionenmetropole schlicht ausverkauft.

Dafür gesorgt hatten Heerscharen von Fans der New Yorker Kult-Marke Supreme sowie offenbar hunderte Weiterverkäufer. Sie alle hatten es nicht etwa auf das konservative Blatt abgesehen, weil es nach einem relativ normalen Augustwochenende besondere Scoops oder Klatschnachrichten zu vermelden hatte. Was die Käufer lockte, war vielmehr die Werbehülle, in dem das Traditionsblatt an diesem Tag erschien. Die Umschlagseiten der „Post“ waren komplett belegt mit einer optisch eher schlichten Werbung für das Streetwear-Label Supreme: Wo sonst Schlagzeilen des Murdoch-Blatts um Käufer buhlen, waren die Titel- und hintere Umschlagseite unter dem Schriftzug der „Post“ komplett leergeräumt – bis auf einen roten Kasten und den weißen Supreme-Schriftzug. Für Fans Grund genug, sich das Exemplar gleich im Dutzend zu sichern.

Kiosk-Besitzer berichteten, einzelne Kunden hätten 50 Exemplare und mehr gekauft – zum Teil, um sie als Andenken aufzuheben. Zum Teil aber schlicht, um sie via Online-Plattformen an Marken-Fans weiterzuverkaufen, die weder in New York noch in Miami oder Los Angeles wohnen, den anderen Metropolen, in denen die „Post“ angeboten wird. Bei Ebay etwa standen kurz nach dem Verkaufsstart des Blattes gleich mehrere hundert Angebote online, die meisten verlangten für die „Post“ einen Preis von zehn Dollar. Normalerweise kostet eine Ausgabe gerade mal einen Dollar.
„Post“-Verleger und Vorstandschef Jesse Angelo sagte, das Zeitungshaus habe bereits mit einem solchen Ansturm gerechnet: „Wir wussten, das wird eine Sammler-Nummer“. Supreme, sagt der Zeitungsmann, sei nun mal eine derart „coole Marke“. Außerdem hätten beide Marken einiges gemeinsam, so sähen sich die Logos in ihrer schlichten Ästhetik einigermaßen ähnlich, zudem kämen beide aus New York.

Verkaufszahlen hatte Angelo noch nicht zur Hand, Experten gehen jedoch davon aus, dass die „Post“ deutlich mehr als ihre üblichen täglichen rund 200.000 Exemplare verkauft haben dürfte. Überraschend ist allerdings, dass Supreme-Gründer James Jebbia ausgerechnet mit der als konservativ bekannten Tageszeitung anbändelte, die zum Print-Imperium des Medienzaren Rupert Murdoch gehört; Supreme-Kunden dürften eher nicht zu den täglichen Lesern zählen – wenn sie denn überhaupt zur Tageszeitung greifen. Dem New Yorker Magazin „The Cut“ gestand ein 18-Jähriger stellvertretend für zahlreiche weitere Supreme-Fans: „Ich habe mir heute zum ersten Mal überhaupt eine Zeitung gekauft.“

Für Medien-Experten Schramm keine große Überraschung. Jedes Medium erfülle als Werbeträger seinen ganz eigenen Zweck: „Man muss es nur intelligent zu nutzen wissen.“ Die junge Zielgruppe nur nach Schema F bei YouTube zu verfolgen sei eben auch nicht der Stein der Weisen: „Die Leute bei Supreme haben sehr klug das genaue Gegenteil von dem gemacht, was ihnen Computer und Algorithmen als erfolgversprechend errechnet hätten.“

Deutschen Zeitungen traut Schramm durchaus ähnliche Kampagnen zu. Ob die allerdings auch Kult-Charakter erreichen und einen Büdchen-Sturm auslösen könnten wie jetzt in New York, sei zweifelhaft – „am Ende hängt es vor allem daran, wie begehrt die beworbene Marke ist“, sagt Schramm. Und da spielt das 1994 in New York gegründete Label Supreme in seiner eigenen Liga. Schätzungen zufolge ist die Skater-Marke, die ihre Logo-Shirts und Baseball-Caps in eigenen Länden in New York, Los Angeles, London, Paris und Tokio verkauft, heute rund eine Milliarde Dollar wert. Im vergangenen Jahr stieg der Finanzinvestor Carlyle mit 50 Prozent bei Supreme ein, seitdem stehen die Zeichen auf Expansion.

Selbst das ehrwürdige Pariser Modehaus Louis Vuitton konnte sich im vergangenen Jahr dem Gewese um die Marke nicht entziehen und kooperierte mit den New Yorkern – zum ersten Mal überhaupt in der 160-jährigen Historie. Neben knallroten Kapuzenpullis, die über und über mit dem LV der Luxusmarke bedruckt waren, umfasste die gemeinsame Kollektion auch einen ebenso knallroten LV-Koffer – für ein Skateboard.

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