Systematische Übernahmen Wieso Chinas Hunger auf deutsche Pharmafirmen wächst

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Industriepolitik Made in China 2025

Eine aktuelle Befragung der Europäischen Handelskammer unter seinen Mitgliedsunternehmen zeigt, dass drei Viertel der Pharmaunternehmen und Hersteller von medizinischen Geräten unter den unfairen Bedingungen dieser Industriepolitik leiden. In Bezug auf zukünftige Marktchancen und Wachstum blicken sie sehr viel negativer als ihre Kollegen in anderen Branchen in die Zukunft. Bereits seit einigen Jahren fordern die Lokalregierungen Krankenhäuser so zum Beispiel dazu auf, heimische Produkte zu verwenden, anstatt bei den ausländischen Firmen zu kaufen. Merck-Chef Oschmann bestätigt diese Praxis indirekt gegenüber der WirtschaftsWoche. Aber das kenne man aber aus anderen Ländern auch.

Um den technologischen Rückstand auf ausländische Firmen aufzuholen, lässt das Land zudem Unternehmen aus dem Ausland aufkaufen. Eines der wichtigsten Zielländer ist Deutschland. Laut einer Studie des Steinbeis-Beratungszentrums Asia Technology Consulting stehen allein staatlichen Start-up-Fonds in diesem Bereich rund 400 Milliarden Euro für Investments zur Verfügung. Dazu kommen noch Gelder von privaten chinesischen und ausländischen Fonds sowie Venture-Capital-Firmen.

Wie systematisch die Chinesen dabei im medizinischen Bereich vorgehen, zeigte jüngst eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung. Von 175 Übernahmen oder Beteiligungen durch chinesische Firmen in Deutschland im Zeitraum von 2014 bis 2017 entfielen 112 auf Branchen, die China mit seiner Industriepolitik Made in China 2025 besonders stark ausbauen will. Mit 16,1 Prozent der untersuchten Übernahmen liegen Firmen aus der Biomedizin und Produzenten von Medizingeräten aus dem Premiumsegment auf Platz drei der Interessensliste chinesischer Investoren. Davor kamen nur die Automobilindustrie, deren Zulieferer sowie die Energiebranche.

Immer mehr chinesische Investoren übernehmen Firmen in Deutschlands Schlüsselsektoren. Eine neue Studie zeigt, wie dramatisch die chinesischen Aufkäufe in manchen Branchen tatsächlich zu Buche schlagen.

„Chinas Investoren interessieren sich für Hidden Champions, weil sie in vielen Nischenbranchen weltweit als Marktführer gelten“, so Studienleiterin Cora Jungbluth von der Bertelsmann-Stiftung. Einerseits sei das eine rationale Entscheidung, weil diese Firmen als sicheres Investment gelten. Es drücke aber auch aufs Tempo in der eigenen Entwicklung, will ein chinesisches Unternehmen an Technologie gelangen: „Ein Unternehmen mit Spezialwissen zuzukaufen ist schneller, als selbst zu forschen“, so Jungbluth.

Allein 2017 beteiligten sich chinesische Investoren an den deutschen Pharmaunternehmen Biotest, Curasan, Elexxion und Metrax. Den Einstieg mit 89,9 Prozent bei dem hessischen Pharmaunternehmen Biotest ließ sich die Creat Group 1,3 Milliarden Euro kosten. Die Übernahme war zunächst von der amerikanischen Behörde CFIUS geprüft worden, bevor die Genehmigung aus den USA kam. Es hatte zunächst Zweifel an der Datensicherheit für Patienten und Spender gegeben.

Aber auch in China wächst eine starke Pharmaindustrie heran. Nirgendwo spielen beispielsweise die Digitalisierung und Big Data eine größere Rolle als in der chinesischen Gesundheitsindustrie. In den großen Metropolen des Landes drängen sich datenfressende Start-ups, die mit immer besser werdenden Algorithmen die Gesundheit der Menschen analysieren wollen. Es gibt kaum Regulierungen in diesem Bereich oder wenn, werden sie nur mangelhaft durchgesetzt. Bewegungsprofile, mobile Bezahldienste und andere Apps werden gnadenlose ausgewertet, um neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu entwickeln.

Davon will Merck in Zukunft auch profitieren. Das Unternehmen, das sich ohnehin lieber Technologiekonzern nennt als Pharma- oder Chemiehersteller ist dafür gerade eine Kooperation mit Alibaba Health eingegangen, einer Tochter des Handelskonzerns Alibaba. Während Merck die Expertise bei Diabetes, Schilddrüsenstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bringe, liefere Alibaba Health die technologische Kompetenz in der Analyse von Daten, so Merck. Konkret sollen Patienten eine App nutzen, mit der sie alle Informationen zu Medikamenten sowie zur richtigen Einnahme der Mittel bekommen. Das soll etwa Produktfälschungen ausschließen und gibt den Konzernen vor allem neue Einblicke in das Nutzungsverhalten von Medikamenten durch die Patienten. Geht es nach Oschmann, wird Merck bei solchen Trends in Zukunft vorne mit dabei sein. „Wir müssen ein Teil dieses Ökosystems werden.“

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