„Kreuzberger Ernte“, „Starker Tobak“, „Der Aussauer“: Wer wissen will, was sich hinter diesen Geschmacksrichtungen verbirgt, muss Laura Deppe folgen. Die junge Frau steigt in ihrem kleinen Berliner Laden eine schmale Wendeltreppe herab und präsentiert ihr Kellerlabor: Regale mit Kunststoffflaschen voller Aromen, ein Tisch mit blauen Kanistern. Dort mischt eine Biotechnologin die Flüssigkeiten zusammen, mit denen Deppe ihr Geld verdient: Liquids für elektrische Zigaretten.
Vor einem knappen Jahr hat die 27 Jahre alte Juristin Deppe mit ihrem Partner Nino Haarhaus den Laden Tante Dampf eröffnet. Im angesagten Kreuzberger Graefekiez verkaufen sie die aromatisierten Flüssigkeiten, E-Zigaretten und Zubehör.
Die wichtigsten Fakten zur E-Zigarette
Bei jedem Zug verdampft ein Brennelement ein sogenanntes Liquid. Dieses kann Nikotin in verschiedenen Konzentrationen enthalten - es gibt sie aber auch nikotinfrei. Außerdem können alle erdenklichen Aromen zugesetzt sein. Um die Illusion perfekt wirken zulassen, glüht bei manchen Modellen eine Leuchtdiode an der Spitze auf.
Wissenschaftliche Beweise gibt es nicht. Sicher ist, dass Nikotin schnell süchtig macht. Die Elektro-Kippen sind wenig erforscht, Auswirkungen möglicher Schadstoffen unbekannt, sagen Kritiker. Auch ist unklar, was dem Konzentrat beigemischt ist. Das wissen nur die Hersteller. Nachfragen bleiben mit Verweis aufs Betriebsgeheimnis unbeantwortet. Die US-Kontrollbehörde FDA fand im Jahr 2009 giftige Substanzen in Proben - darunter krebserregende Nitrosamine. Gegen eine hohe Qualität der E-Zigaretten spreche auch der variierende Nikotingehalt in den Kapseln. Auch in als nikotinfrei deklarierten Patronen konnte mitunter Nikotin gefunden werden.
Die gesundheitlichen Folgen für E-Dampfer und passive "Mit-Atmer" sind in der Wissenschaft äußerst umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte zuletzt im Februar 2012 betont, dass Gefahren für Dritte „nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen“ seien. Es gebe so viele verschiedene Flüssigkeiten, die sogenannten Liquids, dass fraglich sei, was ein Nutzer im konkreten Fall tatsächlich inhaliere.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum spricht von einem erheblichen Forschungsbedarf und fordert geeignete wissenschaftliche Studien.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO forderte im Juli 2014, Rauchverbote auch auf E-Zigaretten zu übertragen - mit einer Einschränkung: Diese Empfehlung gelte nur, solange nicht belegt sei, dass der Dampf für Umstehende ungefährlich ist.
Behörden, Forscher und Politiker warnen vor möglichen Gesundheitsgefahren – sowohl für die E-Dampfer, als auch für die Passiv-Dampfer. Sie wollen die Rauchverbotszonen auch zu dampffreien Zonen machen. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am 4. November 2014, dass Wirte ihren Gästen weiter den Konsum von elektrischen Zigaretten erlauben dürfen - zumindest in Nordrhein-Westfalen. Das strenge Nichtraucherschutzgesetz in NRW gelte nicht für die Verdampfer. Weil bei E-Zigaretten kein Tabak verbrannt werde, handele es sich nicht um Rauchen, argumentierten die Richter. Zudem seien die Gefahren für Dritte nicht mit denen des schädlichen Zigarettenqualms vergleichbar (Az.: 4 A 775/14).
Das Oberverwaltungsgericht Münster befasste sich im September 2013 mit dem Verkauf von E-Zigaretten. Die Richter entschieden damals in einem Grundsatzurteil, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten weiterhin außerhalb von Apotheken verkauft werden dürfen. Die Produkte seien keine Arzneimittel. Der freie Handel und Verkauf von Produkten rund um E-Zigaretten ist damit nicht strafbar. Das NRW-Gesundheitsministerium hat dagegen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
E-Zigaretten erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Laut dem Portal Statista wurden im Jahr 2010 fünf Millionen Euro auf dem E-Zigarettenmarkt umgesetzt - 2013 waren es schon 100 Millionen Euro. Für 2014 werden 150 bis 200 Millionen Euro erwartet.
„Das ist ein spannendes Produkt, dessen Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist“, sagt die Unternehmerin. Sie setzt auf einen wachsenden Markt. Doch je mehr Leute dampfen, desto größer wird der Widerstand dagegen. Deppe sagt: „Wir zittern ein bisschen.“
Eine E-Zigarette, das ist: ein Akku, ein Verdampfer mit einem Heizdraht, ein Tank für die meist nikotinhaltige Flüssigkeit und ein Mundstück. Wie eine Zigarette sieht sie nicht gerade aus. Auf den ersten Blick wirkt es eher, als ziehe jemand an einem übergroßen Metallkugelschreiber.
Die Geschmackspalette scheint unbeschränkt: Von Cappuccino über Schokolade bis Pina Colada sind in Läden und im Internet Hunderte Varianten zu haben. „Bei unseren Kunden ist Tante Dampf No. 5 am beliebtesten, ein leichter Tabakgeschmack“, sagt Deppe. „Viele mischen sich ihre Liquids auch selbst, für sie ist es ein Hobby.“
Noch ist es ein Nischenmarkt, aber er wächst stark. 200 Millionen Euro Umsatz machten die deutschen Händler nach Branchenangaben im vergangenen Jahr, doppelt so viel wie im Vorjahr. In diesem Jahr werden 300 Millionen Euro erwartet. Hinzu kommen die unbezifferte Ausgaben der Bundesbürger bei ausländischen Online-Händlern.