Tchibo bekommt einen neuen Chef Thomas Linemayr muss den Kaffeeröster auf Trab bringen

Aufruhr im Kaffeehaus: Thomas Linemayr wird neuer Chef von Tchibo. Der Schoko-Manager muss ein in die Jahre gekommenes Verkaufsmodell wieder auf Erfolgskurs bringen.

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Quelle: dpa


Ein Österreicher soll ab Anfang 2017 den Hamburger Kaffeeröster Tchibo dirigieren. Der Tchibo-Aufsichtsrat hat Thomas Linemayr zum Nachfolger des bisherigen Unternehmenschefs Markus Conrad berufen, teilte das Unternehmen mit. Conrad soll Mitglied des Aufsichtsrats der Beteiligungsgesellschaft Maxingvest werden, in der die Familie Herz ihre Anteile an Tchibo und dem Nivea-Hersteller Beiersdorf gebündelt hat.

Kaffee verdreht unseren Tagesrhythmus
Allein der Duft eines frischgebrühten Kaffees am Morgen versetzt den Körper automatisch in den Wach-Zustand. Die muntermachende Wirkung des Koffeins beruht darauf, dass es an speziellen Rezeptoren der Nervenzellen andockt. Dadurch ist der Zugang für den hemmenden Botenstoff Adenosin blockiert, der normalerweise für Beruhigung und Dämpfung sorgen würde. Das berichten Forscher im Fachmagazin "Science Translational Medicine". Quelle: scinexx.de Quelle: dpa
Die Frage: Kann Kaffee wirklich den individuellen Tag-Nacht-Rhythmus verändern? Das wollten Tina Burke und ihre Kolleginnen von der University of Colorado in Boulder wissen. Dazu haben sie fünf Probanden in ein Schlaflabor geschickt. Die Teilnehmer hatten zuvor zwei Wochen lang auf Koffein verzichtet und einen möglichst regelmäßigen Tagesablauf eingehalten. Quelle: dpa
Der Versuch: Drei Stunden vor ihrer üblichen Schlafzeit sollten die Teilnehmer vier Kapseln zu sich nehmen, von denen einige nur aus Reismehl bestanden. Die übrigen Kapsel enthielten so viel Koffein, was der Menge einer Tasse Kaffee entspricht. Anschließend wurden verschiedene Versuchsdurchgänge gestartet: Einerseits sollten die Probanden den Rest der Zeit bis zum Schlafengehen still im schummrigem Dämmerlicht verbringen, andererseits waren sie sehr hellem Licht ausgesetzt. Alle 30 bis 60 Minuten entnahm ein Assistent eine Speichelprobe, aus der später der Gehalt des Schlafhormons Melatonins ermittelt wurde. Quelle: dpa
Das Ergebnis: Die Versuchsteilnehmer, die im Dämmerlicht Koffein zu sich genommen hatten, blieben im Durchschnitt 40 Minuten länger wach als die Placebo-Empfänger unter gleichen Lichtverhältnissen. Am nächsten Morgen wachten diese Teilnehmer auch entsprechend später auf. Ihr geregelter Tag-Nacht-Rhythmus hatte sich also verschoben ... Quelle: dpa
Die Schlussfolgerungen: ... Dieser Effekt könnte auf die Wirkung des Koffeins schließen lassen – doch die Speichelproben bewiesen etwas anderes: Bei der Koffeingruppe stieg auch der Melatoninspiegel deutlich später an als bei der Placebogruppe. Es gibt einen anderen Zusammenhang: Die Teilnehmer bei den Durchgängen mit hellem Licht gingen ebenfalls später ins Bett und schliefen dementsprechend länger. Aber auch dort bemerkten die Forscher einen Unterschied zwischen der Placebo- und der Koffeingruppe. Denn ohne Koffein verschob sich der Rhythmus um 85 Minuten, mit dagegen um 105 Minuten. Quelle: dpa
Die Wirkung: Koffein bewirkt also mehr als reine Stimulation – da sind sich die US-Forscher einig. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es unerwartet tief in die Regulation unseres biologischen Rhythmus eingreift. Denn die innere Uhr regelt nicht nur, wann der Mensch müde wird und schlafen möchte, sondern hat auch Einfluss auf den Stoffwechsel. Quelle: dpa
Die Behandlungsmöglichkeiten: Mit dem Wissen um den verzögernden Effekt des Koffeins ist es leichter, Schlafstörungen sowie einen unregelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus gezielter zu behandeln, so die Forscher. Außerdem wird somit klar, warum die Menschen, die spät zu Bett gehen, meist sehr viel Kaffee trinken: Denn das Koffein führt möglicherweise dazu, den ohnehin schon nach hinten verschobenen Tagesrhythmus noch weiter zu verschieben. Quelle: dpa


Der Wechsel war von langer Hand vorbereitet. Entsprechend optimistisch kommentierte auch Tchibo-Eigentümer Michael Herz die Entscheidung: „Thomas Linemayr ist ein erfahrener Unternehmensführer und ausgewiesener Marketing- und Vertriebsexperte“, lobte Herz den Newcomer. Linemayr werde den Umbau des Tchibo-Geschäftsmodells und die Internationalisierung vorantreiben, so Herz.

Tatsächlich verfügt Linemayr über reichlich internationale Erfahrung im Konsumgütergeschäft. In den vergangenen 17 Jahren leitete er den US-Ableger des Schweizer Schokoladenkonzerns Lindt & Sprüngli. Seine berufliche Laufbahn begann der Marketing- und Vertriebsspezialist bei Yves Rocher, anschließend wechselte er zu Johnson & Johnson. Nun soll Linemayr in der Hamburger Tchibo-Zentrale die belebende Wirkung eines doppelten Espressos entfalten und den Konzern wieder auf den Erfolgskurs früherer Jahre zurück bringen.

Tchibos Dilemma: Die Hanseaten ließen zunächst ohne viel Gegenwehr Kaffeeketten wie Starbucks den deutschen Markt erobern. Auch die Chancen neuer Kaffee-Kapsel-Systeme entdeckten die Tchibo-Manager zunächst nur zögerlich. Vor allem aber brach ihnen in den vergangenen Jahren das Geschäft mit Aktionsware weg, das zuvor hohe Umsätze und Erträge eingespielt hatte.

So übernahmen zunächst Lebensmitteldiscounter wie Aldi und Lidl die Strategie, mit allwöchentlich wechselnden Gebrauchswaren wie Pfannen oder Fahrradhelmen neue Käufer in die Filialen zu locken. Zudem sind fast alle Aktionsartikel inzwischen online verfügbar. Der frühere Zwang und Impuls für Kunden schnell zuzugreifen, entfällt damit. „Der Markt ist gesättigt und das trifft alle, die darin agieren“, sagte Noch-Tchibo-Chef Conrad jüngst in der „Lebensmittelzeitung“. Er räumte ein: „Wir hätten früher handeln müssen“ und kündigte an, das „Geschäftsmodell grundlegend zu überarbeiten“.

Ab 2017 soll der Umfang der wöchentlichen Aktionsangebote von heute rund 50 auf dann 20 bis 30 Produkte reduziert werden. Dafür will Tchibo feste Warengruppen einführen. Dazu zählen zum Beispiel Wäsche-, Kinder- und Sportbekleidung sowie Küchenbedarf.

Conrads Nachfolger Linemayr wird das Programm nun umsetzen und will vor allem die Verzahnung von Filial- und Online-Angeboten vorantreiben und die Marke Tchibo stärken. Denn trotz aller Probleme des Unternehmens hat der Markenname Tchibo bei Verbrauchern nach wie vor einen guten Klang.

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