
Hamburg Der Ex-Obergrüne Joschka Fischer und die Deutschland-Chefin von Greenpeace, Sweelin Heuss, auf dem Podium: Schon die Besetzung sollte zeigen, wie ernst es Tchibo mit seinem neuen Projekt ist. Der Hamburger Händler verbündet sich mit dem jungen Unternehmen Kilenda, um Babywäsche zu verleihen. das heißt: Junge Eltern bekommen per Postpaket regelmäßig neue Kleidung für ihr Kind – und senden die alten Kleidungsstücke zurück.
„Wenn es das damals, als meine Kinder klein waren, gegeben hätte, wäre das perfekt gewesen“, schwärmte Fischer am Donnerstagabend zum Start des Angebots – passend zur Sharing-Economy natürlich in einem Hamburger Co-Working-Space. „Wir müssen die Frage klären: Wie kann man Geld damit verdienen, dass Leute weniger kaufen“, ergänzte Heuss.
Das neue Angebot, dass zunächst nur online startet, also nicht in den Tchibo-Filialen sichtbar wird, bindet eine für Tchibo wichtige Zielgruppe. Die Kette will ihren Kundenstamm verjüngen - und erreicht so junge Eltern, die möglicherweise treue Tchibo-Kunden werden.
Tchibo versucht seit längerem, wieder attraktiver zu werden. Der Reiz von Aktionsware ist auch wegen des Überangebots im Internet gesunken. Anfang 2017 sollten dauerhafte Sortimente in den Tchibo-Filialen für Abhilfe sorgen – ein Versuch, den Tchibo nach wenigen Monaten wieder fast komplett einstampfte. Inzwischen wirbt der Händler im Fernsehen wieder mit dem althergebrachten Slogan „jede Woche eine neue Welt“.
Zugleich schichtet er Werbegelder aus dem Netz wieder zurück ins Fernsehen. Das endgültige Konzept ist offenbar noch nicht gefunden. So experimentiert Tchibo derzeit in einem pop-up-Shop auf der Hamburger Mönckebergstraße mit neuen Konzepten.
Das neue Babywäsche-Angebot könnte auch dem Image nutzen. Seit Jahren betont Tchibo besonders Nachhaltigkeit und soziale Produktionsstandards, hat vor einigen Monaten etwa eine Ökomode-Linie gebracht. „Das neue Angebot ist für uns ein Weg, nachhaltige Produkte noch nachhaltiger an die Kunden zu bringen“, sagte Thomas Linemayr, seit gut einem Jahr Tchibo-Chef.
Er will vor allem Kunden erreichen, die sich von dem neuen Angebot Erleichterung versprechen, weil sie gebrauchte Babysachen nicht mehr zum Trödelmarkt oder zur Nachbarsfamilie bringen müssen. Zudem können Kunden sparen: Sie zahlen Miete nach Tagen. Für eine Kinderjacke kommen so etwa vier Euro im Monat zusammen.
Die Familien zahlen aber nie mehr, als das Produkt im Laden kosten würde. Und: Tchibo will auch beschädigte Kleidung zurücknehmen und aussortieren. Dennoch soll „Tchibo Share“ offenbar nicht als Sparmodell für kleine Einkommen daherkommen, sondern als Teil der Sharing Economy einen Hauch Avantgarde versprühen.
Kilenda bietet schon seit 2014 Mietkleidung für Kinder sowie Spielzeug und Umstandsmode an. Ein Kleidungsstück könne so von bis zu vier bis zehn Kindern getragen werden, sagte Kilenda-Chef Hendrik Scheuschner. In der Kooperation mit Tchibo kümmert er sich um den Versand der Kleidung sowie die Reinigung. „Der Prozess will beherrscht sein“, sagte er. Die Kleidung selbst soll aus dem Tchibo-Sortiment stammen. An Kilenda ist unter anderem der Abfall-Logistiker Alba beteiligt.
„Solche Ansätze müssen neu ausprobiert werden. Das sollte nicht in der Nische, sondern im Massenmarkt geschehen“, lobte der frühere Außenminister Fischer. Sein Unternehmen Joschka Fischer & Company berät Tchibo bereits seit zwei Jahren zu Nachhaltigkeitsthemen.