Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat im Streit um die gestoppte Ministerlaubnis zur Edeka-Tengelmann-Fusion dem Oberlandesgericht Düsseldorf schwere Versäumnisse vorgehalten. Er respektiere die Entscheidung der Richter im Eilverfahren, aber akzeptiere sie nicht, sagte Gabriel am Mittwoch in Berlin. Sein Ministerium werde Rechtsmittel prüfen und einlegen.
Das Urteil enthalte „eine ganze Reihe falscher Tatsachenbehauptungen“. So nenne das Gericht falsche Termine für seine Gespräche mit den Chefs von Edeka und Kaiser's Tengelmann im Dezember 2015 - auch seien es keine Sechs-Augen-Gespräche, sondern Vier-Augen-Gespräche gewesen. „Auch hier erweckt das OLG einen falschen Eindruck oder ist schlicht falsch informiert“, sagte Gabriel. Die Richter hätten im Ministerium einfach nachfragen können.
Alle Verfahrensbeteiligte - auch Edeka-Konkurrent Rewe - seien später durch Akteneinsicht über die Gespräche informiert worden. Von Geheimgesprächen könne keine Rede sein. Er sei in dem Verfahren auch nicht befangen gewesen. Die Ministererlaubnis sei keine „Gefälligkeitsentscheidung“ gewesen, betonte Gabriel.
Ministererlaubnis
Formell muss nach dem Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mindestens einer der Beteiligten eines Fusionsprojekts nach dessen Untersagung durch das Bundeskartellamt die Ministererlaubnis beantragen. Er kann dies innerhalb von einem Monat nach der Zustellung des Verbots der Wettbewerbswächter tun. Innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Antrags soll der Minister entscheiden. Wird eine Erlaubnis erteilt, kann sie mit Bedingungen und Auflagen verbunden sein. Die Entscheidung ist aber gerichtlich anfechtbar.
Voraussetzung für einen solchen Antrag ist ein öffentliches Interesse an dem Zusammenschluss. Nach dem GWB muss die Fusion gesamtwirtschaftliche Vorteile bieten und/oder durch ein "überragendes Interesse" der Allgemeinheit gekennzeichnet sein. Diese übergeordneten Vorteile müssen die Nachteile für den Wettbewerb aufwiegen, wegen derer das Bundeskartellamt sein Veto einlegte. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Auslandsmärkten soll berücksichtigt werden.
An dem Verfahren für eine Ministererlaubnis werden auch Personen und Gruppen beteiligt, deren Interessen durch die Fusion erheblich berührt werden. Dazu gehören etwa Arbeitnehmer, Verbände, aber auch Konkurrenten. Vor einer Entscheidung über eine Ministererlaubnis muss die Monopolkommission - ein Expertengremium, das die Bundesregierung bei Wettbewerbsfragen berät - eine Stellungnahme abgeben. Deren Einschätzung ist allerdings nicht bindend. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zudem muss es eine öffentliche mündliche Anhörung geben.
Seit Schaffung des Instruments und damit seit 1974 wurde in 21 Fällen eine Ministererlaubnis beantragt. Die Erfolgsbilanz ist gemischt. Wiederholt wurde eine Erlaubnisantrag im Verlauf des Verfahrens wieder zurückgezogen. Zuletzt war ein Zusammenschluss im Krankenhausbereich - Uniklinikum Greifswald/Kreiskrankenhaus Wolgast - im Jahr 2008 vom Minister genehmigt worden. Der bislang letzte spektakuläre Fusionsfall, bei dem eine Ministererlaubnis den Weg - wenn auch mit Auflagen - freimachte, war der der Energiefirmen E.ON und Ruhrgas im Jahr 2002. Dagegen wurde 2003 ein Antrag für ein Zusammengehen der Verlage Holzbrinck/Berliner Verlag zurückgezogen, nachdem die Monopolkommission im Zuge des Verfahrens empfohlen hatte, die Ministererlaubnis zu versagen.
Deutlich kritisierte der Vizekanzler die Feststellung des Gerichts, dass die von ihm zur Begründung der Ministererlaubnis angeführte Stärkung der Arbeitnehmerrechte der knapp 16 000 Tengelmann-Beschäftigten nicht wichtig für das Gemeinwohl sei.
Damit würden die Richter erklären, dass Sozialpartnerschaft, tariflich abgesicherte Löhne, Mitbestimmung und die Qualität von Arbeitsplätzen keine Bedeutung im Wettbewerbsrecht hätten: „Ich weise diese Auslegung unserer Verfassungsordnung entschieden zurück.“ Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, kollektive Arbeitnehmerrechte zu verteidigen und nicht Sache eines Gerichts, sich in diesen Bereich einzumischen. Gabriel kündigte an, dass bei der geplanten Reform des Wettbewerbsrechtes auch das Ministererlaubnisverfahren geprüft und womöglich konkretisiert werde.
Der Wirtschaftsminister und SPD-Chef hatte Deutschlands größtem Lebensmittelhändler Edeka im März unter massiven Auflagen grünes Licht für die umstrittene Übernahme gegeben und damit ein Verbot des Bundeskartellamts ausgehebelt. Sollte es bei dem Veto des Gerichts bleiben und die Fusion scheitern, befürchtet Gabriel die Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann und den Verlust von 5000 bis 8000 Arbeitsplätzen. Er bedauere, dass viele Mitarbeiter nun noch länger Ungewissheit über ihre Zukunft hätten.