Tengelmann Sigmar Gabriel kommt ein Verfahrensfehler in die Quere

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich nicht neutral verhalten, sagt das Oberlandesgericht und kippt die Tengelmann-Übernahme. Kein Wunder, sagt ein Kartellrechtler. Ihn wundert mehr, dass ausgerechnet ein Verfahrensfehler die Erlaubnis verhindert.

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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte die Fusion im Januar 2016 gegen das Veto des Bundeskartellamts und den Rat der Monopolkommission - unter Auflagen - bewilligt. Die Erlaubnis erweise sich "schon nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren als rechtswidrig", urteilte nun das Gericht. Sie sei deshalb "zunächst außer Kraft gesetzt". Dr. Jörg Karenfort ist Kartellrechtler im Berliner Büro der Kanzlei Dentons. Er beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Verkauf der verlustreichen Supermarktkette.

WirtschaftsWoche Online: Schon wieder eine Wende bei den Fusionsplänen von Edeka und Tengelmann: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Ministererlaubnis kassiert. Eine Ohrfeige für Bundeswirtschaftsminister Gabriel?

Schon. Ich staune vor allem über die Tatsache, dass ein Verfahrensfehler nun die Erlaubnis unwirksam macht. Genau das wollte das Ministerium unter allen Umständen vermeiden.

 Dr. Jörg Karenfort ist Kartellrechtler im Berliner Büro der Kanzlei Dentons. Quelle: Privat

Im Urteil heißt es, der Wirtschaftsminister habe über die Erlaubnis gar nicht entscheiden dürfen, weil er nicht neutral sei.

Der Vorwurf der Befangenheit wird auch in einem weiteren Rechtsstreit nur schwer wegzudiskutieren sein. Stein des Anstoßes sind geheime Treffen zwischen Gabriel, dem Edeka-Chef Markus Mosa und dem Kaiser's-Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub.

Warum sind solche Gespräche nicht zulässig?

Weil das Ministerium verpflichtet ist, ein transparentes, objektives und faires Verfahren zu gewährleisten. Der Inhalt dieser Gespräche ist nicht aktenkundig und sie wurden ohne Kenntnis und unter Ausschluss der weiteren Beteiligten, insbesondere Rewe, geführt.

Hätte das Wirtschaftsministerium sich nicht im Klaren darüber sein müssen, dass dieses Verhalten die Erlaubnis platzen lässt?

Ja und deshalb hätten sie nicht stattfinden dürfen. Die Anforderungen an Transparenz und Objektivität sind in diesem Verfahren besonders hoch, weil es derart politisch aufgeladen ist.

Und auch das Arbeitsplatzargument wird kritisch gesehen.

Ob der Erhalt von Arbeitsplätzen als Gemeinwohlbelang einzustufen ist,  darüber lässt sich in der Tat streiten. Zum anderen geht es dem Gericht um die Geeignetheit der Auflagen. Das Ministerium geht davon aus, dass die 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann durch die Auflagen geschützt werden. Den Gründen der Ministererlaubnis aber ist nicht zu entnehmen, ob die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei Edeka in die Entscheidung einbezogen wurde.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Kaiser's Tengelmann-Chef Haub droht recht offensiv mit dem Aus für die gesamte Kette und damit verbunden mit dem Wegfall aller Arbeitsplätze. Kann er damit jetzt noch Druck ausüben?

Eher nicht. Es soll ja Angebote von Rewe und anderen geben, die gerne einen größeren Teil gekauft hätten. Was wir beobachten ist ja die klassische kartellrechtliche Konstellation. Wenn etwas fusionskontrollrechtlich nicht geht, dann wird nur der Teil verkauft, der wettbewerblich unbedenklich ist. Der Rest wird dann von anderen gekauft.

Hieße in diesem Fall dann eine regionale Aufteilung des Geschäfts. Oder ist eine Komplettübernahme durch Rewe noch denkbar?

Es würde mich wundern, wenn Rewe daran kein Interesse zeigen würde. Doch auch Rewe wird möglicherweise nicht alle Märkte erwerben dürfen. Ohne Detailprüfung ist das aber nicht klar zu beurteilen.

Die Ministererlaubnis ist kein neues Instrument, aber umstritten und selten. Bislang gab es erst 22 Anträge, nur in drei Fällen wurde eine Erlaubnis ohne Auflagen erteilt. Wie sind ähnliche Verfahren ausgegangen?

Der wohl spektakulärste Fall war die Ministererlaubnis für die Übernahme des Gasriesen Ruhrgas durch den Energieversorger E.On im Jahr 2002. Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission hatten die Fusionspläne zunächst abgelehnt. Auch damals standen Verfahrensfragen im Vordergrund der Diskussion, es kam zur Klage. Die Fusion konnte schließlich stattfinden nachdem die Beschwerdeführer das Rechtsmittel zurückgenommen hatten.

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