Textil-Siegel für Nachhaltigkeit Grüner Knopf spaltet Modebranche

Für die meisten Textilhersteller sind Sinn und Nutzen des Textil-Öko-Siegels

Nützt der Grüne Knopf, der nachhaltig produzierte Textilien kennzeichnen soll, der Branche? Einige Unternehmen und selbst Discounter erhalten ihn problemlos, andere warten lieber ab oder sehen keinen Sinn darin.

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Der Blaue Engel, GOTS, Bluesigns, IVN Best, Ökotex – die Liste bestehender Zertifikate für nachhaltige und faire Textilien ist lang. Mit dem staatlichen Textilsiegel „Grüner Knopf“ will die Bundesregierung nun Klarheit schaffen. Verbraucher sollen daran leichter erkennen, welche Kleidungsstücke wirklich fair hergestellt wurden. Denn das neue Label wird nur an Unternehmen vergeben, die sich bei der Produktion ihrer Waren zu bestimmten ökologischen- und sozialen Standards verpflichten. Die gelten etwa für das Zuschneiden und Nähen sowie das Bleichen und Färben von Kleidungsstücken. Außerdem müssen mit dem staatlichen Siegel ausgezeichnete Unternehmen in den Produktionsländern den dortigen Mindestlohn zahlen, Abwassergrenzwerte einhalten und auf die Verwendung bestimmter Chemikalien verzichten.

Etablierte Nachhaltigkeitsvorreiter, NGOs und Branchenverbände bemängeln die Unvollkommenheit des Zertifikats. Allerdings könnte ein niederes Ansehen bei Verbrauchern oder eine zu leichtfertige Vergabe des Siegels gerade die vielfach kritisierten Billiganbieter ermutigen, ihre zweifelhafte Produktionsroutine fortzusetzen. Was also erwartet oder erhofft sich die Textilbranche?


Nachhaltige Produkte sollen leichter erkennbar sein

In Deutschland gibt es rund 1300 Textilfirmen - für den Anfang haben 27 von ihnen, also zwei Prozent der Branche, den Grünen Knopf für ausgewählte Produkte erhalten. Darunter sind Start-Ups wie Kaya&Kato, etablierte Nachhaltigkeitspioniere wie das Familienunternehmen Engel und Mittelständler wie Vaude. Doch auch große Handelsketten sind vertreten, beispielsweise die Discounter Aldi Nord und Süd. „Wir haben uns der Initiative angeschlossen, weil wir überzeugt sind, dass der Grüne Knopf hilft, nachhaltig produzierte Textilien auf einen Blick zu erkennen“, sagt Julia Adou, Director Corporate Responsibility bei Aldi Süd. Weiterhin glaube sie, dass „wir ein starkes Signal an die Branche senden, wenn Aldi als einer der größten Textilhersteller Deutschlands den Grünen Knopf unterstützt“. Dies trage dazu bei, nachhaltig produzierte Mode auch in die Breite zu tragen, erklärt Adou.

Auch das mittelständische Unternehmen Vaude, das schon seit elf Jahren Wert auf ökologisch- und sozial verantwortungsbewusste Herstellung seiner Kleidungsstücke legt, erhielt das Zertifikat. Jan Lorch, Geschäftsleitung Vertrieb und Corporate Social Responsibility, begrüßt die Zusammenführung von acht zuvor alleinstehenden Siegeln zu einem Metalabel unter dem grünen Knopf. Dennoch sieht er darin noch kein optimales Konzept: „Der grüne Knopf ist ein Kompromiss zwischen ökologischem und sozialem Anspruch und Massenfähigkeit. Aktuell konzentriert sich die Prüfung sehr stark auf die serienmäßige Anfertigung von Kleidungsstücken und die Herstellung der Stoffe.“ Langfristig sollten auch Anfang und Ende der Produktionskette betrachtet werden: „Beim Anbau der Rohstoffe und der Nachnutzungsphase, also beispielsweise lebensverlängernden Maßnahmen, ist das Konzept noch unvollständig“, sagt Lorch. Insgesamt seien die Kriterien für den Grünen Knopf allerdings ein Start auf hohem Niveau. 

Bestehende Nachhaltigkeits-Siegel könnten Schaden nehmen

Der Gesamtverband Textil + Mode, der rund 350 deutsche Modemarken wie Falke, Olymp oder Eterna vertritt, hat jedoch kein Vertrauen in den grünen Knopf: „Wir können das neue Siegel nicht empfehlen“, sagt Ingeborg Neumann. Das vorgestellte Konzept schaffe nicht nur mehr Unklarheit, sondern bedrohe etablierte Formate: „Wir können nicht zulassen, dass die international etablierten Siegel und Zertifizierungssysteme, in die unsere Unternehmen seit langem viel investieren, Schaden nehmen“, erklärt Neumann. Dies wäre gerade für die vom Gesamtverband Textil + Mode vertretenden Mittelständler, die in scharfer Konkurrenz zu den globalen Bekleidungsketten stünden, ein großer Schaden hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und somit auch für deren Wettbewerbsfähigkeit. Neumann: „Es macht für uns einfach keinen Sinn, ein nationales Siegel in einem globalen Markt zu haben“. Nach Einschätzung des Verbands könne der Grüne Knopf nicht halten, was versprochen werde.

Deutschlands Importe von Textilien und Bekleidung



Das befürchtet auch der Handelsverband Deutschland (HDE). Laut HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth schwäche das neue Sigel bestehende Initiativen: „Besser wäre es, gemeinsam mit dem bereits bestehenden Textilbündnis konstruktiv an kontinuierlichen Verbesserungen in den Lieferländern zu arbeiten“.

Sollte der Grüne Knopf ein Konkurrenzprodukt zum Textilbündnis werden, gefährde dies die bestehende gute Zusammenarbeit zwischen NGOs, Verbänden und Unternehmen, fürchtet Genth.

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