Textilindustrie Warum Tchibo, C&A und Co. auf Bio-Baumwolle setzen

Bio ist Trend – nicht nur in der Lebensmittelindustrie: Auch die Nachfrage an umweltschonend hergestellten Kleidungsstücken wächst stetig und spornt die Hersteller zu mehr Nachhaltigkeit an.

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Der Anteil der nachhaltig produzierten Naturfasern am weltweiten Baumwollanbau ist rückläufig. Quelle: dpa

Spätestens 2020 sollen alle Tchibo-Baumwoll-Kleidungsstücke das Bio-Siegel tragen. Das hat der Kaffee- und Handelskonzern beschlossen. Heute liegt die Rate schon bei 80 Prozent. Auch wenn nicht mehr viel fehlt, ist es ein ambitioniertes Ziel. Denn der Anteil der nachhaltig produzierten Naturfasern am weltweiten Baumwollanbau ist rückläufig.

Aktuell liegt er bei gerade einmal 0,4 Prozent. Trotzdem ist Tchibo mit diesem Ziel nicht allein: Auch die Modekette C&A und der Versandhändler Otto streben bis 2020 an, bei ihren Eigenmarken nur noch Bio-Baumwolle zu verwenden.

Dass ihr Engagement in eine nachhaltigere Baumwollproduktion bereits jetzt groß ist, zeigt ein Ranking der gemeinnützigen Organisation Textile Exchange. Sie kürt die drei Textilhersteller als größte Anbieter von Bio-Baumwolle weltweit. Auch in einem ähnlichen Ranking der Umweltorganisation WWF stehen die deutschen Unternehmen ganz oben.

Die wertvollsten Bekleidungsmarken weltweit

Trotzdem können sie die stetig wachsende Nachfrage nicht befriedigen. Eine Umfrage von Statista zeigt, dass über 60 Prozent der Deutschen zumindest gelegentlich die Umweltverträglichkeit bei Kleidung in ihre Kaufentscheidung miteinbeziehen.   

Laut WWF ist es wichtig, so schnell wie möglich auf Bio umzustellen, und sowohl Unternehmen, als auch Kunden zu sensibilisieren: „Kleidung hat einen Wert und ist kein Wegwerfprodukt“, so Jenny Walther-Thoß, WWF-Referentin für Nachhaltige Biomasse. Hinter einer Jeans oder einem T-Shirt stände eine Lieferkette mit enormen sozialen und ökologischen Auswirkungen. Gerade im konventionellen Anbau werde übermäßig viel Wasser verbraucht, eine große Menge an Pestiziden eingesetzt und durch Kinderarbeit die Kosten klein gehalten. „Das sollte dem Verbraucher bei einer Shoppingtour bewusst sein“, so Walter-Thoß.

Es gibt im nachhaltigen Baumwollsektor allgemein, aber auch im speziellen im Bio-Baumwollbereich verschiedene Herausforderungen. So scheitert eine Ausdehnung von Bio-Anbauflächen bereits am Saatgut.

 „85 Prozent der weltweit angebauten Baumwollpflanzen sind genetisch verändert“, erklärt Nanda Bergstein, bei Tchibo verantwortlich für die Nachhaltigkeit im Non-Food-Bereich. Das ist ein Ausschlusskriterium für Bio-Ware. „Daran müssen wir als Sektor gemeinsam arbeiten“, sagt sie.

Die genmanipulierten Pflanzen dominieren auf den insgesamt rund 30 Millionen Hektar großen Anbauflächen. Hoffte man vor 20 Jahren, dass die veränderten Pflanzen weniger Kosten für teure Pestizide verursachen und dadurch sogar umweltfreundlicher wären, stellt sich mittlerweile heraus, dass das Gegenteil der Fall ist. 

Die Schädlinge, die die Pflanzen durch ein selbst produziertes Gift abwehren sollten, sind inzwischen resistent geworden. Bauern müssen also wieder zur gleichen Menge Pestizid greifen wie früher. Außerdem sind die Sträucher nicht in der Lage, selbst keimfähiges Saatgut hervorzubringen. Die Produzenten müssen deshalb jede Saison neues kaufen. Aber damit nicht genug: „Ein Kilo konventionell hergestellte Baumwolle verbraucht 20.000 Liter Wasser“, erklärt Bergstein. Das sind rund 70 Prozent mehr, als für den Anbau von Bio-Baumwolle benötigt werden.

Bessere Lebensbedingungen für Bauern



Der Anbau von genmanipulierten Pflanzen ist demnach sowohl für die Bauern teurer als auch schädlicher für die Umwelt. Die großen Textilhändler und Umweltorganisationen wie Textile Exchange oder WWF sehen sich aber in der Pflicht, gemeinsam an Lösungen und mehr Transparenz zu arbeiten. 

„Initiativen und Projekte sind im (Baumwoll-)Sektor bislang wenig vernetzt“, heißt es bei Tchibo. Durch ihr Engagement in der Multi-Stakeholder-Initiative „Organic Cotton Accelerator (OCA)“ wollen Tchibo, C&A und weitere große Unternehmen jedoch einen ersten wichtigen Schritt unternehmen. Und wenn der Anteil an ökologischer Bio-Baumwolle zunimmt, „profitieren davon alle“, ist sich Bergstein sicher. 

Beim OCA arbeiten seit 2014 Unternehmen aus der Textilbranche zusammen. Sie wollen für Nachschub von genfreiem Saatgut sorgen und damit auch die Artenvielfalt aufrecht erhalten, die Produktion von Bio-Baumwolle ausbauen und die Nachfrage nach ökologischer Baumwolle fördern.

„Wir sehen uns dazu verpflichtet, als Großeinkäufer von Produkten wie Baumwolle und Zellstoff, bessere Bedingungen für Mensch und Natur zu schaffen“, bestätigt auch Jeffrey Hogue, Nachhaltigkeitsverantwortlicher bei C&A, weltweit größter Anbieter von zertifizierter Bio-Baumwolle. Eines sei dabei besonders wichtig, wie Nanda Bergstein herausstellt: „Die Bauern brauchen einen wirtschaftlichen Anreiz zur Produktion von biologischer Ware.“ Teurere Produkte sichern ihnen höhere Einnahmen. 

Den höheren Preis für den Rohstoff geben die Textilunternehmen laut eigenen Angaben nicht an ihre Kunden weiter. Das Engagement in Nachhaltigkeit diene nicht nur besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bauern und der Gesundheit der Böden, sondern „auch der Erhaltung des Rohstoffes“, sagt Bergstein. Und der ist wichtig: 2016 wurden in Deutschland rund 16.000 Tonnen Baumwollfasern für Bekleidung verarbeitet. Ein verschwindend geringer Teil davon war Bio. Das soll sich ändern, wünscht sich Nanda Bergstein: „Ich hoffe, dass Bio-Baumwolle Standard wird!“

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