
New York Amerika feierte gestern einen seiner höchsten Feiertage: Thanksgiving. Das Erntedankfest wird jeden vierten Donnerstag im November begangen, ein Familientag. Man sitzt zusammen, schaut Football und isst Truthahn. Einkaufen ist tabu, schließlich soll es ein besinnlicher Tag sein, an dem man all der Gaben gedenkt, die man bekommen hat. Doch Amerika ist nicht Amerika, wenn es nicht einkauft. Trotz Thanksgiving, hoher Arbeitslosigkeit und schwacher Wirtschaft, die Leute wollen Geld ausgeben. Einzelhandelsriese Wal-Mart brach vor wenigen Tagen das Tabu: An Thanksgiving werden die Filialen bereits um 22 Uhr geöffnet. Zuvor hatten andere Ketten wie Target, Gap, Kohl's oder Macy's verkündet, ihre Läden um Mitternacht aufzumachen.
Der Grund: Nach Thanksgiving kommt der "Black Friday". Der Schwarze Freitag hat nichts mit Börsenkrach zu tun, sondern markiert die wichtigste Zeit für den US-Einzelhandel. Vom Schwarzen Freitag bis Weihnachten erzielt die Branche mit 466 Milliarden Dollar mehr als die Hälfte ihres Umsatzes und den Löwenanteil ihres Gewinns. Um möglichst viele Kunden zu locken, wirbt Wal-Mart mit DVDs für 1,50 Dollar oder Elektronikhändler Best Buy mit LCD-Fernseher für 189 Dollar. Das führt jedes Jahr zu unglaublichen Szenen vor den Läden, wo sich die Menschen schon stundenlang anstellen und wie von Sinnen losrennen, wenn die Türen geöffnet werden.
Eine Euphorie, die der US-Einzelhandel in diesem Jahr unbedingt mitnehmen will, läuft es derzeit doch überraschend gut. Vor zwei Wochen wurden die Oktoberzahlen für den amerikanischen Einzelhandel bekanntgegeben. Die sind zwar aufgrund der Mischung aus einem warmen Herbst und dem heftigen Schneesturm Ende des Monats eigentlich nicht so gut ausfallen. Trotzdem stiegen die Umsatzerlöse um 0,5 Prozent gegenüber dem Vormonat. Schon der hatte gute Zahlen parat, die Werte waren kräftig um 1,1 Prozent angezogen, das beste Ergebnis seit sieben Monaten.
Die Amerikaner sind in Shoppinglaune. Vor wenigen Tagen verkündete Kaufhauskette Macy's, zu denen auch die Nobelmarke Bloomingdale gehört, exzellente Zahlen für das dritte Quartal. "Man kann bei Macy's den Schwung und die Zuversicht spüren", sagte Vorstandschef Terry Lundgren. Konkurrent J. C. Penney verkündete vergangene Woche keine schlechte Zahlen, ist aber weniger euphorisch. Dort verzeichnet Konzernchef Myron Ullman gute Ergebnisse bei "wohlhabenden Kunden", während die "moderaten Kunden" unter Geldmangel leiden.
Für die erste Kundenkategorie spielt die Psychologie die Hauptrolle: Wie sicher fühlt man sich im Job? Was macht das Aktiendepot in einem Jahr? Anscheinend fühlen sich die Besserverdiener sicher genug, um wieder Geld auszugeben. Im Schnitt wollen sie 712 Dollar in Weihnachtsgeschenke investieren, fast genauso viel wie im Vorjahr. Damit wäre der Abwärtstrend gestoppt, der seit 2007 anhält. In dem Jahr gaben Amerikaner den Spitzenwert von durchschnittlich 909 Dollar für Weihnachten aus.
Baumärkte leiden unter der Krise
Doch nicht alle strahlen. Die Baumarktketten Home Depot und Lowe's sind anderen Kräften ausgesetzt. Die Schwäche am amerikanischen Immobilienmarkt setzt dem Geschäft zu. So verkündete Lowe's erst kürzlich mit einem Gewinneinbruch von 44 Prozent schlechte Zahlen, auch setzte das Unternehmen seinen Ausblick für das Gesamtjahr 2011 deutlich herunter. Die Kette schließt 20 Filialen und will sich mit neuen Eröffnungen zurückhalten. "Unsere Performance ist so nicht hinnehmbar", sagte Vorstandschef Robert Niblock.
Der Fehltritt schmerzt umso mehr, als Konkurrent Home Depot sich gut schlägt. Das Unternehmen verzeichnet steigende Gewinne und Umsätze. Ganz clever positioniert es sich mit Angeboten und Dienstleistungen, die auf den Innenausbau des Eigenheims abzielen. Viele Amerikaner können ihre Häuser aufgrund schwacher Preise und hoher Hypotheken nicht verkaufen. Aber selbst zum Schraubenzieher greifen sie deshalb nicht, um die Veranda zu vergrößern oder die Sauna einzubauen.