Thomas Middelhoff Noch mehr Ärger für Big T.

Neue Unterlagen zeigen, wie sehr der frühere Spitzenmanager Thomas Middelhoff zuletzt die Geduld seiner Gläubiger strapaziert hat. Zudem bahnen sich erneut Streitigkeiten mit dem Immobilienunternehmer Josef Esch an.

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Quelle: AP

La Terre Plantée, „bepflanzte Erde“, heißt der Berghang, an dem Thomas Middelhoff sein privates Refugium errichtet hat. Eine schmale, kurvige Straße windet sich hinauf zum kleinen Château, wo Pool, Tennisplatz, Pinienwald und – selbstredend – ein Hubschrauberlandeplatz auf die Middelhoffs und ihre Gäste warten.

Villa Aldea heißt das Anwesen im südfranzösischen Saint-Tropez. Und das Beste: Die Villa „ist schuldenfrei“, erzählte der gut gelaunte Hausherr in Shorts und Fischerhemd noch im Juli einem Reporter der „Süddeutschen Zeitung“.

Es war eine dieser typischen Middelhoff-Aussagen. Ein Satz, so beruhigend wie das Meeresplätschern unten in der Bucht. Trotz aller Gerichtsprozesse und Klagen sei noch reichlich Vermögen da, konnte – wer wollte – da heraushören. Betongold an der Côte d’Azur. Alles halb so wild also. Einziges Problem: Die Aussage ist falsch.

Unterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, zeigen, dass millionenschwere Hypotheken auf dem Anwesen an der Riviera lasten. Verschlungene Unternehmenskonstruktionen legen zudem die Frage nahe, wem die Villa eigentlich gehört.

Erhebliche Grundschulden sind auch für das Bielefelder Domizil der Middelhoffs eingetragen, wo die Familie vor ihrer Umsiedlung nach Frankreich residierte.

Big T. im Gefängnis

Inzwischen hat der frühere KarstadtQuelle-Chef erneut das Quartier gewechselt – unfreiwillig. Seit dem 14. November sitzt „Big T.“, wie er zu ruhmreicheren Zeiten genannt wurde, in einer Zelle in der Justizvollzugsanstalt Essen: acht Quadratmeter hinter vergitterten Fenstern, Kleiderschrank, Bett, Waschbecken, Fernseher. Alle 15 Minuten wird seine Zelle überprüft – auch in der Nacht.

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Das Landgericht Essen hat ihn wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und wie einen Schwerverbrecher direkt ins Gefängnis bringen lassen – wegen Fluchtgefahr. Middelhoffs Anwälte wollen Revision gegen das Untreue-Urteil einlegen. Doch bis der Fall verhandelt wird, könnten dem Manager die Geschäfte endgültig entgleiten. An zu vielen Fronten muss er kämpfen, zu viele Gegner machen Druck.

Neue Unterlagen zeigen, wie sehr Middelhoff die Geduld seiner Gläubiger in den vergangenen Monaten strapaziert hat. Banker werden ob der middelhoffschen Außenstände nervös. Zudem bahnen sich neue Streitigkeiten mit einem früheren Geschäftspartner an, dem Troisdorfer Immobilienunternehmer Josef Esch.

Getäuscht vom Blendax-Lächeln

Noch mehr Ärger für Big T.? Eigentlich kaum vorstellbar. Die Wucht, mit der Karriere, Ruf und Vermögen des Thomas Middelhoff in den vergangenen Jahren zerbarsten, ist wohl einmalig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Vom gefeierten Wunderknaben bei Bertelsmann ist er erst zur Wut-, dann zur Witzfigur avanciert – ein Fall, der zum Lehrstück an Universitäten taugt, Fachgebiet Verhaltenspsychologie.

Zu verrückt klingt aus heutiger Sicht, dass die Elite des Landes dem Blendax-Lächeln und festen Blick des Managers jahrelang mehr Glauben schenkte als den wirtschaftlichen Kennzahlen.

Vom Wunderknaben zur Witzfigur

Nicht minder erklärungsbedürftig ist indes Middelhoffs Handeln, das zuletzt an Selbstzerstörung grenzte. Den Untreue-Prozess sah er als Farce. Vorwürfe glaubte er weglächeln zu können. Schließlich waren all die Trips mit Chartermaschinen und Helikoptern, um die es dabei ging, aus seiner Sicht nie Geldverschwendung, sondern berufliche Notwendigkeit. War er doch allzeit und überall zum Wohle des Konzerns unterwegs.

Dass Middelhoff die Annehmlichkeiten seiner Mittelmeer-Villa gegen eine Gefängniszelle tauschen musste, dürfte viel mit diesem Hang zur Großspurigkeit zu tun haben. Hätte er Einsicht oder gar Reue gezeigt, das Urteil wäre wohl weniger hart ausgefallen. Zumindest die sofortige Festnahme wäre ihm vermutlich erspart geblieben. Auch seine Gläubiger wären kaum so erpicht darauf, ihr Inkasso öffentlich zu zelebrieren, würde Middelhoff mehr Demut zeigen.

Der Middelhoff-Prozess von A bis Z

Doch der nutzte selbst die Abgabe einer Vermögenserklärung – vulgo: Offenbarungseid – im Juli noch zum Prahlen. Um den Fotografen zu entkommen, die die Szene festhalten wollten, sei er im Gerichtsgebäude „wie die Katze übers Dach“: Erst musste er drei Meter tief auf eine Garage springen, dann noch einmal drei Meter auf die Straße. „Dann habe ich mir ein Taxi gewunken und bin zu Verhandlungen geflogen.“ Sportlich selbst im Abgang.

Zorn der Gläubiger

Die Gläubiger sind Middelhoffs Mätzchen indes leid und wollen Geld sehen. Das zeigen Pfändungsbeschlüsse und interne Briefwechsel, die der WirtschaftsWoche vorliegen. Investoren, die ihr Kapital in Immobilienfonds gesteckt haben, an denen die Eheleute Middelhoff ebenfalls beteiligt sind, bekamen die neue Gangart bereits zu spüren.

Wenige Wochen nach Middelhoffs hollywoodreifer Flucht übers heiße Blechdach fanden etwa die Gesellschafter des Kölner Immobilienfonds Ossendorf VII ein Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei Noerr in ihren Briefkästen. Höflich teilte der Berliner Anwalt mit, er arbeite im Auftrag des Bankhauses Sal. Oppenheim. Bei der ehemaligen Privatbank, die jetzt zur Deutschen Bank gehört, stehen die Middelhoffs mit rund 78 Millionen Euro in der Kreide. Das Geld hatte sich das Paar einst geliehen, um in mehrere sogenannte Oppenheim-Esch-Fonds zu investieren, darunter auch Ossendorf VII.

Inzwischen weigert sich das Paar, Zinsen und Tilgungsraten abzustottern, behauptet, falsch beraten worden zu sein, und verklagt Sal. Oppenheim auf mehr als 100 Millionen Euro. Die Bank wiederum klagt gegen die Middelhoffs – und lässt Briefe schreiben.

Der Middelhoff-Prozess von A bis Z

Es gehe um den Verkauf der Fonds-Immobilie in Köln-Ossendorf im März 2014, teilte der Noerr-Anwalt in seinem Schreiben mit. Er gehe davon aus, dass der Verkaufserlös längst unter den Fonds-Gesellschaftern verteilt worden sei. Bis dato habe das Bankhaus aber „keine Zahlungseingänge verzeichnet“, obgleich Sal. Oppenheim beim Amtsgericht Bielefeld einen Pfändungsbescheid gegen Middelhoff und seine Ehefrau erwirkt habe.

Dem Brief und einem Pfändungsbeschluss zufolge hätten die Einnahmen des Paars aus dem Ossendorf-Geschäft an die Bank weitergereicht werden müssen.

Middelhoffs Erklärung für den Vorgang? Sein Anwalt ließ diese wie alle weiteren Fragen der WirtschaftsWoche aufgrund der eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten zu seinem Mandanten unbeantwortet.

Laut einer fondsinternen Übersicht aus dem Sommer 2014 sollen insgesamt rund 9,3 Millionen Euro an die Gesellschafter ausgeschüttet worden sein, mehr als die Hälfte davon an die größten Anteilseigner, die Middelhoffs. Da das Geld nicht geflossen sei, erwäge das Bankhaus nun „eine Inanspruchnahme der Gesellschaft“, teilte der Noerr-Anwalt mit.

Im Klartext soll das wohl heißen: Die Bank will im Zweifel Middelhoffs Co-Investoren zur Kasse bitten. Darunter sind neben Immobilienunternehmer Esch auch Maxdata-Gründer Holger Lampatz und der frühere Sal.-Oppenheim-Vorsteher Matthias Graf von Krockow.

Welche Konsequenzen der Vorgang für Middelhoff hat, ist völlig offen. Dass er die Beziehung zu seinen Co-Investoren nicht gerade fördert, ist dagegen absehbar.

Streit mit alten Weggefährten

Ohnehin brodelt es zwischen Middelhoff und zumindest einem Mitgesellschafter in den meisten seiner Fonds: Esch. Der Immobilienentwickler wirft Middelhoff vor, seine Pflichten als Geschäftsführer des Ossendorf-Fonds verletzt zu haben.

Mieterhöhungen seien zu spät durchgesetzt worden. Und auch eine an Middelhoff gezahlte Geschäftsführervergütung von rund 158 000 Euro im Jahr 2012 sei um ein Vielfaches zu hoch, argumentiert die Esch-Seite. Dadurch sei der Gesellschaft ein Schaden entstanden, den Middelhoff ersetzen müsse. Weigere er sich zu verhandeln, werde geklagt.

Aus Schreiben zwischen den Kontrahenten geht hervor, dass Middelhoff die Vorwürfe von sich weist. Die Vergütung sei durch Gesellschafterbeschlüsse gedeckt. Zudem hätten Unterlagen gefehlt, um die Mieterhöhung durchzusetzen.

Auch mit Middelhoffs Anwälten aus der bundesweit tätigen Kanzlei Buse Heberer Fromm pflegt Esch regen Schriftverkehr. Mal geht es um millionenschwere Charter- und Unterhaltskosten für die 33 Meter lange Luxusyacht Medici, die Middelhoff noch nicht beglichen hat. Mal geht es um die Immobilienfonds.

Einem Schreiben Eschs vom 26. August 2014 zufolge hat Middelhoff nicht nur Ärger mit Sal. Oppenheim, sondern auch mit der Sparkasse Köln Bonn. Ihre Mandanten, so schreibt Esch an Middelhoffs Anwälte, seien gegenüber der Sparkasse mit vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungsraten in Rückstand geraten.

Statt mit den Ausschüttungen der Oppenheim-Esch-Fonds die Bankschulden abzutragen, hätten die Middelhoffs damit ihren Lebensunterhalt sowie Anwaltskosten bestritten, behauptet zumindest Esch. Middelhoffs Anwalt verweist wiederum auf die schwierigen Kontaktmöglichkeiten zu seinem Mandanten.

Spurensuche in Saint-Tropez

Auch Fragen der WirtschaftsWoche zur Absicherung der Anwaltsvergütung ließ Middelhoffs Stammkanzlei Buse Heberer Fromm unbeantwortet. Dabei rätselt die Anwaltszunft schon seit Monaten, wie Middelhoff die Wirtschafts- und Strafrechtler der Kanzlei eigentlich bezahlt. Die Zahl der Prozesse, in die ihr Mandant involviert ist, ist kaum noch zu überschauen. Nicht zuletzt beim Untreueprozess in Essen setzte Middelhoff auf Buse Heberer Fromm.

Ein Blick ins Handelsregister zeigt indes Erstaunliches: Hartmut Fromm, Mitbegründer der Kanzlei, ist nicht nur anwaltlicher Beistand, sondern mittlerweile auch Geschäftspartner von Middelhoff.

So hat sich Fromm Anfang 2014 bereits an der Centurion Asset Management beteiligt, an der laut Handelsregister auch Middelhoffs Ehefrau Cornelie Anteile hält. Der Centurion gehört eine französische Firma namens SCI Aldea – und dieser wiederum die Middelhoff-Villa in Saint-Tropez.

Es scheint so, als würde die Suche nach Antworten eine schmale, kurvige Straße hinauf zu einem ockerfarbenen Anwesen mit Traumblick auf die Côte d’Azur führen.

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