La Terre Plantée, „bepflanzte Erde“, heißt der Berghang, an dem Thomas Middelhoff sein privates Refugium errichtet hat. Eine schmale, kurvige Straße windet sich hinauf zum kleinen Château, wo Pool, Tennisplatz, Pinienwald und – selbstredend – ein Hubschrauberlandeplatz auf die Middelhoffs und ihre Gäste warten.
Villa Aldea heißt das Anwesen im südfranzösischen Saint-Tropez. Und das Beste: Die Villa „ist schuldenfrei“, erzählte der gut gelaunte Hausherr in Shorts und Fischerhemd noch im Juli einem Reporter der „Süddeutschen Zeitung“.
Es war eine dieser typischen Middelhoff-Aussagen. Ein Satz, so beruhigend wie das Meeresplätschern unten in der Bucht. Trotz aller Gerichtsprozesse und Klagen sei noch reichlich Vermögen da, konnte – wer wollte – da heraushören. Betongold an der Côte d’Azur. Alles halb so wild also. Einziges Problem: Die Aussage ist falsch.
Unterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, zeigen, dass millionenschwere Hypotheken auf dem Anwesen an der Riviera lasten. Verschlungene Unternehmenskonstruktionen legen zudem die Frage nahe, wem die Villa eigentlich gehört.
Erhebliche Grundschulden sind auch für das Bielefelder Domizil der Middelhoffs eingetragen, wo die Familie vor ihrer Umsiedlung nach Frankreich residierte.
Big T. im Gefängnis
Inzwischen hat der frühere KarstadtQuelle-Chef erneut das Quartier gewechselt – unfreiwillig. Seit dem 14. November sitzt „Big T.“, wie er zu ruhmreicheren Zeiten genannt wurde, in einer Zelle in der Justizvollzugsanstalt Essen: acht Quadratmeter hinter vergitterten Fenstern, Kleiderschrank, Bett, Waschbecken, Fernseher. Alle 15 Minuten wird seine Zelle überprüft – auch in der Nacht.
Die besten Zitate von und über Thomas Middelhoff
Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff musste sich einem knappes halbes Jahr vor dem Essener Landgericht wegen des Vorwurfs der Untreue verantworten. Eine Übersicht von Zitaten rund um die Ereignisse der vergangenen Monate.
„Ich bin wie die Katze übers Dach. Ich musste drei Meter tief auf eine Garage springen und dann noch einmal drei Meter auf die Straße.“
(Middelhoff über seine filmreife Flucht vor Fotografen nach einem Termin bei einem Gerichtsvollzieher in Essen Ende Juli, bei dem er seine Vermögensverhältnisse hatte offenlegen müssen)
„Das ist wie ein apokalyptischer Traum.“
(Middelhoff zu Pfändungsversuchen von Gläubigern am Rande seines Untreue-Prozesses vor dem Essener Landgericht)
„Er hat eigentlich immer gearbeitet, immer, immer.“
(Middelhoffs Gattin Cornelie Middelhoff als Zeugin vor Gericht zur Arbeitsbelastung ihres Mannes)
„Das war ein fliegendes Büro für ihn.“
(Ein früherer Mitarbeiter Middelhoffs als Zeuge vor Gericht zu den umstrittenen Charterflügen seines Ex-Chefs)
„Stau war das Schlimmste für ihn.“
(Der langjährige Fahrer des Managers als Zeuge vor Gericht)
„Mir und meiner unternehmerischen Tätigkeit ist großer Schaden zugefügt worden.“
(Middelhoff zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn, die er als „uferlos“ und „unverhältnismäßig“ empfindet)
„Ich habe mich nie als Controllerin meines Chefs gesehen.“
(Eine ehemalige Sekretärin des Managers, die sagte, sie habe Middelhoffs Entscheidungen als „gottgegeben“ hingenommen.)
Das Landgericht Essen hat ihn wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und wie einen Schwerverbrecher direkt ins Gefängnis bringen lassen – wegen Fluchtgefahr. Middelhoffs Anwälte wollen Revision gegen das Untreue-Urteil einlegen. Doch bis der Fall verhandelt wird, könnten dem Manager die Geschäfte endgültig entgleiten. An zu vielen Fronten muss er kämpfen, zu viele Gegner machen Druck.
Neue Unterlagen zeigen, wie sehr Middelhoff die Geduld seiner Gläubiger in den vergangenen Monaten strapaziert hat. Banker werden ob der middelhoffschen Außenstände nervös. Zudem bahnen sich neue Streitigkeiten mit einem früheren Geschäftspartner an, dem Troisdorfer Immobilienunternehmer Josef Esch.
Getäuscht vom Blendax-Lächeln
Noch mehr Ärger für Big T.? Eigentlich kaum vorstellbar. Die Wucht, mit der Karriere, Ruf und Vermögen des Thomas Middelhoff in den vergangenen Jahren zerbarsten, ist wohl einmalig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Vom gefeierten Wunderknaben bei Bertelsmann ist er erst zur Wut-, dann zur Witzfigur avanciert – ein Fall, der zum Lehrstück an Universitäten taugt, Fachgebiet Verhaltenspsychologie.
Zu verrückt klingt aus heutiger Sicht, dass die Elite des Landes dem Blendax-Lächeln und festen Blick des Managers jahrelang mehr Glauben schenkte als den wirtschaftlichen Kennzahlen.