Trotz steigender Nachfrage Fernbusse profitieren nicht von Boom

Die Fahrgastzahlen steigen, doch irgendetwas scheint am Konzept der Fernbus-Anbieter in Deutschland nicht zu stimmen. Obwohl immer mehr Kunden der Bahn den Rücken kehren, krebsen Mein Fernbus und Co am Existenzminimum.

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Flixbus, Mein Fernbus, Dein Bus, city2city: Es gibt mittlerweile unzählige Anbieter und etliche befahrene Strecken – für die Betreiber der Fernbusslinien ist der enge Markt eine riesige Herausforderung. Quelle: dpa

Düsseldorf Grün, blau oder gelb - auf Deutschlands Autobahnen ist es seit der Öffnung des Fernbusmarktes noch bunter geworden. Rund 40 Anbieter buhlen gut anderthalb Jahre nach der Liberalisierung um Kunden. Das Angebot boomt. Mittlerweile steuern grüne Busse vom Marktführer Mein Fernbus, blaue Flixbusse oder gelbe Post/ADAC-Gefährte insgesamt mehr als 200 Städte an. Vor allem junge Menschen und Senioren nutzen die Busse als günstige Alternative zu Bahn, Flugzeug oder eigenem Auto. Aber trotz des Booms verdienen die Fernbus-Anbieter kein Geld. Höhere Preise sind wegen des starken Wettbewerbs schwer durchzusetzen. Um rentabel zu arbeiten, könnten sich Unternehmen zusammenschließen. Vielleicht bleiben aber einige Betreiber auch auf der Strecke.

So stand etwa schon der ADAC Postbus Insidern zufolge auf der Kippe. Die Passagierzahlen hätten die eigenen Erwartungen nicht erfüllt. Nun versucht das erst im November gestartete Partnerunternehmen mehr Kunden über eine Verdopplung der angefahrenen Städte auf 60 zu locken. Der Postbus ist der viertgrößte Anbieter, der Marktanteil gemessen an den angebotenen Fahrplankilometern sank jedoch einer Studie des Forschungs- und Beratungsinstituts IGES zufolge auf 8,5 Prozent von noch zwölf Prozent Anfang April. Mein Fernbus baute seine Marktführerschaft auf 42,3 von 37,9 Prozent aus, gefolgt von dem Unternehmen Flixbus, das auf 21,4 Prozent von 17,6 Prozent zulegte. Marktanteil eingebüßt hat das Bus-Angebot der Deutschen Bahn (BerlinLinienBus und IC Bus). Anfang Juli lag dieser bei 14,8 Prozent nach 17,5 Prozent Anfang April.

Zum Schutz der Bahn waren Fernbuslinien in der Vergangenheit bis auf wenige Ausnahmen in Deutschland verboten. Anfang 2013 wurde der Markt dann fast völlig freigegeben. Damit erhielt die Bahn auf praktisch allen Strecken Konkurrenz. Im vergangenen Jahr fuhren laut Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) schon neun Millionen Passagiere mit einem Fernbus. Im Vergleich zu den 131 Millionen Fahrgästen der Bahn oder 181 Millionen Passagieren der Fluglinien ist das noch ein kleiner Anteil. Aber der Markt wächst stetig, wie Christoph Gipp, Bereichsleiter Mobilität am IGES, konstatiert: „Es ist damit zu rechnen, dass insbesondere Verbindungen in mittlere Städte noch zunehmen, das zeigt der Trend der letzten Monate.“

Flixbus beziffert die durchschnittliche Auslastung seiner Busse mit mehr als 50 Prozent. Geschäftsführer André Schwämmlein schwärmt: „2013 haben wir unser Angebot auf knapp 40 Linien zu rund 100 Zielen mit 600 täglichen Verbindungen verzehnfacht.“ Auch der kleinere Konkurrent City2City glaubt an Wachstum: „Wir rechnen damit, dass das Marktpotenzial im Fernbus-Bereich innerhalb der kommenden fünf Jahre bei 300 bis 600 Millionen Euro jährlich liegen wird“, heißt es bei dem Anbieter. Diese Erlöse gehen teils zu Lasten der der Bahn. Konzern-Vorstand Ulrich Homburg zufolge wurden etwa 44 Prozent der Bus-Fahrgäste der Bahn abspenstig gemacht. Er rechnet deshalb 2014 mit mehr als 50 Millionen Euro weniger Umsatz und Gewinn. 2013 seien es etwa 20 Millionen Euro gewesen. Gemessen am Gesamtumsatz der Bahn von 39 Milliarden Euro ist dies aber relativ wenig.

Andere sehen vor allem das Auto auf der Verliererspur. „Nach Einschätzung unserer Unternehmer sind 70 Prozent der Fernbus-Nutzer junge Leute, die früher oft mit der Mitfahrzentrale unterwegs waren oder einen Pkw haben, mit dem sie nicht viele Kilometer zurücklegen wollen“, sagt bdo-Sprecher Schröter. 30 Prozent der Passagiere seien ältere Menschen, die Zeit zum Reisen hätten und nicht kompliziert umsteigen wollten. Andere Umfragen zeigten, dass über 50 Prozent der Fernbus-Nutzer früher mit dem Auto gefahren seien. Viele Passagiere sind auch solche, die vorher wegen der Kosten gar nicht gereist sind.


Anbieter peilen erstmals Gewinnschwelle an

Fahrten in Fernbussen können günstiger angeboten werden als Bahnreisen - die Anbieter bezifferten den Preisvorteil auf bis zu 80 Prozent. Von Frankfurt nach Berlin kann man für 17 Euro fahren. Auch in puncto Umweltfreundlichkeit schnitten die neuen Busse im Vergleich zu anderen Reisemitteln am besten ab, erläutert bdo-Sprecher Schröter. Ihre Anschaffung sei aber teuer, deshalb schrieben die Anbieter noch Verluste. „Nach unseren Informationen fährt noch kein Unternehmen profitabel“, sagt Schröter unter Berufung auf die jüngste Konjunkturumfrage. Mein Fernbus will in diesem Jahr schwarze Zahlen schreiben und auch Flixbus-Chef Schwämmlein peilt die Gewinnschwelle an.

Für Schröter ist dennoch klar, dass auf Dauer die günstigen Preise nicht zu halten sein werden. „Das Reisen mit dem Fernbus wird deutlich teurer werden müssen.“ Wegen des großen Wettbewerbs dürfte es aber schwer sein, im Alleingang die Preise anzuheben. „Es steht zu befürchten, dass ein Wettbewerber, der die Preise anhebt, vom Markt verschwindet.“ Ein Mittel dagegen sind Kooperationen: Schon jetzt sind unter den gut 40 Anbietern am Markt eine Handvoll große Holdings, wie Mein Fernbus oder BerlinLinienbus, unter denen mittelständische Unternehmen auf eigenes Risiko fahren. Die Kosten für Verwaltung oder Buchung können so minimiert werden.

IGES-Experte Gipp beobachtet ebenfalls, dass kleinere Betreiber zunehmend mit großen Anbietern zusammenarbeiten. Angesichts des geringen Preisniveaus - der Umsatz je Fahrgast und Kilometer liege zwischen vier und neun Cent - sei aber auch nicht auszuschließen, dass einzelne Verbindungen eingedampft oder Strecken ganz aufgegeben würden. „Es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch mittelfristig auch größere Betreiberfirmen vom Fernbusmarkt distanzieren oder eine Lösung in einer Kooperation mit Konkurrenzanbietern suchen“, so Gipp.

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