True Motion greift an Hartnäckige Gründer: Schritt für Schritt zum Adidas-Konkurrenten

True Motion Laufschuhe. Quelle: imago images

Das Start-up True Motion setzt auf einen völlig neuen Laufschuh und könnte damit wohl große Investorensummen einsammeln. Doch das Kölner Unternehmen verzichtet – und setzt lieber auf Mund-zu-Mund-Propaganda.

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Die Geschichte über Andre Kriwet und seine Mitgründer Christian Arens und Gert-Peter Brüggemann könnte die eines gewöhnlichen Start-ups sein: Drei Männer gründen ein Unternehmen, entwickeln eine innovative Technologie – und werden zugeschüttet mit Investoren-Millionen. Doch es läuft anders.

Das Trio hat mit True Motion ein Schuh-Start-up gegründet. Die Technologie ist wohl tatsächlich einzigartig und könnte das Laufen langfristig verändern. Doch der Angriff auf die etablierten Firmen Adidas, Nike, Asics und Brooks dürfte noch über Jahre hinweg ausbleiben. Das junge Unternehmen verzichtet auf große Investoren, geht lieber den klassischen Weg: Erspartes plündern, malochen, kleine Erfolge einsammeln – ein sehr mittelständischer Weg.  

80.000 Schuhpaare hat das 2019 gegründete Start-up bereits verkauft, was bei 160 Euro je Stück auf etwas weniger als 13 Millionen Euro Umsatz rausläuft. Zum Vergleich: Adidas hat allein 2020 rund 379 Millionen Schuhpaare verkauft. Der Abstand bleibt riesig. Aber die Unternehmer sprechen dennoch freudestrahlend davon, dass es besser kaum laufen könnte.

Videoanruf bei Kriwet und Arens, die ihre Geschichte von vorne erzählen. Gegründet haben die drei 2018. Sie wollten nach teils langen Karrieren noch einmal etwas Anderes machen. Kriwet war einer der führenden Laufschuhexperten in den Diensten großer Konzerne. 25 Jahre war er im Geschäft und schon damals immer an seiner Seite als Berater und Freund: Gert-Peter Brüggemann. Der ehemalige Leiter des biomechanischen Instituts der Sporthochschule Köln gilt in Laufschuhkreisen als so etwas wie der Papst des Schuhdesigns, war an unzähligen Erfolgsschuhen der großen Hersteller beteiligt. Als Kriwet 2017 kündigte, wollten beide etwas Neues starten und fanden mit Arens einen Mann fürs Finanzielle.

Der True-Motion-Laufschuh soll bei Knieproblemen helfen

Über ein Jahr saßen sie an der Entwicklung des neuen Schuhs, der nicht einfach nur noch leichter, noch schriller, noch extravaganter sein sollte: Er sollte schlicht besser sein. „Die großen Firmen haben heute keinen Leidensdruck, eine gute Marketingkampagne reicht oft für eine paar Millionen verkaufte Schuhe. Wir aber wollten wieder stärker auf den Läufer schauen“, sagt Kriwet heute.

Dafür setzen sie bei True Motion auf eine neue Technologie: Sie legen durch den Schuh gewissermaßen einen Schlauch um die menschliche Ferse, was das Verletzungsrisiko im Knie reduzieren soll – immerhin die häufigste Verletzung bei Läufern aller Art. Sie schnitzten einen Prototypen, dann einen zweiten und suchten schließlich einen Produzenten. Erst haben sie es in Deutschland versucht, doch sei dort die Qualität schlicht zu schlecht gewesen. „Ein Laufschuh ist Handarbeit und das können die Facharbeiter in Asien leider einfach besser als hierzulande“, erklärt Kriwet die Entscheidung des Start-ups. 2019 kommt der erste Schuh in ausgewählte Läden, keine großen Kaufhäuser, sondern Laufläden für Expertenpublikum.

von Julian Heißler, Jörn Petring, Peter Steinkirchner

Gewartet hat kaum jemand auf den neuen Schuh des Kölner Unternehmens, der sich im Regal neben Schuhen von Adidas, Nike oder Spezialisten wie Brooks und Asics einordnet. Im Kampf um Mainstream-Artikel hätten sie ohnehin keine Chance gegen die gigantischen Marketingbudgets der großen Hersteller, die in Plakatwerbung, Social-Media-Kampagnen und teure Sponsoringverträge mit Top-Athleten investieren. „Zu glauben, wir könnten gegen diese Unternehmen wirtschaftlich bestehen, ist vollkommen vermessen“, sagt Kriwet.

Angst vor Nike, Brooks & Co. haben sie nicht

Und doch glaubt er, langfristig die Nische der ambitionierten Hobbyläufer besetzen zu können, also die, die drei bis fünf Mal die Woche joggen gehen – aus Spaß, nicht für den Wettbewerb. Fünf bis acht Millionen Kunden gibt es den Gründern zufolge von der anvisierten Zielgruppe in Deutschland. Aber sind da 80.000 verkaufte Paare, also rund ein Prozent Marktanteil, dann ein Erfolg?

Aus Sicht der Gründer sind die Verkaufszahlen von True Motion ein großer Erfolg, ein Mega-Erfolg sogar. Anders als viele Start-ups weltweit setzt das Führungsteam explizit nicht auf Investoren, nicht auf krasse Expansion, nicht auf verrücktes Umsatzwachstum oder große Marketingbudgets. Genauer gesagt, schalten sie nicht einmal großflächig Werbung, sondern wachsen über Mund-zu-Mund-Propaganda. Damit sind sie in der Wachstumsstrategie eher ein kleiner deutscher Mittelständler als ein großspuriges Start-up.

Angst davor, dass Nike und Brooks selbst auf die Idee mit dem Schlauch-um-die-Ferse-Schuh kommen und dem jungen Kölner Unternehmen den Umsatz wegnehmen, haben sie nicht. Zum einen sei die Technologie patentiert, zum anderen würde eine Kopie sie eher beflügeln. So glauben die Gründer, dass ein Push von Nike in die Richtung mehr Leute auf sie aufmerksam machen würde – eine mindestens einmal riskante Strategie, deren Ausgang sich erst noch zeigen muss.

Das größte Problem, vor dem sie aktuell stehen, sind auch nicht die Konkurrenten, sondern die Liquidität. Ohne Investoren haben sie bisher ihr Erspartes investiert und müssen jede neue Bestellrunde bei den Banken durchboxen, auch dort agieren sie sehr ähnlich zum deutschen Mittelständler. Bei den Geldhäusern aber geht ein rotes Lämpchen an, wenn sie sehen, dass ein Unternehmen noch jünger als fünf Jahre etwas leihen will – und dann auch noch abhängig ist vom Konsum. „Hier gegenzuarbeiten ist nicht ganz leicht, aber unser Konzept hat funktioniert und wir sind gesund finanziert“, sagt Finanzmann Christian Arens. 2022 soll ein neuer Prototyp kommen, 2023 der neue Schuh und dann das Wachstum. Schritt für Schritt, so der Plan.

Mehr zum Thema: Der Adidas-Chef Kasper Rorsted kopiert das große Vorbild Nike – und zementiert so ausgerechnet die Rolle des ewigen Zweiten. Lesen Sie hier die große WiWo-Titelgeschichte zu Adidas.

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