Überangebot bei Ferienfliegern Warum Tui-Chef Joussen die eigene Airline ausbaut

Trotz der Air-Berlin-Pleite gibt es mehr Sitzplätze in Ferienfliegern als Fluggäste. Tui-Chef Joussen stockt bei Tuifly dennoch auf – aus einem einfachen Grund.

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Der Reisekonzern will seine Flotte um bis zu 90 Maschinen aufstocken. Quelle: dpa

Frankfurt „Kerosin im Blut“ hat Friedrich Joussen nicht. Flugzeuge betrachtet der Chef des Reisekonzerns Tui ohne große Leidenschaft, vielmehr findet er für sie eine nüchterne Bezeichnung. „Sie sind Infrastrukturvorleistung.“ Sie würden dafür sorgen, dass die Urlauber an ihr Ziel kommen.

Dass genau das auch nach der Pleite von Air Berlin weiterhin kein Problem sein wird, davon ist der Tui-Chef fest überzeugt: „Die Orderbücher der Hersteller sind voll, eine Airline mag pleitegehen, die Flugzeuge bleiben im Markt.“ Auch wenn sich der Ferienflugmarkt jetzt konsolidiere, Tui habe noch ausreichend Alternativen, Sitzplatzkontingente bei den Airlines zu bestellen, sagte er am Mittwochabend.

Das Geschäft mit Ferienflügen ist komplex. Zwar haben die großen Reisekonzerne wie Thomas Cook und Tui eigene Airlines. Doch gleichzeitig kaufen sie Sitzplatzkontingente bei anderen Anbietern ein. Viele Ferienbieter buchten bei Air Berlin. Nach der Insolvenz der Airline gibt es nun bei manchen Managern der Tourismusbranche die Sorge, dass etwa die Lufthansa-Tochter Eurowings eine zu starke Marktposition bekommt.

Zwar hat die EU-Wettbewerbsbehörde mit ihren Bedenken den Plan der Lufthansa-Gruppe verhindert, die Air Berlin-Tochter Niki zu übernehmen. Doch der künftiger Besitzer der Niki-Vermögenswerte, der frühere Rennfahrer Niki Lauda, will einige der Jets samt Crews an Eurowings vermieten. Schon jetzt ist Eurowings in Europa eine der größten Billigairlines.

Auch aus Furcht vor einer zu starken Marktstellung etwa von Eurowings hat sich die Thomas-Cook-Tochter Condor über eine Kooperation mit Laudamotion ebenfalls Zugriff auf Kapazitäten bei der Niki-Nachfolgegesellschaft gesichert.

Joussen will auf eigene Flugzeuge nicht verzichten

Tui-Chef Joussen dagegen verfolgt eine etwas andere Strategie. Zwar hält er ebenfalls eigene Flugzeuge für unverzichtbar. Er investiert deshalb zurzeit massiv in die Flotte. 70 Boeing 737-Max sind bestellt, Tui denkt aber darüber nach, sogar 90 Maschinen dieses Typs zu erwerben. „Das ist aber alles Ersatz, keine zusätzliche Kapazität“, stellt Joussen klar.

Grundsätzlich gelte für alle „Assets“ des Konzerns, also Hotels, Kreuzfahrtschiffe und auch Flugzeuge, dass diese dort eingesetzt würden, wo die Durchschnittserlöse entsprechend attraktiv sind. „Das ist immer dort, wo die Nachfrage größer ist als das Angebot“, so Joussen. Wenn Tui etwa ein neues Hotel in einer Region plane, müsse sichergestellt sein, dass die Gäste dort auch hinkämen.

Zeige sich, dass das neue Ziel zu wenig oder auch gar nicht angeflogen werde, könne man mit eigenen Flugzeugen flexibel reagieren. „Aber brauche ich eigene Flugzeuge für Mallorca? Ich glaube nicht“, so Joussen. Hier setze man auf andere Airlines, von denen es weiterhin ein mehr als ausreichendes Angebot gebe. Für Tui sei das Flugzeug ausschließlich eine vorgelagerte Leistung. Eigene Jets seien ungeeignet, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren.

Entspannt sieht Joussen den Wettbewerb durch Internetplattformen. Diese seien dort gut, wo es um Massenware im Überfluss gehe. Doch viele Urlauber planten ihre Reise mit viel Vorlauf. „Wir haben unsere Kunden vier Monate nur für uns“, sagte Joussen mit Blick auf die durchschnittliche Zeit zwischen Buchung und Reiseantritt: „Nennen sie mir eine Branche, die diesen Vorteil hat.“

Zusatzangebote am Reiseziel

Den will Tui künftig noch stärker nutzen – zum Beispiel für individualisierte Zusatzangebote am Reiseziel. Mit Hilfe von Kundendaten werde man Pakete wie etwa Reitausflüge oder anderes anbieten. „Wir sind heute ein Contentanbieter“, so der Tui-Chef. Die Datenauswertung funktioniere immer besser. Von 1000 Angeboten, die man unterbreite, würden 20 genommen. „Das ist eine sehr gute Rate.“

Gleichzeitig will Tui künftig bessere Durchschnittserlöse mit Hotelzimmern erzielen. Helfen soll dabei auch die neue Technologie der so genannten Blockchain. Hier werden die Daten statt auf zentralen Rechnern dezentral verteilt, die Software hat einen viel breiteren Zugriff auf die Informationen.

Der Vorteil im Fall von Tui: Zeigt sich, dass sich Zimmer in einem Hotel zum Beispiel in Großbritannien zu einem besseren Preis als etwa in Deutschland verkaufen lassen, kann die Software Zimmerkontingente nach Großbritannien verlagern. „Im Schnitt setzen wir 900 Euro pro Feriengast um“, so Joussen: „Die Frage ist, ob wir daraus 920 machen können. Ich glaube ja.“

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