Übernahme durch Kaufland und Edeka Wird Real zum nächsten Kaiser’s Tengelmann?

Quelle: imago images

Die Zerschlagung der Warenhauskette Real durch Edeka und Kaufland schien nur eine Formalie zu sein. Doch die rechtlichen Hürden sind hoch. Die Aufteilung der Standorte könnte sich verzögern. Das weckt dunkle Erinnerungen.

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Handelsgrande Klaus Gehrig war sich sicher: Beim Poker um die SB-Warenhauskette Real würden für Kaufland rund 100 der 270 Märkte infrage kommen. Das ließ der Chef der Schwarz-Gruppe, zu der neben Kaufland auch Lidl gehört, schon Anfang 2019 bei einer Veranstaltung in Heilbronn durchblicken. „Kriegen wir gute Märkte, können es auch ein paar mehr werden", sagte Gehrig damals. Fast zwei Jahre sind seither vergangen und nach zahlreichen Volten beim Verkaufsprozess hat Kaufland auch tatsächlich die Übernahme von 101 Real-Märkten beantragt. Daneben hat Edeka Interesse an 72 teils identischen Filialen angemeldet. 

Dass die Deals wirklich wie geplant über die Bühne gehen, ist aber alles andere als sicher. Zumindest drohen weitere Verzögerungen. So haben sich das Bundeskartellamt und Kaufland bereits zum zweiten Mal auf eine Fristverlängerung für die Prüfung der Übernahmepläne verständigt. Die Wettbewerbsbehörde hat nun bis zum 30. November Zeit, über Kauflands Pläne zu befinden. 

Am Grundproblem ändert sich dadurch wenig: Der deutsche Lebensmittelhandel ist bereits hochkonzentriert. Allein auf die vier Player Edeka, die Schwarz-Gruppe, Rewe und Aldi entfällt der Großteil des Geschäfts. Jeder weitere Zuwachs an Marktmacht und Einkaufsvolumen wird von den Wettbewerbern argwöhnisch beobachtet und hinterfragt, zumal die Handelsriesen auch ihre eigene Lebensmittelproduktion ausbauen. Juristische Schritte der Wettbewerber sind damit absehbar, sollte das Bundeskartellamt der Übernahme zustimmen. Dass die Wettbewerbshüter den Weg ohne nennenswerte Auflagen frei machen, scheint Kartellrechtlern derzeit ohnehin kaum realistisch, zumal das Amt mit früheren Entscheidungen bereits die Richtung vorgegeben hat.

von Mario Brück, Henryk Hielscher

So hatte der inzwischen verstorbene Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub im Oktober 2014 angekündigt, die Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann an Edeka zu verkaufen – und war auf erheblichen Widerstand des Kartellamtes gestoßen. Die Wettbewerbshüter legten ein Veto gegen die Übernahme ein. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel überstimmte in der Folge die Wettbewerbshüter jedoch mit einer Sondergenehmigung, der sogenannten Ministererlaubnis. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wiederum legte den Zusammenschluss auf Basis dieser Ministererlaubnis nach einer Klage des Rivalen Rewe auf Eis. Nach langem Gezerre, gegenseitigen Vorwürfen und allerlei nächtlichen Rettungsrunden folgte schließlich eine Aufteilung der Filialen zwischen Rewe und Edeka. 

Der Real-Fall mag in Details zwar anders gelagert sein, im Kern aber geht es um die gleiche Probleme: Gehen die Filialen an die Schwarz-Gruppe und Edeka, würden ausgerechnet die beiden größten deutschen Lebensmittelhändler zusätzlich an Marktmacht gewinnen. Offiziell kündigte das Kartellamt bereits an, den Einfluss auf die Absatz- wie Beschaffungsmärkte  intensiv zu prüfen. Die Behörde hat daher Auskunftsbeschlüsse an über 350 Lebensmittelhersteller verschickt, die 17 Produktgruppen betreffen, um mehr über die Einkaufskonditionen und damit über die Struktur- und Machtverhältnisse im Markt herauszufinden. Zudem werden die Einzugsbereiche, die Marktanteile und Marktverhältnisse jedes einzelnen Real-Marktes betrachtet.

Globus will 16 Real-Märkte übernehmen

Und ähnlich wie einst Rewe beim Streit um Kaiser’s Tengelmann hat sich mit der saarländischen Globus-Gruppe ein weiterer Anbieter in das Gefeilsche um Standorte eingeschaltet und Interesse am Erwerb von 16 Real-Märkten bekundet. Globus ist ein relativ kleiner Marktteilnehmer. Seine 47 Warenhäuser sind im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und in Ostdeutschland. 



Bekäme Globus 16 zusätzliche Märkte, wäre die Kette auch in Nordrhein-Westfalen präsent, wo sie bislang nur eine Filiale betreibt. Öffentlich wies Globus bereits darauf hin, dass der Verkauf und das Verschwinden der Real-Warenhäuser enorme Bedeutung habe für den Lebensmitteleinzelhandel. „Die Märkte fast ausschließlich Edeka und Kaufland zuzuschlagen, würde die Marktmacht dieser Ketten auf dem Angebots- und Beschaffungsmarkt weiter stärken und damit die Handelsvielfalt in Deutschland bedrohen“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Bekäme Globus wie gewünscht die 16 Märkte, würde das den Wettbewerb stärken, ist sie überzeugt.

Bei den Prüfverfahren des Kartellamtes kommt Globus als beigeladener Marktteilnehmer zu Wort. Es ist durchaus möglich, dass das Kartellamt die Bedenken ernst nimmt und verhindert, dass Edeka und die Schwarz-Gruppe die Real-Standorte unter sich aufteilen, mit der Folge, dass auch Globus einige Märkte bekommt.


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Ob sich ein „abgespeckter“ Deal für Kaufland und Edeka noch lohnt, ist allerdings offen. Ebenso wie die Frage, ob sich die Unternehmen bei einer möglichen Ablehnung der Übernahmepläne durch das Kartellamt an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wenden werden, um eine Ministererlaubnis zu erhalten. Im Ministerium will man sich zu möglichen Kontakten von Kaufland- und Edeka-Vertretern zu Altmaier und seinen Staatssekretären gegenüber der WirtschaftsWoche nicht äußern. Dem Ministerium sei „bekannt, dass Kaufland den Erwerb von bis zu 101 Standorten und Edeka den Erwerb von bis zu 72 Standorten der Vertriebslinie Real beim Bundeskartellamt angemeldet haben“, teilt ein Sprecher mit. Zuständig sei aber das Bundeskartellamt.

Mehr zum Thema: Real gilt seit Jahrzehnten als Sorgenkind. Wie die SB-Warenhauskette zur Dauerbaustelle wurde. 

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