Um Laib und Krume Was kostet unser Essen wirklich?

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Mengenvorteile

Vergleicht man die Zutatenliste des Automatenbrötchens und des Tafelweckles, so ergibt sich auf den ersten Blick ein doppelter Vorteil für Ersteres: Der Preis des Mehls ist nicht nur günstiger, die Qualität wird viel genauer kontrolliert. Den Herstellern geht es dabei aber nicht allein um den Geschmack. Die Mehlqualität entscheidet auch: Wie lange muss der Teig ruhen? Verklebt er den Ofen? „Die entscheidende Frage ist, auf wessen Bedürfnisse sich die Qualitätskriterien beziehen. Geht es um die Maschinen oder um den Konsumenten?“, sagt Kütscher. Was die Verarbeitung vereinfacht, macht nicht unbedingt den Geschmack besser.

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Beim Preis aber ist die Sache klar: Selbst wenn Manke bei der gleichen Mühle wie die Großbäckerei kaufen würde, müsste er deutlich mehr bezahlen. Auf 270 Euro pro Tonne schätzt Müller Erling den aktuellen Preis für kleine Mengen, deutlich mehr als Harrys 230 Euro. Dieser Mengenvorteil setzt sich bei anderen Zutaten fort: Wenn Bäcker Manke Salz kauft, dann im Fünf-Kilo-Sack, bei Harry kommt es in 26-Tonnen-Ladungen ins Silo.

Schritt 2: der Teig

Als Heinz Mankes Tochter Sandra das Licht anschaltet, ist es kurz nach Mitternacht. Jetzt beginnt ihre Lieblingszeit – die nächsten vier Stunden wird sie die Backstube für sich haben. Die 24-Jährige legt ihre Lieblings-CD ein, jamaikanischer Hip-Hop schallt durch die große Küche.

Nun erst mal Brötchenteig. In einer kleinen Wanne mischt Manke Mehl und Salz, dann schneidet sie ein Stück Hefe ab. Heute wird eine gute Nacht sein. Bis der Geselle kommt, schafft sie fünf verschiedene Teige, Rekord. „Das Wichtigste an meiner Arbeit ist die Vorbereitung. Ich muss mir vorher überlegen, welche Brote ich heute Nacht backen will, und den entsprechenden Sauerteig ansetzen, Zutaten bestellen und die Körner einweichen“, sagt sie. Gerade bei den Broten entscheidet die Einweichzeit über die Haltbarkeit der Produkte. Der Teig speichert dann mehr Wasser – das Brot bleibt länger frisch.

Typenwechsel: Wie oft ein neues Produkt in den Ofen kommt. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Markus Schwalenberg für WirtschaftsWoche

Um vier Uhr ist Mankes Lieblings-CD lange zu Ende, als die Stahltür zur Backstube aufgeht. Joros, der im letzten Jahr aus Gambia geflüchtet ist und jetzt bei Bäcker Manke in die Lehre geht, bindet sich eine Schürze um und hilft beim Kneten. Mit einem Teigschaber trennen sie die Stücke vom Teig und formen erst Kugeln, dann kleine Laibe daraus. Es dauert keine Viertelstunde, da sind zehn Bleche voll, übereinandergestapelt auf einem Rollwagen, der eine Stunde lang in den Gärschrank kommt.

Man muss all diese Schritte kennen, um überhaupt verstehen zu können, was in der Harry-Fabrikhalle in Spich passiert, die von außen so schlicht aussieht, als wäre sie selbst ein überdimensionierter Backautomat. Fehlen bloß die Knöpfe. Im Inneren ist die Backfabrik so aufgebaut, dass man hier auch Schrauben oder Autositze herstellen könnte. Neun Linien ziehen sich durch die beiden Gebäudeteile, am Anfang jeder Linie stehen die Silos, am Ende das Hochregallager. Für jede Linie ist ein einziger Mitarbeiter zuständig.

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Um die Brötchen für den Teig vorzubereiten, muss er sich zunächst ein paar Minuten Zeit nehmen, um die Zutaten zusammenzustellen. Ein Trog von der Größe einer halbierten Litfaßsäule steht dafür am Anfang der Linie, daneben ein Bildschirm. Hans-Jochen Holthausen tritt näher heran und setzt per Knopfdruck eine Mischung an, dann rauschen die Zutaten aus fest installierten Leitungen in den Kessel zum Weizensauer, der bereits seit ein paar Stunden zieht. Mit einem anderen Regler kann Holthausen Dauer und Temperaturen für die folgenden Schritte festlegen. „Die Arbeit für die Teigzubereitung ist damit abgeschlossen“, sagt Holthausen, der diese Maschine eher selten bedient: Ihm gehört der ganze Laden.

Die Harry-Brot GmbH, 950 Millionen Euro Umsatz und 4000 Mitarbeiter, 200 davon im Werk in Spich. Die Zutaten werden von der Maschine verrührt, ruhen dann im Trog, bevor eine andere Maschine sie zu ovalen Teiglingen formt. Die sind von nun an immer in Bewegung. Sie rutschen ein paar Meter weiter, von dort hievt sie ein Aufzug auf die oberste Ebene des Gärschrankes, der hier gut zehn Meter hoch ist. 68 Minuten lang ziehen die Teiglinge darin ihre Bahnen, dahinter erwartet sie eine Armada ferngesteuerter Messer, die ihnen den namensgebenden Schnitt an der Oberfläche verpassen. Das Fließband zieht sie weiter in Richtung Ofen. Als sie den erreichen, liegt die Mischung der Zutaten gerade einmal zweieinhalb Stunden zurück.

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