Umsatztrends Die Auf- und Absteiger am Biermarkt

Hitzewelle und Fußball-WM bescherten Brauereien wie Krombacher und Veltins Absatzrekorde. Quelle: imago images

Hitzewelle und Fußball-WM befeuerten den Bierdurst der Deutschen und bescherten Brauereien wie Krombacher und Veltins Absatzrekorde. Doch ein Selbstläufer für die Zunft war das vergangene Jahr trotzdem nicht. Von den Top-15-Biermarken konnten lediglich acht Marken das positive Umfeld nutzen und besser als die Branche abschneiden.

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„Der Wettergott ist der beste Bierverkäufer“, lautet ein Sprichwort in der deutschen Brauzunft. Und Petrus machte im vergangenen Jahr Überstunden und zog nahezu alle Register. Allerdings war nach Einschätzung der in Frankfurt beheimateten Radeberger-Gruppe mit Marken wie Radeberger, Jever, Sion, Ur-Krostitzer oder Henninger nicht alles Gold, was glänzt: „Es stimmt, wettermäßig hätte es für uns Brauer nicht besser laufen können: Das waren ideale Voraussetzungen“, sagt Niels Lorenz, Sprecher der Geschäftsführung. Doch: „Nach den Superlativen, mit denen sich die Branche geradezu überschlug, ist am Jahresende trotzdem nur ein überaus zartes Wachstum im Inlands- wie im Gesamtbiermarkt geblieben. Die Jubelmeldungen erweisen sich damit als viel Lärm um (fast) nichts ...“

Damit nicht genug. Vergleicht man die abgesetzten Mengen 2018 nicht mit dem ausgesprochen schwachen Vorjahr, sondern den Absätzen 2016, haben die deutschen Brauer sogar maßgeblich Absatz verloren, rechnet Lorenz vor. Für das vergangene Jahr bleibt nach einem katastrophalen Dezember ohnehin nur noch ein schmalbrüstiges Plus von rund 0,6 Prozent hängen.

Gegenüber 2016 verlor die Branche in der Tat knapp zwei Prozent Absatzvolumen, von knapp 96 auf gut 94 Millionen Hektoliter. Für den Chef der größten deutschen Braugruppe ist dies ein klares Zeichen: „Wenn es der deutschen Brauwirtschaft nicht gelingt, unter Idealbedingungen eine bessere Marktperformance abzuliefern, lässt das nichts Gutes für die kommenden Jahre ahnen.“ Und ein verbales Abwatschen für die Kollegen etwa in Erding (Erdinger), Wernigerode (Hasseröder) oder Bitburg (Bitburger). Denn unter den Top-15-Biermarken in Deutschland finden sich trotz Fußball-WM und Supersommer unter dem Strich nur acht Marken, die besser als die Gesamtbranche abschnitten.

Den größten prozentualen Schluck aus der Pulle nahm Ur-Krostitzer. Um süffige neun Prozent legte die Radeberger-Marke auf Platz 14 der Marken-Hitliste des Branchenmagazins Inside zu. Die größte Schlappe musste ausgerechnet das Aushängeschild der Radeberger-Gruppe hinnehmen – eben Radeberger: auf Platz zehn liegend stand ein Minus von gut elf Prozent zu Buche. Das war laut Inside damit auch das schwärzeste Jahr seit der Wiedervereinigung. Insgesamt war 2018 für den breit aufgestellten Getränkekonzern dennoch ein gutes Jahr. Die Gruppe legte im Absatz um rund zwei Prozent zu. Noch besser sieht der Blick auf den Umsatz aus: Er wuchs sowohl organisch als auch durch Übernahmen um insgesamt rund zwölf Prozent auf rund 2,2 Milliarden Euro.

Wenig überraschend auf Talfahrt bleibt die ABInbev-Marke Hasseröder aus dem ostdeutschen Wernigerode. Das beim weltgrößten Bierkonzern ungeliebte Pils mit dem Auerhahn – ein Verkauf scheiterte im Laufe des vergangenen Jahres – verlor mehr als sieben Prozent. Im Vergleich der vergangenen zehn Jahre erlebte Hasseröder unter allen Markenbieren den größten Absturz: Brauten die Ostdeutschen 2008 noch mehr als 2,7 Millionen Hektoliter Pils waren es im vergangenen Jahr nur noch 1,75 Millionen Hektoliter. Damit sind rund eine Million Hektoliter futsch – in etwa die Menge der Jahresproduktion von Ur-Krostitzer, Jever oder König-Pils.

Hitze und Fußball konnten auch die Entwicklung bei Bitburger (Platz 3) nicht so recht befeuern. Die Umsätze blieben trotz Preiserhöhung laut Inside-Erhebungen knapp unter Vorjahr. Auch der Absatz soll um vier Prozent rückläufig gewesen sein; bedingt durch das schwache Abschneiden im Ausland.

„Vertrocknete Lorbeeren sind kein gutes Ruhekissen“

Hitlisten-Champion ist und bleibt Krombacher. Die Sauerländer legten beim Absatz mehr als 260.000 Hektoliter zu – ein Plus von 4,5 Prozent. Und das trotz einer Preiserhöhung, um die sich beispielsweise der sauerländische Wettbewerber Warsteiner nach wie vor drückt. Laut Einschätzung von Inside liege Warsteiner beim Kastenpreis immer noch rund einen Euro unter den Rivalen von Krombacher, Veltins oder Bitburger.

Als hilfreich für Krombacher erwies sich die Rückkehr ins Regal bei Kaufland. Somit konnte das vom Gesellschafter Bernhard Schadeberg geführte Unternehmen  erstmal die 6-Millionen-Absatzhürde überspringen. Der Rekord geht jedoch weniger auf die Stärke des Pils-Flaggschiffs zurück. Vielmehr trumpfte Schadeberg mit Nebenmarken wie Krombacher Radler, der Fassbrause oder dem alkoholfreien 0,0 auf. Damit konnte der Branchenprimus den Absatz in den vergangenen zehn Jahren um rund 650.000 Hektoliter steigern. Das ist im Plus-Bereich ungefähr so viel, wie Warsteiner auf der negativen Seite verbuchen musste. Warsteiner verlor im gleichen Zeitraum rund 575.000 Hektoliter. Laut Inside sei Warsteiner 2017 sogar erstmals unter die 2-Millionen-Grenze gestürzt.

Historische Höchstwerte konnte auch Veltins knacken. Erstmals in der Firmengeschichte übersprang das Pils aus dem sauerländischen Grevenstein die 3-Millionen-Hektoliter-Marke und untermauerte damit Platz vier hinter Krombacher, der Billigmarke Oettinger und Bitburger. Ähnlich wie Krombacher verlor auch Veltins durch eine Preiserhöhung kein Terrain. Punkten konnte Veltins vor allem mit der Retromarke Grevensteiner, die um vollmundige 30 Prozent zulegte und mittlerweile schon rund 220.000 Hektoliter an den Mann und die Frau bringt. Da Veltins die 3-Millionen-Marke nur hauchdünn reißen konnte, käme es kaum überraschend, wenn die Brauerei in einem normalen Sommer und ohne Fußball-WM den Wert kaum wird halten können.

Radeberger-Chef Lorenz bleibt ohnehin skeptisch für die Zukunft der Branche. „Die Brauer werden im Moment von zwei Seiten in die Zange genommen. Die strukturellen Marktthemen sind noch nicht gelöst, da drängen schon ganz andere Themen aufs Tapet: Neue Marktakteure und Spielregeln, veränderte Kundenerwartungen, andere Formen des Wettbewerbs.“ Deswegen seien umfassendes Umdenken und Veränderungsbereitschaft notwendig: „Wir alle müssen für den zukünftigen Markterfolg unsere Aufstellungen überprüfen, Tradiertes bewusst in Frage stellen, vermeintliche Komfortzonen verlassen und alles in allem wandlungsfähiger, mutiger werden ...“

Selbstverständlich ist sich Lorenz sicher, dass Radeberger seine Hausaufgaben gemacht habe. „Wir haben Schritt für Schritt, Kooperation für Kooperation, Beteiligung für Beteiligung Lösungen für jeden unserer Geschäftsbereiche, jeden Absatzkanal und damit für jede unserer Kundengruppen gefunden. Und zwar nicht nur irgendwelche. Sondern Lösungen, die diesen Namen wirklich verdienen.“ Das Jahr 2018 sei eines der umtriebigsten in der Unternehmensgeschichte der Radeberger Gruppe gewesen, so Lorenz: „Wir haben in den letzten Monaten unzählige Meilensteine passiert, marktprägende Fußabdrücke hinterlassen, zugleich im Bestandsgeschäft weitere Hausaufgaben erledigt und ganz nebenbei auch noch eine ordentliche Performance gezeigt.“ Und legt noch einen drauf: „Wir können nur wiederholen: Vertrocknete Lorbeeren sind kein gutes Ruhekissen. Deswegen werden wir weiterhin an Zukunftsthemen entlang der Wertschöpfungskette arbeiten. Mit hoher Schlagzahl ... und größter Begeisterung.“

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