




Im Streit um die cholesterinsenkende Margarine „Becel pro.activ“ des Herstellers Unilever hat die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch erneut eine Niederlage erlitten.
Äußerungen eines Wissenschaftlers über die Margarine, die der Lebensmittelkonzern verbreitet hatte, seien durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, urteilte das Hanseatische Oberlandesgerichts (OLG) am Dienstag. Somit darf das Unternehmen weiter behaupten, es gebe aus wissenschaftlicher Sicht keine Hinweise auf mögliche Gesundheitsrisiken seiner Margarine.
Foodwatch warf dem Hersteller vor, Nebenwirkungen der mit Pflanzensterinen angereicherten Margarine zu verschleiern und wollte ihm die umstrittenen Angaben zu seinem Produkt untersagen lassen (Az: 7 U 7/13). Es spreche vieles dafür, vor dem Bundesgerichtshof in Revision zu gehen, kündigten Vertreter der Organisation an. Außerdem stellte Foodwatch bei der EU-Kommission den Antrag, der Margarine die Zulassung als Lebensmittel zu entziehen.
Die wichtigsten Fakten zu Pflanzensterinen
Hinter dem Begriff Sterine verbirgt sich eine Gruppe mehrerer Substanzen, die Fett ähneln. Sie kommen sowohl im Tier- als auch im Pflanzenreich vor. Ein tierisches Sterin, das auch im menschlichen Körper vorkommt und jeder kennt, ist das Cholesterin. In Pflanzen gibt es Stoffe, die dem Cholesterin sehr ähnlich sind.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung
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Zu finden sind Pflanzensterine in allen pflanzlichen Lebensmitteln, die Fett enthalten. Dazu zählen etwa Nüsse, Samen und Öle oder auch Bohnen. Hier sind die Sterine ein natürlicher Bestandteil der Zellmembran, die die Pflanzenzelle umgibt.
Darüber hinaus fallen die Sterine bei der Raffination pflanzlicher Öle ab - sie können aber auch aus dem sogenannten Tallöl, einem Beiprodukt der Holzindustrie, gewonnen werden.
Säugetiere und damit auch Menschen können die Pflanzensterine so gut wie gar nicht für ihren Stoffwechsel nutzen. Das bedeutet, dass die fettähnlichen Stoffe fast vollständig über den Kot wieder ausgeschieden werden. Gesunde Menschen nehmen nur fünf bis zehn Prozent der Pflanzensterine aus der Nahrung auf.
Der Einsatz der Pflanzensterine als Medikament oder Lebensmittel-Zusatz erklärt sich so: Die Pflanzensterine aus der Nahrung oder aus Arzneimitteln verdrängen das tierische Cholesterin bei der Aufnahme aus dem Dünndarm in den Körper. Denn der Tansportmechanismus orientiert sich an der chemischen Struktur, und diese ist ja bei Cholesterin und Pflanzensterinen sehr ähnlich. In der Folge nimmt der Körper also weniger Cholesterin aus der Nahrung auf - der Cholesterinspiegel sinkt.
Bereits seit Jahrzehnten werden Pflanzensterine in Cholesterin-senkenden Medikamenten eingesetzt. Seit etwa 15 Jahren werden Pflanzensterine auch in fetthaltigen Lebensmitteln wie Margarine, Öl, Butter oder Mayonnaise getestet und diese Produkte mit der cholesterinsenkenden Wirkung beworben.
Ein klares Nein. Denn sie behindern nicht nur die Aufnahme des Cholesterins, sondern auch die Aufnahme fettlöslicher Vitamine. Insbesondere das Betacarotin, eine Vorstufe des lebenswichtigen Vitamins A, ist betroffen. Darüber hinaus kommt es bei täglichem Verzehr wirksamer Mengen von Pflanzensterinen zu erhöhten Blutplasma-Spiegeln.
Aus diesen Gründen muss der Zusatz von Pflanzensterinen gekennzeichnet werden. Da außerdem noch nicht sicher abgeschätzt werden kann, ob aus beiden Effekten langfristig unerwünschte gesundheitliche Beeinträchtigungen resultieren, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfohlen, den täglichen Verzehr von Pflanzensterinen auf drei Gramm zu begrenzen.
Eine Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gemeinsam mit den Verbraucherzentralen ergab, dass die bisherige Kennzeichnung der Produkte offenbar nicht ausreicht. Fast die Hälfte der Käufer hatte laut der Untersuchung gar keinen nachgewiesenen erhöhten Cholesterinspiegel. Verbraucher, die wegen eines erhöhten Cholesterinspiegels medikamentös behandelt wurden, gaben an, die Lebensmittel häufig entgegen der Empfehlung ohne Rücksprache mit dem Arzt zu essen.
Verbraucherzentralen und BfR empfehlen deshalb, auf der Packung deutlich darauf hinzuweisen, dass pflanzensterinhaltige Lebensmittel nur von Personen mit erhöhtem Cholesterinspiegel verzehrt werden sollten, die nicht zu einer der genannten Risikogruppen gehören. Die Zahl der Produkte, die mit Pflanzensterinen angereichert sind, sollte nach Ansicht des BfR begrenzt werden, um sicherzustellen, dass die täglich empfohlene Aufnahmemenge von drei Gramm Pflanzensterinen nicht überschritten wird.
Unilever zeigte sich zufrieden mit dem Urteil und wertete es als Sieg für die Konsumenten und die Meinungsfreiheit. Foodwatch ignoriere absichtlich den ihr bekannten aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion, so das Unternehmen. "Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung der ersten Instanz bestätigt: Foodwatch ist der klare Verlierer", sagte Unilever-Sprecher Merlin Koene.
Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von Foodwatch, bezeichnete die Konsequenz aus dem Urteil als inakzeptabel: "Die Verbraucher sind weder vor Gesundheitsrisiken noch vor irreführenden Aussagen geschützt. Wir haben jetzt eine absurde Situation: Unilever darf öffentlich die Meinung vertreten, dass es keinen Hinweis auf Nebenwirkungen von Becel pro.activ gibt - gleichzeitig können wir belegen, dass eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf gesundheitliche Risiken hinweist."
Ein Unilever-Sprecher warf den Verbraucherschützern „Kampagnenschmutz“ vor, mit ihrem Antrag bei der EU-Kommission erneut eine „PR-Nebelkerze“ zu zünden. „Sie sind ein schlechter Verlierer“, sagte Sprecher Merlin Koene.
„Ich verliere gerne vor Gericht, wenn man sich auf das Presserecht zurückziehen muss“, entgegnete Matthias Wolfschmidt. Die wissenschaftliche Datenlage sei noch zu dünn, um abschließend zu bewerten, ob das Unilever-Produkt gesundheitlich unbedenklich sei.