Unister Komplett den Überblick verloren

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Investoren haben bereits Kaufgebote abgegeben

Aus Sicht des Insolvenzverwalters hat eine „Verkettung mehrerer größtenteils vom Unternehmen selbst verursachter Umstände“ in die Pleite geführt. Als wesentlichen Auslöser nennt Flöther eine mit Fremdkapital finanzierte „progressive Wachstumspolitik“. Das gelte insbesondere für Planung, Buchhaltung und Controlling.

Die Holding habe ihren Töchtern zuletzt mehr als 25 Darlehen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 82 Millionen Euro gewährt. Auch seien für einzelne Tochterfirmen interne, bisher nicht bezahlte Dienste im Wert von knapp 55 Millionen Euro geleistet worden. Seit Anfang 2016 seien die Geschäfte innerhalb des Konzerns gar nicht mehr verbucht worden.

Wagner hatte den Konzern mit seinen zahlreichen Geschäftsfeldern von Reise-Vermittlungen über eine Immobilien-Agentur bis hin zur Partnersuche aufgebaut. Portale wie „fluege.de“ und „ab-in-den-urlaub.de“ lockten Millionen Kunden an. Dennoch häufte das Unternehmen einen riesigen Schuldenberg an.

Das 2002 gegründete Leipziger Unternehmen galt lange Zeit als größter Betreiber kommerzieller Websites hierzulande. Zu den Dutzenden von Unister-Domains gehören beispielsweise „auto.de“, „shopping.de“, „boersennews.de“ und bis vor Kurzem auch „geld.de“. Die mit Abstand größten Erlöse erzielte die Firma mit Reiseportalen wie „Ab-in-den-Urlaub.de“ und „fluege.de“.

In Spitzenzeiten vermittelte Unister Pauschalreisen, Flüge und Mietwagen im Wert von fast zwei Milliarden Euro jährlich. Für die Reiseportale warben unter anderem Fußballer Michael Ballack und Sportmanager Reiner Calmund. Damit waren die Sachsen im Onlinebereich klarer Marktführer - weit vor Großkonzernen wie TUI, Thomas Cook und auch deutlich vor direkten Konkurrenten wie Holidaycheck oder Expedia.

Für jede vermittelte Reise kassierte Unister vom Reiseveranstalter eine Provision - eigentlich ein geniales Geschäftsmodell. Allerdings mussten die Leipziger einen enormen Marketingaufwand betreiben, damit die User überhaupt auf die Portale kamen. So schaltete das Unternehmen über Jahre hinweg in riesigem Ausmaß Anzeigen bei Google. Gab ein Nutzer Stichworte wie "Mallorca + Urlaub" in die Suchmaske ein, poppte meistens "Ab in den Urlaub" auf. So kam es, dass Unister mitunter mehr Geld an Google bezahlte, als die Reiseveranstalter an Unister.

Flöther hofft nun, große Teile des Unternehmens aus der Insolvenz retten zu können. Mehrere Investoren haben bereits Kaufangebote abgegeben. Das Tagesgeschäft mit Reisebuchungen soll angeblich immer noch gut laufen.

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