US-Einzelhandel Die Angst vor den Schnäppchenjägern

Des Shoppers Freud, des Einzelhandels Leid: Dank Apps und Suchmaschinen lassen sich bequem online Schnäppchen finden. In den USA wird das für die Läden zum Problem – dabei haben sie selbst den Preiskampf erst ausgerufen.

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New York Als der Einzelhandel in den USA vor ein paar Jahren mit immer neuen Sonderangeboten die Wirtschaftskrise durchzustehen versuchte, trat er eine Entwicklung los, die ihn in den Abgrund zu reißen droht – und die er jetzt nicht mehr stoppen kann. Die Geschäfte überboten sich mit Rabatten, um ihre Ware noch an den Kunden zu bringen. Inzwischen hat sich die Wirtschaft zwar erholt, aber die Shopper wollen weiter Schnäppchen.

„Wir haben die Kunden auf Angebote und Nachlässe konditioniert, vor allem als Ausweg aus der Rezession“, räumt Jack Kleinhenz ein, der Chefökonom des US-Einzelhandelsverbands. Eine Umkehr dieser Entwicklung ist nicht in Sicht, und zudem werden die Möglichkeiten der Käufer immer größer und einfacher, das Billigste zu suchen und den Handel unter Druck zu setzen. Dank stetig wachsender Zahl passender Apps, Websites und Browser-Erweiterungen sind Angebote und Gutscheine allgegenwärtig.

„Es gibt nicht viel, wofür ich den vollen Preis zahlen würde“, sagt Sara Scoggins. Die 30-Jährige aus Los Angeles setzt auf Apps wie Hafta Have und Honey. „Es gibt immer ein Schnäppchen. Man muss sich schon sehr dumm anstellen, um keines zu machen.“

Vor allem in der Bekleidungsbranche sind die Preise auf Talfahrt. Neben den Online-Händlern setzen vor allem Discounter-Ketten den Kaufhäusern zu. „Ich habe ein paar tolle Deals gefunden, auch gute Designer-Sachen“, schwärmt der 26-jährige Marc Phillips aus Manhattan, der gerne auch in Outlets shoppt. „Ich sehe mich als markenbewusst und als preisbewusst.“

Für so manchen wird die Jagd nach dem Schnäppchen gar zum Nervenkitzel, zum Spiel gegen den Anbieter. „Ich durchschaue die Tricks, die die Geschäfte spielen“, sagt Phillips.

Dabei dreht sich die Spirale immer weiter: Die Kunden haben sich an Sonderpreise gewöhnt. Wer keine Nachlässe gewährt, sackt beim Verkauf ein. Also gibt es wieder Sonderangebote. Und gerade auf dem Bekleidungsmarkt sind die Trümpfe des Einzelhandels wie Beratung und besonderer Service derzeit wenig gefragt.

Selbst Luxusmarken wie Michael Kors und Ralph Lauren haben Probleme, ihre Produkte ohne Preisnachlässe abzusetzen. Eine Entspannung zeichnet sich weiter nicht ab. Im Gegenteil: Experten erwarten, dass der Preiskampf noch schärfer wird.

So forciert der Online-Handelsriese Amazon sein Textilangebot. Prime-Mitglieder haben den Zugriff auf Eigenlabels wie Lark & Ro, die den berühmten Marken Stil-Paroli bieten sollen. Wer nach einem Rock oder einer Hose Ausschau hält, bekommt automatisch auch Lark & Ro mit angeboten. Ein Rock der Marke kann leicht 50 Prozent billiger sein, wie Michelle Ai vom Dienstleistungsunternehmen Boomerang Commerce erklärt, das Händlern bei der Preisfindung Hilfe bietet. Laut dem Finanzanalysten Cowen & Co. schickt sich Amazon an, in diesem Jahr den größten US-Bekleidungshändler Macy's zu überholen.

Den Läden bleibt nicht viel mehr, als ihre Preisstrategie stetig zu prüfen und möglichst geschickt anzupassen. Das Einzelhandelsunternehmen J.C. Penney plant etwa einen stärker datengestützten Ansatz, um seine Sonderangebote besser steuern zu können. Bisher seien die Nachlässe „ungesund“ gewesen, räumt die mehr als 100 Jahre alte Kaufhauskette ein.

Jack Kleinhenz vom Einzelhandelsverband rät den Geschäften zu mehr Schwerpunktbildung, um sich von anderen abzuheben und die Kunden so eher zu überzeugen, auch ohne Rabatte einzukaufen. Exklusivere Produkte sind eine Möglichkeit, eine andere das Ambiente. Das besondere Einkaufserlebnis gibt es online nicht.

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