Herr Bredack, was ist Ihr veganes Lieblingsprodukt?
Oh, schwer zu sagen. Unsere weiße Erdbeerschokolade schmeckt auf jeden Fall gut. Sogar zu gut! Zumindest signalisiert mir das die Waage zu Hause.
Veganer müssen auf ihr Gewicht achten? Das widerspricht dem Bild vom ausgemergelten Gemüsefan, der sich vorzugsweise von Müsli und verschrumpeltem Karotten ernährt.
Das Klischee ist jetzt aber auch extrem angestaubt. Schon seit Jahren gibt es immer mehr rein pflanzliche Lebensmittel auch als vegane Varianten von ursprünglich tierischen Lebensmitteln. Vegane Restaurants boomen, große Fleisch- und Wurst-Hersteller wie Rügenwalder drängen in den Markt und unter unserer Eigenmarke Veganz bieten wir inzwischen über 130 Produkte an – darunter Pizza, Eis und auch die Schokolade. Die Auswahl wächst also jeden Tag, für mich ist Vegan das neue Bio.
Jetzt übertreiben Sie aber. Wenn sich die Bio-Branche ab Mittwoch in Nürnberg zur Bio-Messe Bio-Fach trifft, geht es um Umsätze von mehr als acht Milliarden Euro allein in Deutschland. Der ganze Vegan-Hype ist dagegen doch eine Nischenveranstaltung. Nur ein Bruchteil der Bevölkerung ernährt sich komplett ohne tierische Produkte.
Wenn Sie nur die „Hardcore-Veganer“ betrachten, zu denen ich mich seit sieben Jahren auch zähle, mag das zwar stimmen. Aber darum geht es gar nicht. Erkennbar ist vielmehr ein sehr breiter, übergeordneter Trend – nämlich der Wunsch vieler Menschen, weniger Fleisch zu essen und insgesamt bewusster und sauberer zu konsumieren. Das wird dann vielleicht als Vegan-Hype umschrieben, geht aber weit darüber hinaus und hat übrigens auch nichts mit Esserziehung zu tun. Es geht um Lifestyle und coole Produkte und nicht um den erhobenen Zeigefinger. Ich bin jedenfalls nicht der Moralapostel, der anderen sagt, wie sie sich zu ernähren haben. Im Gegenteil: Ich glaube, zu viel Ideologie schadet eher.
Alternative Ernährungsformen
Flexitarier sind Menschen, die gesundheitsbewusst leben und sich auch so ernähren. Für sie gibt es nicht unbedingt grundsätzliche Bedenken, Fleisch zu konsumieren. Das kommt bei Flexitariern nämlich durchaus auf den Teller - aber nur selten. Und wenn, dann stammt das Tier meist aus artgerechter Bio-Haltung, wenn möglich aus der näheren Umgebung. Flexitarier sind nämlich oft unter den sogenannten Lohas* zu finden. Neben dem Wissen, dass eine einseitig fleischlastige Ernährung für den modernen Stadtmenschen ungesund ist (und manchmal auch der zelebrierten Vorfreude auf den Sonntagsbraten als etwas Besonderem!) sind sich Flexitarier auch der Umweltschädlichkeit extensiven Fleischkonsums bewusst.
*Menschen, die einen gesundheitsbewussten und nachhaltigen Lebensstil pflegen (Lifestyle of Health and Sustainability)
Freeganer zeichnen sich weniger durch strenge Regeln der Form "Das darf ich essen - das darf ich nicht essen" aus, als durch den Willen, mit dem Ort ihres Nahrungsmittelbezugs ein Zeichen zu setzen. Freeganer gehen nicht in den Supermarkt, sondern dahinter. Sie holen sich ihr Essen aus dem Müll der Supermärkte und Discounter und setzen sich damit gegen die Wegwerfgesellschaft und Lebensmittelverschwendung ein.
Frutarier pflegen eine besonders strenge Form der pflanzenbasierten Ernährung. Die Ernte der von ihnen gewählten Pflanzen(-bestandteilen) darf den Gesamtorganismus der Pflanze weder beschädigen noch seinen Tod zur Folge haben. Manche Frutarier verzehren Äpfel beispielsweise nur als Fallobst. Knollen etwa (wie Kartoffeln) sind nicht erlaubt: Sie sind der Energiespeicher der Kartoffelpflanze und daher für sie auf Dauer lebenswichtig.
Lacto-Vegetarier nehmen keine Eier zu sich. Milchprodukte dürfen neben Lebensmitteln nicht-tierischen Ursprungs aber verzehrt werden.
Ovo-Lacto-Vegetarier praktizieren eine relativ weit verbreitete und im täglichen Leben eher unkomplizierte Form des Vegetarismus. Neben rein pflanzlichen Produkten wie Obst oder Gemüse nehmen Ovo-Lacto-Vegetarier auch Eier und Milchprodukte zu sich, also Lebensmittel, für deren Gewinnung keine Tiere geschlachtet werden müssen.
Keine Milchprodukte, aber Eier (und pflanzliche Speisen) dürfen Ovo-Vegetarier zu sich nehmen. Unter anderem eine Lösung etwa für Vegetarier, die kein moralisches Problem mit dem Verzehr von Eiern haben, aber an einer Lactose-Intoleranz leiden.
Pescetarier sind Menschen, deren Ernährungsplan Fisch (je nach Ausprägung auch Weichtiere, Milch und/oder Eier) und vegetarische Kost kombiniert. Pescetarismus ist oft, wie andere alternative Ernährungsformen auch, mit einem Unbehagen der Massentierhaltung gegenüber verbunden.
Vegane Ernährung bedeutet: Weder Fisch noch Fleisch, noch Eier oder Milchprodukte stehen auf dem Speiseplan. Stattdessen gibt es Obst und Gemüse. Für die Eiweißversorgung nutzen Veganer (wie viele andere Vegetarier übrigens auch) pflanzliche Proteine, enthalten etwa in Tofu (Sojaeiweiß) oder Seitan (Weizeneiweiß - Gluten). Strengen Veganern ist der Veganismus aber mehr als eine Ernährungsform: Sie lehnen die Nutzung von Tieren (und daher auch tierischer Produkte) ab. Das heißt für einen strengen Veganer: Neben den oben aufgezählten Produkten meidet er auch Honig und Wachsprodukte, Kosmetika mit tierischen Inhaltsstoffen sowie Leder. Wer streng vegan orientiert ist, kann im Supermarkt nicht einfach zu Fertig-Produkten greifen - oft verstecken sich in der langen Zutatenliste solcher Gerichte Milchpulver, Butterreinfett oder Hühnerei-Eiweißpulver. Ein strenger Veganer braucht daher ein gewisses Maß an Durchhaltevermögen und Akribie.
Was meinen Sie?
Die Bio-Branche hat heute einen Anteil von rund fünf Prozent am deutschen Lebensmittelhandel. Eigentlich wäre da in den vergangen 25 Jahren viel mehr möglich gewesen. Aber die Öko-Bewegung hat sich lange Zeit bewusst in ihrer Nische eingerichtet, der Massenmarkt wurde ideologisch abgelehnt. Bio ist dadurch insgesamt nur langsam in die Gesellschaft diffundiert. Das läuft bei uns etwas anders.
Wie?
Ich habe Veganz 2011 gegründet. Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen 24 Millionen Euro Umsatz, für 2016 streben wir rund 80 Millionen an. Das heißt: die Leute rennen uns die Bude ein. Das wir diesen Wachstumsschub hinbekommen haben, liegt vor allem daran, dass wir auf eine Doppelstrategie setzen und unsere Produkte sowohl in eigenen Läden verkaufen als auch über Kooperationen mit Handelspartnern wie Edeka, Kaiser’s Tengelmann und Globus. Inzwischen sind wir deutschlandweit in insgesamt 2000 Läden präsent, in diesem Jahr wird die Zahl auf 4000 steigen. Demnächst startet unser Online-Shop und wir wollen über Amazon verkaufen. Damit erreichen wir eben nicht nur die Vegan-Szene sondern viel mehr Menschen.
"Ende 2016 werden wir auf dem US-Markt durchstarten"
Auch die Drogeriekette dm hat in den vergangenen Monaten den Verkauf ihrer Produkte getestet - mit welchem Ergebnis?
In 93 dm-Läden gab es Tests mit Veganz-Produkten. Das lief sehr erfolgreich. Daher werden wir unsere Eigenmarke ab April in allen deutschen dm-Filialen verkaufen. Dafür haben wir auch zahlreiche neue Produkte kreiert.
Profitieren Sie vom Rauswurf vieler Alnatura-Produkte bei dm?
Nein, Veganz teilt sich ja bisher schon die Regale mit einigen anderen Marken darunter auch Alnatura. Fakt ist, dass sich unsere Produkte oft besser verkaufen als die der Konkurrenz, obwohl sie in der Regel etwas mehr kosten.
Die Kooperationen laufen, aber verdienen Sie in Ihren zehn eigenen Veganz-Läden Geld?
Es ist kein Geheimnis, dass unsere Märkte Verluste schreiben, aber das kompensieren wir über den Vertrieb im Einzelhandel. Die Läden erfüllen primär ganz andere Aufgaben: sie machen zum einen die Marke bekannter und sind zum anderen für uns die idealen Shoppinglabors. Über die Läden wissen wir, was unsere Kunden wollen, welche Produkte fehlen, was sich super verkauft und wer überhaupt unsere Kunden sind. Das ist ein enormer Vorteil.
Was hat denn die Kundenforschung ergeben? Wer kauft bei Ihnen ein?
Es sind überwiegend Frauen zwischen 18 und 38 Jahren, Akademikerinnen mit überdurchschnittlichem Einkommen und Familienanschluss. Viele von Ihnen sind übrigens keine Veganer oder Vegetarier. Viele Leute kommen aus gesundheitlichen Gründen. Andere sind neugierig auf Ernährungsumstellungen. Und viele Kunden legen natürlich Wert auf eine nachhaltige Lebensweise und Tierschutz.
Sie wollen auch die Auslandsexpansion forcieren. Wie weit sind Sie mit den Plänen?
Wir sind jetzt schon in Österreich und der Tschechischen Republik aktiv und wollen in Europa über Kooperationen weiter wachsen. Ende 2016 werden wir dann auf dem US-Markt durchstarten. Dort arbeiten wir seit Jahren eng mit Produzenten zusammen, die über uns nach Europa expandiert sind und die uns jetzt wiederum helfen, in Amerika loszulegen. Momentan verhandeln wir mit verschiedenen US-Händlern, um Vertriebspartnerschaften mit Shop-in-Shop-Modellen ähnlich wie in Deutschland aufzubauen. Der nächste Schritt sind dann eigene Läden. 2017 wollen wir in Oregon den ersten Veganz-Markt eröffnen und werden uns dann die Westküste entlang bis nach San Francisco vorarbeiten.
Wie finanzieren Sie die Expansion?
Hinter Veganz stehen derzeit 13 Gesellschafter. Das könnte sich bald ändern. Ich spreche mit verschiedenen Geldgebern gerade über Investitionen in Höhe von rund 35 Millionen Euro.
Warum gehen Sie nicht an die Börse?
Ein Börsengang ist auf jeden Fall eine Option für uns. Aber diese Entscheidung hängt davon ab, ob und wann unsere Wachstumspläne aufgehen. Momentan würde ich den Börsengang für 2018 bis 2020 prognostizieren.