Verbraucherschutz Briten erheben jetzt eine Zuckersteuer – ein Vorbild für Deutschland?

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Wie ist die Situation in Deutschland?

Wie bei Zigaretten, wo Deutschland zu den beiden letzten Ländern in der EU gehört, die noch Plakatwerbung zulassen, ist der Gesetzgeber auch bei Zucker großzügig. Im Koalitionsvertrag kommt das Wort „Zucker“ nur ein einziges Mal in diesem Satz vor: „Für die Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten werden wir 2018 gemeinsam mit den Beteiligten ein Konzept erarbeiten, und dies mit wissenschaftlich fundierten, verbindlichen Zielmarken und einem konkreten Zeitplan versehen.“

Entsprechend sind zuckrige Limonaden deutlich präsenter in den Supermärkten, auch wenn die Hersteller Alternativen inzwischen stärker herausstellen. Coca-Cola etwa hat die zuckerfreien Submarken Light und Zero modernisiert, konnte die zuckerreduzierte Variante Life mit Stevia jedoch nicht zum großen Erfolg machen. Volvic startet eine neue Variante mit Aroma, aber ohne Zucker und Süßstoff.

Die Markenhersteller von Lebensmitteln reagieren teilweise. Nestlé etwa verfolgt die Strategie, über die gesamte Produktpalette Zuckergehalte zu reduzieren. Dafür hat der Hersteller etwa gerade das Hamburger Kitkat-Werk auf eine neue Rezeptur mit mehr Kakao und Milch, aber weniger Zucker umgestellt. Kommende Woche will Nestlé an dem Standort eine weitere millionenschwere Investition vorstellen. Gut möglich, dass dort künftig für einen Handelskunden auch die neuentwickelte Nestlé-Schokolade, die selben süßen Geschmack mit weniger Zucker verspricht, produziert wird.

Wie reagiert der deutsche Handel?
Die Supermarktketten in Deutschland haben die Eigenmarken längst als wichtiges Instrument im Konkurrenzkampf entdeckt. Rewe fährt derzeit eine Kampagne zur Zuckerreduzierung bei seinen Eigenmarken. Auch Lidl hat sich dazu verpflichtet.

Gibt es Regulierungsalternativen?
Ja. So experimentiert etwa der US-Bundesstaat New York mit unterschiedlichen Regelungen. Dazu gehört etwa das Verbot, Softdrinks in besonders großen Packungen zu verkaufen. Das verhindert etwa, dass im Kino Cola in eimergroßen Behältern ausgeschenkt wird – obwohl das Getränk ja ursprünglich für die ikonische kleine 0,2-Liter-Flasche erfunden wurde. Eine andere Maßnahme ist die Verpflichtung an Gastronomen, den Kaloriengehalt auf Aufstellern und Speisekarten auszuweisen. Seitdem so im Coffee-Shop ersichtlich ist, dass Donuts und Zimtschnecken einen ähnlichen Kaloriengehalt wie eine üppige Hauptmahlzeit haben, sind in New York etliche Gebäcke deutlich geschrumpft.

Welche Alternativen bietet die Branche an?
Der Hersteller bauen auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Inzwischen stehen sie sogar der lange bekämpften Ampel-Kennzeichnung von Nährwerten offener gegenüber. Ein Branchen-Vorstoß stieß jedoch auf Kritik, weil kaum ein Lebensmittel mit der Warnstufe Rot gekennzeichnet würde. Die Branche verordnet sich zudem Werbeverbote etwa für Kinder. Diese Woche kritisierte die Kampagnen-Organisation Foodwatch Coca-Cola dafür, Influencer in den sozialen Medien für jüngere Zielgruppen einzusetzen.

Was sagt die Zucker-Lobby?
Industrievertreter argumentieren meist damit, die Hersteller böten den Konsumenten genügend Auswahl für eine bewusste, freie Wahl. Zudem zweifeln sie an, dass die empfohlenen Verzehrmengen für Zucker ausreichend wissenschaftlich unterlegt seien. Studien zeigten ein uneinheitliches Bild; zum Teil werde zwar auf Übergewicht gezielt, aber auf Karies-Studien verwiesen.

Zudem erinnert die Zucker-Industrie daran, dass einst Fett im Mittelpunkt der Debatte um Übergewicht stand, und im Zuge damaliger Neurezepturen oft gezielt durch Zucker ersetzt wurde. Den Lebensmittelherstellern macht – vor allem in den USA – zudem eine wachsende Skepsis gegenüber künstlichen Süßstoffen zu schaffen. Diese sind wiederum in Getränken besonders hoch dosiert.

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