Verramschtes Bier? Was billige Handelsmarken für die Brauer bedeuten

Manche Brauereien verscherbeln eigene Abfüllungen unter dem Label von Handelsmarken. Biertrinker freuen sich über den niedrigen Preis - doch für die Brauer kann die Strategie nach hinten losgehen.

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Die größten deutschen Brauer
Der Markt für alkoholhaltige Biere in Deutschland schrumpft seit Jahren. Trotzdem produzieren deutsche Brauer beachtliche Mengen. Das Branchenmedium Brauwelt hat die absatzstärksten von ihnen aufgelistet. Die folgende Übersicht zeigt die größten Brauereigruppen und Privatbrauereien mit einem Gesamtausstoß über 2,5 Millionen Hektoliter. Zum Vergleich: Ein Hektoliter entspricht 200 0,5-Liter-Bierflaschen. Quelle: Brauwelt (Werte teils geschätzt / Gezählt wurde der Gesamtbierabsatz ohne alkoholfreies Bier und Malztrunk) Quelle: dpa
Platz 10: VeltinsGesamtabsatz: 2,7 Millionen Hektoliter (2012: 2,78 Millionen Hektoliter) Eine Brauerei im Familienhand: die aus dem Sauerland stammende C. & A. VELTINS Brauerei. Der seit 1929 nach Pilsener Brauart produzierende Betrieb hat im letzten Jahr einen leichten Absatz Rückgang feststellen müssen. Grund dafür ist die gesunkenen Nachfrage im Inland, wo mit 2,529 Millionen knapp 100.000 Hektoliter weniger als im Vorjahr verkauft wurden. Quelle: AP
Platz 9: CarlsbergGesamtabsatz: 3,02 Millionen Hektoliter (2012: 2,9 Millionen Hektoliter) Die zur dänischen Carlsberg Gruppe gehörende Marke wird vom Produktionsstandort Kopenhagen mittlerweile in bis zu 140 Länder geliefert. Nach Pilsener Art wird das Bier seit 1904 hergestellt. 2013 setzte die Brauerei 2,88 Millionen Hektoliter in Deutschland ab und 140.000 im Ausland. Quelle: REUTERS
Platz 8: TCB-GruppeGesamtabsatz: 3,1 Millionen Hektoliter (2012: 2,9 Millionen Hektoliter) Die in Frankfurt ansässigen Gesellschaft besteht, mit den Brauereien Feldschlößchen, Brasserie Champigneulles und dem Frankfurter Brauhaus, sowohl aus deutschen als auch französischen Unternehmen. Die Geschichte der Brauereigruppe startete mit dem Aufkauf von Brau & Brunnen im Jahr 2003, die anschließend in die Frankfurter Brauhaus AG umgewandelt wurde. In der heutigen Zusammensetzung besteht die Gruppe erst seit der Akquisition der Marke Feldschlößchen im Jahr 2011. Im Vergleich zum Vorjahr wurde der Inlandsabsatz in 2013 um 200.000 Hektoliter auf 2,9 Millionen gesteigert. Weitere 200.000 Hektoliter wurden exportiert. Quelle: Screenshot
Platz 7: WarsteinerGesamtabsatz: 4,56 Millionen Hektoliter (2012: 4,56 Millionen Hektoliter) Das im Sauerland angesiedelte Unternehmen befindet sich mittlerweile in neunter Generation in Familienbesitz. Die 1753 vom Bauern Antonius Cramer errichtete Brauerei wird mittlerweile von Urenkelin Catharina Cramer geführt. Im vergangenen Jahr setzte Warsteiner schätzungsweise 3.945.000 Hektoliter im Inland ab. Quelle: obs
Platz 6: Brau HoldingGesamtabsatz: 5,5 Millionen Hektoliter (2012: 5,4 Millionen Hektoliter) Die vor allem im Süden Deutschlands bekannten Marken Eku, Kulmbacher und Fürstenberg, setzen mit dem bekannten Zugpferd der Brauereigruppe Paulaner im vergangenen Jahr vorläufig 588 Millionen Euro um. Das ist ein Umsatzrückgang von 13 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Der Absatz in Deutschland stieg jedoch leicht, während das Exportvolumen konstant bei einer Million Hektoliter blieb. Quelle: dpa
Platz 5: KrombacherGesamtabsatz: 5,752 Millionen Hektoliter (2012: 5,678 Millionen Hektoliter) Seit 1803 wird im Siegerland unter dem Namen Crombach Bier gebraut. Erst seit 1890 gibt es jedoch das heute bekannte Krombacher Pilsener. Der Unternehmensgruppe gehören mit Schweppes und Orangina aber auch bekannte nicht-alkoholische Erfrischungsgetränke an. Seine Biere verkauft Krombacher vor allem in Deutschland. Mit 187.000 Hektolitern ist das Exportvolumen vergleichsweise klein. Quelle: dpa

Diese Plörre aus dem Supermarkt? Das ist doch nichts für echte Bier-Freunde, heißt es. Doch hinter Bier-Eigenmarken der Händler stecken in Wahrheit oft Branchengrößen wie Warsteiner und Oettinger. Das freut die Kunden, die nur auf Geschmack und nicht auf das Etikett achten. Doch es stellt die Brauereien vor Probleme.

Vielen von ihnen haben schon seit Jahren zu kämpfen, denn der Bierabsatz schrumpft. Anscheinend unaufhaltsam. Mitte der Siebzigerjahre lag der Verbrauch pro Kopf noch bei rund 150 Litern pro Jahr, 2013 waren es nur 106,6 Liter.


Das vermeintliche Nationalgetränk der Deutschen hat an Stellenwert verloren. Die Alten trinken immer weniger, die Jungen greifen zu anderen Getränken. Diesen Rückgang können Absatzsteigerungen im Bereich der Alkoholfreien und Mischgetränke sowie ein wachsendes Exportgeschäft nicht ausgleichen.

Ramsch-Bier

Damit nicht genug. Auch die Marktmacht der großen Supermärkte setzt den Bierbrauern zu. Sie diktieren die Preise und haben dabei vor allem ein Ziel: Der Kunde soll die Kisten am besten stapelweise aus dem Laden tragen. Das klappt mit Lockangeboten besonders gut.

Drei von vier Bierkisten werden mittlerweile unter der Preisempfehlung verkauft – als Sonderangebote und in Aktionen. Das drückt massiv auf die Margen. Dem stehen hohe Investitionskosten für Maschinen, Fuhrparks und steigende Rohstoffpreise gegenüber. Wehren können sich die Brauereien offenbar nicht, denn die Supermärkte zählen zu den Hauptabnehmern. Wer im großen Stil Erfolg haben will, kommt an ihnen nicht vorbei.

„Bier ist in Deutschland zur Ramschware verkommen“, urteilt das Magazin der Süddeutschen Zeitung. Und das liegt nicht an den Rabattaktionen allein.

Um ihre Kapazitäten auszulasten, bieten zahlreiche Brauereien Zweitabfüllungen an. Das heißt: Sie schütten ihr Bier in Flaschen mit anderem Etikett. Der Auftrag kommt dabei meist von großen Supermarktketten, die die Biere unter eigenem Label als Handelsmarke verkaufen – zum Schleuderpreis.

Für wen sie Bier umfüllen, damit gehen die Brauereien nicht hausieren. Sie wollen ihre Premiumprodukte nicht kannibalisieren, das Image der eigenen Marke nicht schädigen. Die Strategie ist zumindest nicht unüblich: In den Regalen von Edeka steht Traugott-Simon-Bier – abgefüllt wird es von der Warsteiner-Tochter Herforder. Die Aldi-Marke Maxxum stammt aus den Brauereien von Oettinger.

Bumerang-Deal

Den preisbewussten Kunden freut das. Er bekommt Qualitätsbier zum Schnäppchenpreis. Auch einige Brauer sind offenbar zufrieden, sie können ihren Absatz enorm steigern. Für andere kann der Deal zum Problem werden. Wie, das skizzierte das SZ-Magazin am Niedergang der Iserlohner Privatbrauerei.

Um den Absatz zu steigern, schloss die Geschäftsführung des kriselnden Unternehmens einen Pakt mit der Getränkekette und Edeka-Tochter Trinkgut. Seit 2010 füllten die Mitarbeiter in Iserlohn gebrautes Bier unter anderem in Flaschen mit dem Label Traugott Simon.

Die Strategie schien aufzugehen. Schnell wurde das Geschäft mit den Eigenmarken zum wichtigen Standbein. 2012 füllte die Brauerei in Iserlohn etwa 80.000 Hektoliter Iserlohner Flaschenbier und 20.000 Hektoliter Fassbier ab – gleichzeitig jedoch rund 400.000 Hektoliter als Bier für Handelsmarken, berichtet die Regionalpresse.

Das Risiko von Eigenmarken und der Wert des Bieres

Die Nachfrage stieg so stark, dass die Iserlohner mit dem Brauen nicht mehr hinterherkamen. Sie begannen Bier einzukaufen – bei anderen Großen, dem Gießener Brauhaus etwa und Oettinger. Sie investierten nicht mehr in neue Maschinen, hatten zeitweise mit Qualitätsproblemen zu kämpfen. Schließlich verschrieb sich die Brauerei ganz dem Billig-Bier für die Ketten, verkaufte sogar das eigene Fassbiergeschäft. Handelsmarke statt Iserlohner lautet die Strategie, mit der sich das Unternehmen in Abhängigkeit von einem Großabnehmer begab.

Die beliebtesten deutschen Biermarken
Platz 10 - Erdinger - 1,72 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Biathletin Magdalena Neuner macht es vor: Der Trend zu alkoholfreiem Hefeweizen war auch im abgelaufenen Jahr ungebrochen. Die Weißbiermarke aus München baut für die alkoholfreie Variante ein Sportlerimage auf. Quelle: REUTERS
Platz 9 - Radeberger - 1,91 Millionen Hektoliter im Jahr 2012In der Radeberger-Brauerei nahe Dresden soll angeblich das erste deutsche Bier nach Pilsner Brauart gebraut worden sein. Die Biermarke, die zum Lebensmittelkonzern Dr. Oetker gehört, ist vor allem ist Ostdeutschland beliebt. Quelle: dpa
Platz 8 - Paulaner - 2,3 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Deutschlands größte Weißbiermarke geht tatsächlich zurück auf dem Paulanerorden. Die Bockbiertradition der Mönche wurde 1813 wieder aufgegriffen. Das Weißbier gehört bis heute zu den beliebtesten Marken in Deutschland. Quelle: dpa
Platz 7 - Veltins - 2,72 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Aus dem Sauerland in die Welt: Veltins gehörte zu den ersten Biermarken in Deutschland, die auf Biermischgetränke setzten. Bis heute gehören die verschiedenen Varianten von Veltins-V+ gehört zu den Umsatztreibern der Brauerei. Quelle: dpa-dpaweb
Platz 6 - Hasseröder - 2,75 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Die Brauerei aus dem Harz gehört dem Branchenriesen AB-InBev. Auf dem Biermarkt versucht sich Hasseröder in den letzten Jahren als Männermarke zu etablieren. Dabei helfen sollen prominente Werbegesichter wie Oliver Pocher. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 5 - Warsteiner - 2,77 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Mit dem Phantasietitel "Premium Verum" vermarktet die Brauerei aus Warstein ihr Pilsener als Premiumprodukt. Mit Sponsoring im Sportbereich soll die Bekanntheit der Marke weiter steigen. Quelle: obs
Platz 4 - Beck's - 2,78 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Auch die berühmte Brauerei aus Bremen gehört seit Jahren zum Brauereiriesen AB-InBev. Das Stadtwappen im Logo ist geblieben. Seit einigen Jahren inszeniert sich Beck's als Lifestyle-Marke für jüngere Biertrinker. Quelle: Presse

Gerettet hat dieser Schritt das Unternehmen nicht. Trinkgut und Edeka lassen ihr Eigenmarken-Bier mittlerweile bei einer Warsteiner-Tochter, der Herforder Brauerei, brauen – und sparen so angeblich mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr. Im Februar 2014 meldete die Iserlohner Brauerei Insolvenz an, wird jetzt mit anderer Strategie und anderem Management weitergeführt.

Export und Qualität statt Eigenmarke

Führen Eigenmarken die deutschen Brauer in den Abgrund? Diese These geht dem Deutschen Brauer-Bund zu weit. Zwar wisse man, dass „Handelsmarken seit jeher einen Teil des deutschen Biermarktes ausmachen“ und „auch Bier namhafter deutscher Hersteller zu einem gewissen Prozentsatz über Handelsmarken abgegeben“ werden.

Wie groß der Anteil genau ist, könne man allerdings nicht sagen. Immerhin. Den Trend zu immer mehr Handelsmarken könne man so nicht bestätigen. Der Großteil der Brauereien setze schließlich überhaupt nicht auf Handelsmarken.

Das stimmt, einerseits. Andererseits sind auch viele der derzeit 1.349 Brauereien in Deutschland eher klein und könnten die Anforderungen der Supermärkte auch stemmen.

Das deutsche Reinheitsgebot

Der Verband erklärt, dass die Brauer im Kampf gegen die Absatzkrise einen andere Weg als Handelsmarken für sich entdeckt haben: die Verbreiterung des Angebots durch gemischte und alkoholfreie Getränke und den Export ins Ausland. Die Investition in Qualität macht sich demnach bezahlt. Auch, weil „immer mehr große Handelsketten mehr und mehr den Wert deutscher Biere erkennen“ und höhere Preise akzeptieren würden.

„Die über die letzten fünf Jahre durchschnittlich leicht negative Preisentwicklung nationaler Biermarken konnte im Jahr 2014 in eine deutlich positive Entwicklung umgewandelt werden.“ Der Verband verweist auf eine Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung. Demnach ist der Preis für eine Kiste Bier tatsächlich um 50 Cent gestiegen.


Ein kleiner Erfolg für die Bierbrauer also. Denn jahrelang war der Bierpreis bestenfalls stabil, während die Kosten für die Rohstoffe nach oben kletterten.

„Bei anhaltendem Markt- und Kostendruck und fehlenden Rücklagen kann eine notwendige Investition letztlich dazu führen, dass der Betrieb womöglich eingestellt werden muss. Bislang gab es erfreulicherweise nur wenige Beispiele dieser Art", erklärte Holger Eichele, Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes im April gegenüber der WirtschaftsWoche.

Wenig ist freilich relativ. Insgesamt sind seit 2006 etwa 40 Hersteller aus dem Markt ausgeschieden, rechnet die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vor. Wenn neue hinzukamen, waren es vor allem sehr kleine, spezialisierte Brauereien. Den Mittelgroßen „fehlt die kritische Größe, um sich national und international gegenüber den Großbrauereien durchsetzen zu können“, schreibt die NGG in ihrem Branchenbericht.

Der Niedergang der Iserlohner Privatbraueier ist eines der jüngsten Beispiele. Es wird vermutlich nicht das letzte bleiben.

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