Seit April 2009 sind Lebensmittelhersteller nicht mehr an festgelegte Packungsgrößen gebunden. So muss zum Beispiel eine Tafel Schokolade nicht mehr 100 Gramm wiegen. Bei anderen Produkten wie Waschmittel oder Kosmetika fielen die Größenvorgaben bereits im Jahr 2000 ersatzlos weg. Vorgaben gibt es mittlerweile nur noch für Sekt, Wein und Spirituosen. Die Aufhebung der Regelung auf europäischer wie nationaler Ebene sollte Verbrauchern und Herstellern mehr Freiheit bieten und den Wettbewerb ankurbeln. Eine neue Studie des DIN-Verbraucherrates zeigt nun, dass die Freigabe der Packungsgrößen vor allem den Herstellern Gewinne gebracht hat - mit Hilfe von Mogelpackungen.
Anstelle der erhofften neuen Angebote, etwa für Singles oder alte Menschen, die aufgrund des demographischen Wandels wachsenden Anteil an der Bevölkerung haben, haben die Hersteller vorrangig "krumme" Packungsgrößen (zum Beispiel 280 Gramm Käse oder 130 Gramm Babynahrung) auf den Markt geworfen. So gibt es laut Verbraucherzentrale alleine von einem einzigen Marmelade-Hersteller sechs verschiedene Größen zwischen 250 und 350 Gramm. Preise, Produktgestaltung und Verpackungsgrößen ändern sich immer wieder. Nicht gerade übersichtlich. Die Größenänderungen liegen zudem meist in einem Bereich von 10 bis 20 Prozent, was keine potentiell vorteilhafte Änderung zu einer Single- oder einer Großfamilienpackung bedeutet.
Der große Nachteil für den Verbraucher liegt nun darin, dass er die Preise nur noch schwer vergleichen kann. Zudem nutzten die Hersteller die geringfügig veränderten Packungsgrößen dazu, weniger Inhalt für mehr Geld anzubieten - in der Branche wird diese Strategie als "Downsizing" bezeichnet. Besonders viele Downsizing-Fälle registrierte die Verbraucherzentrale Hamburg im Bereich Körperpflegemittel (18 Prozent der verdeckten Preiserhöhungen), Schokolade und Zuckerwaren (17 Prozent), Waschmittel (11 Prozent) und Säuglingsnahrung (10 Prozent).
Nun sollten die Verbraucher ja eigentlich durch die Ausweisung des sogenannten Grundpreises, also des Preises pro 100 Gramm oder pro Kilogramm einer Ware, über solche Mogeleien erhaben sein. Doch auch hier gibt es laut der Studie erhebliche Mängel. Demnach geben mehr als 90 Prozent der Händler den Grundpreis zwar an - aber in über 70 Prozent der untersuchten Fälle waren die Auszeichnungen mangelhaft: Die Händler drucken den Grundpreis zu klein, weisen ihn nicht eindeutig genug einem Produkt zu, beziehen ihn auf falsche Mengenangaben oder berechnen ihn schlicht und einfach falsch. Ein direkter Vergleich im alltäglichen Einkauf wird dem Verbraucher so erheblich erschwert.
Hinzu kommt: Durch den Grundpreis kann der Verbraucher zwar aktuelle Preise vergleichen - ändern sich jedoch die Packungsgrößen, hat er selten die Möglichkeit, neue und alte Packungen zu vergleichen und so eine verdeckte Preiserhöhung zu entdecken. Von einer Entscheidung gegen den Kauf der Mogelpackungen ganz zu schweigen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) verlangt nun rechtliche Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie. VZBV-Vorstand Gerd Billen forderte, die "rechtlichen Lücken und Auslegungsmöglichkeiten" zu schließen, indem "Vorgaben zur einheitlichen und leserlichen Auszeichnung" festgesetzt würden.
Entsprechende Vorschläge der Verbraucherschutzministerkonferenz stehen am kommenden Montag auf der Tagesordnung des Verbraucherausschusses im Bundesrat.