Zarte Schmatzer, durchschlagender Erfolg: Das Werbevideo „First Kiss“, bei dem 20 angeblich fremde Menschen vor der Kamera schüchterne Küsse tauschen, wurde binnen kürzester Zeit zum Internet-Hit. Und zum Marketing-Erfolg für Wren, ein Modeunternehmen, das den Spot finanzierte, um Werbung für seine Herbst-Kollektion zu machen. In einem Gastbeitrag auf Business Insider macht Wren-Gründerin Melissa Coker deutlich, wie durchschlagend der Erfolg wirklich war. Laut Coker ist der Traffic auf der Wren-Homepage seit der Video-Veröffentlichung um 14.000 Prozent gestiegen. Der Absatz schoss ebenfalls nach Oben. Im Vergleich zur Woche vor „First Kiss“ habe sich die Zahl der Verkäufe im firmeneigenen Online-Shop um 13.600 Prozent erhöht.
Der Weg zum viralen Hit ist schnell erzählt. Zunächst wurde das Video auf der Modeseite style.com veröffentlicht, dann auf Youtube. Der Link wurde über Soziale Netzwerke geteilt und tausendfach kommentiert. Schnell landet das Filmchen auf der Startseite der extrem beliebten Aggregator-Plattform Reddit. Danach ging es offenbar richtig rund. Binnen einer Nacht kam das Video auf zwei Millionen Klicks. Dann nahm die Geschichte weiter Fahrt auf, schaffte den Sprung in die Nachrichten. Erst berichteten Branchenmedien, dann auch die großen wie die New York Times, das Wallstreet Journal und CNN. Die Bekanntheit des Videos wuchs auch außerhalb der Vereinigten Staaten rasant. Binnen kurzer Zeit wurden unzählige Parodien und Hommagen aus aller Welt bei Youtube eingestellt.
Nach einer Woche stand der Zähler des Original-Videos bei mehr als 60 Millionen Aufrufen. Mittlerweile wurde es beinahe 71 Millionen Mal angeklickt. In der Branche gilt „First Kiss“ damit als eines der viralsten Werbevideos überhaupt.
Emotion statt Verkauf
Den Erfolg des Werbevideos schreibt Coker der Emotionalität des Films zu. Ein Video würde dann besonders gut geteilt, wenn es den Nutzer zum Weinen bringt oder fröhlich macht. Genau in die Kerbe schlägt „First Kiss“. Das schlichte dreieinhalb Minuten Filmchen soll den Zuschauern ein gutes Gefühl verleihen, sie aus ihrem grauen Alltag holen. Von der Arbeit gelangweilten Nutzer suchen verzweifelt eine menschliche Bindung, glaubt Coker. „Der Mehrheit der Leute verbringen ihren Tag damit auf einen Bildschirm zu starren, was so ziemlich das genaue Gegenteil von Küssen ist.“
Das ist also das Erfolgsgeheimnis der Werbung: Es ist ein Film über Gefühl, nicht über die Kleidung, die verkauft werden soll. Ein Video voller Kauf-Aufforderungen, da ist sich Coker sicher, wäre niemals so gut geteilt worden. Subtil nennt die Wren-Gründerin und Marketing-Chefin ihre Werbe-Strategie, Täuschung sagen andere dazu.
Bei manchem Nutzer war die Empörung groß. Von wegen echte Gefühl, alles eine abgekartete Sache, so der Vorwurf. Die Menschen vor der Kamera seien bloß Schauspieler, die für ein paar Dollar ihren Job machen. Das weist Coker brüsk zurück. „Ich lese im Internet die Vorwürfe, alles sei ausgedacht. Aber das ist Quatsch, die Paare haben sich zum ersten Mal gesehen und ihre Reaktionen waren absolut echt“, so Coker. „Ja, einige waren Schauspieler, einige waren einfache Mitarbeiter unserer Firma Wren, einige waren Angestellte aus unseren Läden. Aber wir haben ganz genau darauf geachtet, dass sich alle Paare zum ersten Mal gesehen haben.“ Keiner der Darsteller sei für das Video bezahlt worden.
Ob kalkuliert oder nicht: Die heftige Debatte um das Video hat seine Verbreitung nochmals enorm befeuert.