Von-Floerke-Gründer David Schirrmacher „Wachstum, Wachstum, Wachstum war das einzige, was zählte“

Von-Floerke-Gründer David Schirrmacher über Frank Thelen Quelle: www.vonfloerke.com

Von-Floerke-Gründer David Schirrmacher erklärt, warum er so wütend auf Promi-Investor Frank Thelen ist und wodurch sein Start-up in eine existenzbedrohende Lage geriet.

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Wer die Facebook-Seite des Herrenbekleiders „Von Floerke“ besucht, dem müssen Zweifel daran kommen, dass der Gründer David Schirrmacher ein seriöser Unternehmer ist. Seit einigen Tagen stänkert er dort nicht nur unentwegt gegen seinen einst wohl wichtigsten Investor Frank Thelen. Er macht auch Witze darüber, dass sein Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht. In einem Video präsentiert er sich etwa mit Sombrero auf dem Kopf als Insolvenzverwalter „Schirrmacheros“.

Er verkauft Insolvenzboxen, gefüllt mit Socken zum Vorteilspreis. Und witzelt: „Die Millionen sind weg – und ich auch“. Dazu zeigt Schirrmacher ein Bild von sich am Flughafen. Der ein oder andere Anleger, der Von Floerke über die Crowdfunding-Plattform Kapilendo Geld geliehen hat und nicht weiß, ob er es je wiedersieht, mag das womöglich gar nicht witzig finden. Thelen sagte hierzu: „Das ist eine schlimme Situation. Wir haben immer versucht, dem Unternehmen und seinem Gründer David Schirrmacher zu helfen.“ Inzwischen sei allerdings ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr gehe. „Schirrmacher ist aus meiner Sicht nicht mehr zurechnungsfähig, das Ganze trägt Züge eines Realitätsverlustes.“

Laut dem Gründer von Von Floerke haben seine Facebook-Attacken jedoch wenig mit Realitätsverlust zu tun. Vielmehr soll es sich um einen PR-Coup handeln, mit dem Schirrmacher seine Firma retten will. Nach eigenen Angaben macht er mit seinen Attacken auf Thelen und den Insolvenz-Witzen gerade einen riesigen Reibach.

Schirrmacher gründet von Floerke im Januar 2014. Über den Internetshop will er exklusive Herrenkleidung vertreiben, unter anderem Fliegen und Einstecktücher. Mittlerweile gehört auch Alkohol zum Portfolio – von Vodka Smirnoff bis Jägermeister.

Bekannt wurde das Unternehmen im Jahr 2015 über die Sendung „Höhle der Löwen“. Den Investor Frank Thelen konnte er dort von sich überzeugen. Der investierte knapp 180.000 Euro und bekam dafür etwa 16 Prozent der Anteile an dem Start-up. Die Sendung funktionierte wie ein Turbo für die junge Firma. „Ich dachte das sei der Durchbruch. Jetzt geht noch viel viel mehr“, sagt Gründer Schirrmacher, „und die Leute um dich herum bestätigen dich die ganze Zeit darin. Sie klopfen dir auf die Schulter und sagen, das geht doch noch viel größer“.

Auf dem Weg zur millionenschweren Firma muss natürlich der Umsatz steigen, kontinuierlich und deutlich. „Wachstum, Wachstum, Wachstum war das einzige, was zählte“, erinnert sich der Gründer. Von Floerke zog 2017 in große Büros, mietete repräsentative Filialen und heuerte neue Mitarbeiter an. Der Umsatz stieg, der Verlust aber auch. „Ich habe wirklich daran geglaubt, dass ich mir um Geld erst einmal keine Sorgen machen muss. Natürlich war das dumm. Ich wusste es nicht besser“, sagt Schirrmacher. Er meint, dass er damals jemanden an seiner Seite gebraucht hätte, der sagt: „Mach mal langsam, investiere vorsichtig. Schau auf die Gewinne.“ Leider sei niemand dagewesen, der ihn gebremst habe.

Thelen wollte das Unternehmen da längst verlassen. Am 4. August 2017 unterschreibt einer seiner Geschäftsführer einen notariell beglaubigten Kaufvertrag. Danach sollte Thelen seine Anteile abgeben – zum vierfachen des einstigen Kaufpreises. Das wäre an sich nicht verwerflich, hätte Von Floerke nicht gleichzeitig über die Crowdfunding-Plattform Kapilendo Geld bei Privatanlegern eingeworben und dabei mit Thelen als „sehr sehr glücklichem Investor“ gelockt. Womöglich hätte der ein oder andere Anleger niemals in Von Floerke investiert, wenn er gewusst hätte, dass Thelen zwar für Anleger trommelte, selbst aber längst raus wollte.

Insgesamt investierten Privatanleger 1,2 Millionen Euro über Kapilendo in Von Floerke und müssen jetzt hoffen, dass sie davon überhaupt noch einen Euro zurückbekommen. Das Unternehmen steckt in existenzbedrohenden Schwierigkeiten.

Dass Thelen dennoch bis heute an Bord ist, ist mehr oder weniger ein Unfall. Im Sommer 2017 standen zwei Investoren parat, um bei Von Floerke einzusteigen. Neben dem Brands4Friends-Gründer Christian Heitmeyer sollte der Chef einer amerikanischen Beteiligungsfirma 3,5 Millionen Euro in das Unternehmen stecken. Entsprechende Vertragsunterlagen liegen der WirtschaftsWoche vor.

Der Deal platzte, weil das Geld der amerikanischen Beteiligungsfirma „im Rahmen der Überprüfung auf Verstöße gegen das amerikanische Geldwäschegesetz eingefroren“ wurde. So steht es in einem Schreiben der Anwaltsfirma des Investors. „Das sollte der Deal meines Lebens werden. Heute bin ich natürlich einiges schlauer und vertraue nicht mehr so schnell Leuten die mir Geld versprechen“, sagt Schirrmacher.

Schirrmacher: „Thelen hat uns das Leben noch schwerer gemacht“

Von Floerke geriet in Existenznöte. Schirrmacher hatte sich schlicht übernommen. Auf Facebook finden sich zahlreiche Beschwerden von Kunden, die nach eigenen Angaben seit Monaten auf ihre Ware warten.

Seit die Firma im Krisenmodus ist, liegt Schirrmacher auch mit Thelen im Clinch und will seinen prominentesten Investor „einfach nur noch raus haben.“ Undankbar könnte man das nennen, wäre doch Schirrmachers Unternehmen ohne Thelen wohl nie so bekannt geworden. Schirrmacher fühlt sich offenbar von Thelen verraten. „Als wir am Boden lagen, hat er sich plötzlich von uns distanziert und uns diffamiert. Damit hat er uns das Leben noch schwerer gemacht“, sagt Schirrmacher.

So erweckte Thelen wohl gegenüber dem Internetportal Gründerszene den Eindruck, dass Schirrmacher für ihn nicht erreichbar sei, was auf Anleger, die um ihr Geld zitterten, kaum vertrauensfördernd gewirkt haben dürfte. Tatsächlich konnte Schirrmacher nachweisen, dass er durchaus regen Kontakt zu Thelen hatte – etwa per Messenger WhatsApp.
Für weiteren Zündstoff sorgte, dass Von Floerke mit dem umstrittenen Getränkehändler Christian Schoenberger zusammenarbeitet. Thelen hatte im Februar im „Manager Magazin“ erklärt, er wisse hiervon nichts. Schirrmacher habe ihm gegenüber abgestritten, dass er mit Schoenberger arbeite. Würde sich das als falsch herausstellen, würde man mit Schirrmacher nicht weiter zusammenarbeiten. „Wenn uns ein Gründer belügt, trennen wir uns sofort von ihm.“

Tatsächlich soll Schirrmacher die Zusammenarbeit mit Schoenberger intern nicht verheimlicht haben. Bereits in dem Protokoll einer Gesellschaftersitzung vom 12. November 2018, an der auch Thelen teilnahm, heißt es unter dem Tagesordnungspunkt „Spirituosenhandel“: „Die Zusammenarbeit mit Christian Schoenberger wird fortgesetzt. Eine sichere Belieferung zu den benötigten Preisen ist sonst gefährdet.“ Die Aussage von Thelen zu dem Thema ärgere ihn deshalb, sagt Schirrmacher.

Er wolle auch weiterhin mit Schoenberger zusammenarbeiten. Der Internetunternehmer habe „durchschlagende Marketingideen. Als Thelen und andere Partner ihn im Stich gelassen hätten, habe er auf Schoenbergers Unterstützung zählen können. „Er hat mich in dieser schweren Zeit aufgebaut und wieder in den Verkaufsmodus gebracht.“

Schirrmachers Facebook-Hetze gegen Thelen kann man wohl getrost als Rachefeldzug bezeichnen. Damit dürfte sich der Gründer von Von Floerke kaum Freunde in der Investorenszene machen. Dafür will er jedoch neue Kunden gewonnen haben. Nach einem Anti-Thelen-Posting steige die Zahl der Bestellungen rasant, behauptet Schirrmacher. An einem Tag mit Anti-Thelen-Post mache er doppelt so viel Umsatz wie sonst. Thelen ist hiervon freilich nicht begeistert, wie er kürzlich der WirtschaftsWoche mitteilte. „Wir wollen mit dieser Art von Kommunikation nichts zu tun haben“, erklärte der Investor. Schirrmacher verprelle hiermit am Ende nur Gläubiger, Investoren und Kunden.

Der Von-Floerke-Gründer dagegen gibt sich begeistert von den neuen Fans: „Trotz unserer aggressiven Strategie erhalten wir enorm viel Rückhalt in den sozialen Medien und Solidarität aus der Gründerszene“, sagt der 26-Jährige. „Wenn man mal ehrlich ist, sind wir doch nur Symbolbild für vieles, was in der von Investoren getriebenen Szene falsch läuft.“

Die Kosten hat Schirrmacher mittlerweile zusammengestrichen. Das schicke Büro und die Filialen sind weg, die meisten Mitarbeiter auch. Die monatlichen Fixkosten der Firma sind nach seinen Angaben von 150.000 Euro im Monat auf 20.000 Euro monatlich gesunken. Um eine Insolvenz abzuwenden, muss der Gründer jedoch zusätzlich einen Deal mit seinen Altgläubigern abschließen, die er aktuell nicht bezahlen kann. „Ich möchte jetzt ein solides, nachhaltiges Geschäft führen, das nicht auf Hype und Glamour ausgerichtet ist, sondern im Kern organisatorisch funktioniert“, sagt Schirrmacher und ergänzt: „Ich möchte auch nicht ständig neues Geld ausfindig machen müssen.“

Sein Rat an andere Gründer: „Wachstum ist nicht alles. Lasst euch von Investoren, die nur den schnellen Ausstieg suchen, nicht das Gegenteil erzählen.“

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