Die Existenzkrise beim hoch verschuldeten Immobilienkonzern IVG spitzt sich zu. Das Bonner Unternehmen musste am späten Dienstagabend einräumen, dass es seinen Geldgebern keinen freiwilligen Schuldenerlass abringen kann. Die Gespräche seien vorerst gescheitert und es liege kein umfassender Restrukturierungsvorschlag der verschiedenen Gläubigergruppen vor, erklärte der Vorstand. Jetzt werde geprüft, ob der Konzern überhaupt noch außerhalb der Insolvenz saniert werden könne. Sollte es keine positive Fortführungsprognose geben, würde die IVG nach früheren Angaben die Sanierung über den „Plan B” wählen - das Schutzschirmverfahren. Dafür darf die Gesellschaft aber nicht überschuldet sein. Eine Entscheidung soll in Kürze fallen. „Noch gibt es die Hoffnung, dass die Gläubiger vielleicht doch noch einlenken”, sagte ein Insider.
An der Börse führten die Nachrichten am Mittwoch zu einem regelrechten Ausverkauf: Der Kurs der IVG-Aktie halbierte sich in der Spitze auf nur noch zwölf Cent. Als „Pennystock” liegt das Papier inzwischen ohnehin in den Händen vieler spekulativer Anleger, langjährige Großaktionäre sind längst ausgestiegen. In den Boomzeiten hatte die Aktie einmal 35 Euro gekostet.
Die IVG hat mehr als vier Milliarden Euro Schulden angehäuft und wollte einen Erlass von rund 1,75 Milliarden durchsetzen, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Verschuldungsquote (LTV) sollte auf diese Weise mittelfristig auf unter 60 von derzeit über 80 Prozent gedrückt werden. Im Grundsatz war geplant, dass die Geldgeber - inzwischen zum Großteil Hedgefonds - auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten und dafür im Gegenzug IVG-Aktien erhalten. Bis Dienstag sollten die Gläubiger einen gemeinsamen Vorschlag zur Aufteilung der Lasten vorlegen, damit die IVG-Hauptversammlung am 12. September darüber abstimmen kann.
Doch die Gläubiger der syndizierten Kredite und der Wandelanleihe kamen nicht auf einen Nenner, wie Reuters bereits zuvor aus Verhandlungskreisen erfahren hatte. Die Differenzen hatten sich schon mit der Kritik des US-Hedgefonds Aurelius Capital Management abgezeichnet. Die Aktionäre wären im Zuge des geplanten Schulden- und Kapitalschnitts ebenso wie die Käufer einer Hybridanleihe weitgehend leer ausgegangen.
Kommt nun das Schutzschirmverfahren?
In der vergangenen Woche brachte IVG-Chef Wolfgang Schäfers erstmals eine Sanierung über ein Insolvenzverfahren ins Spiel - mit Hilfe des neuen Schutzschirmverfahrens. In diesem Fall würde der operative Geschäftsbetrieb weiterlaufen, während die AG mit einem Sachwalter saniert würde.
Der Konzern wäre für drei Monate vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt, die zunächst einmal sehr genau auf ihre Sicherheiten hin überprüft würden. Danach mündet der Schutzschirm in der Regel in ein Insolvenzplanverfahren. Es wäre eine der größten Pleiten in Deutschland seit Jahren. Bei der IVG sind seit längerem mehrere Sanierer am Werk, unter anderem der vorher beim Holzverarbeiter Pfleiderer tätige Hans-Joachim Ziems als Vorstand.
Auch wenn die IVG am Ende unter den Schutzschirm flüchte - wichtig sei, dass die Sanierung schnell erfolge, verlautete aus dem Umfeld des Unternehmens. Denn der Konzern, der über eine große Fonds-Plattform mit institutionellen Investoren wie Pensionskassen zusammenarbeitet, lebt vom Vertrauen seiner Kundschaft.
Das Neugeschäft könnte angesichts der andauernden Negativ-Schlagzeilen einbrechen, lautet die Sorge. Und auch in der Belegschaft sei die Verunsicherung schon jetzt sehr groß.
Der Büroimmobilienkonzern hatte sich in der Finanzkrise mit teuren Projekten verhoben, etwa dem Geschäftskomplex „The Squaire” am Frankfurter Flughafen. Sie wurden überwiegend mit Schulden finanziert und haben die Erwartungen nie erfüllt. Bis heute schreibt das Unternehmen wegen immer neuer Abwertungen Verluste. In diesem Umfeld milliardenschwere Refinanzierungen durchzuboxen, erschien nach Einschätzung des Vorstands nahezu unmöglich.