Wachstum auf Pump Was Chinas Eingriff bei Anbang bedeutet

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Düstere Aussichten für Chinas Wirtschaft

Düster sieht es auch bei HNA aus. Der mit einer unbekannten Regionalfluglinie in den 1990er Jahren gestartete Mischkonzern hat laut Schätzungen von Bloomberg inzwischen Vermögenswerte im Wert von 190 Milliarden Dollar angehäuft. Davon 30 Milliarden in Beteiligungen und 14 Milliarden in Immobilien. Bei seiner weltweiten Einkaufstour steckte es alleine 2016 rund 40 Milliarden Dollar in Firmen aus der Logistik- und Tourismusbranche und avancierte im vergangenen Jahr mit knapp zehn Prozent zum größten Aktionär der Deutschen Bank

Aber auch HNA finanzierte auf Pump. Das Pekinger China Business Journal berichtete im Februar, dass der Konzern umgerechnet 23,8 Milliarden Euro an kurzfristig fälligen Krediten belaste. Allein in der ersten Jahreshälfte müsse die Firma 2,02 Milliarden Euro an laufenden Zinsen zahlen. Geld, das das Unternehmen scheinbar nicht hat. Inzwischen sind mindestens sieben Beteiligungen von HNA an der Hongkonger Börse vom Handel ausgesetzt. Auch Fluglinien, die zum Konzern gehören, konnten Gebühren für geleaste Maschinen nicht pünktlich begleichen. Nun prüft das Unternehmen, was es aus seinem Bestand wieder loswerden kann. Seine Anteile an der Deutschen Bank musste es bereits reduzieren.

Die Beispiele sind nur ein paar von vielen. Chinas Wirtschaft ächzt unter einer gewaltigen Schuldenlast. Um die Wirtschaftskrise in China abzufedern, verabschiedete das Land 2008 ein Investitionspaket in Höhe von 4 Billionen Yuan, umgerechnet heute 519 Milliarden Euro. Seitdem schießt die chinesische Regierung immer wieder Geld nach. Der Schuldenberg, den China in den vergangenen Jahren angehäuft hat, summiert sich mittlerweile auf über 280 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Vor allem die hohen Unternehmensschulden belasten die Wirtschaft. Liu He, Chef-Ökonom des Landes, erklärte im Januar in Davos, dass das Land in den kommenden drei Jahren gezielt gegen die Verschuldung vorgehen werde, um „systemische Risiken“ zu verhindern. 

Das muss die Deutsche Bank 2018 alles meistern

Auch die zuvor oft laschen Kontrollen der Finanzaufsicht werden nun deutlich verschärft. Verantwortlich für die strikteren Kontrollen von Darlehen ist die China Banking Regulatory Commission. Die Kommission werde in Zukunft striktere Kontrollen für Darlehen einführen, so Chinas Bankenaufseher zuletzt in Peking. Denn die Lage sei „düster und kompliziert”. Chinas geschasster Finanzminister Lou Jiwei spricht sogar davon, dass die Situation in China dramatischer sei als in den USA vor der globalen Finanzkrise 2007. Der 68-Jährige leitete bis 2016 vier Jahre das Finanzministerium. Chinas Finanzmarkt sei „chaotisch“ und das ständige geldpolitische Anheizen der Wirtschaft würde nur noch stärker Finanzspekulationen antreiben, aber keinen Einfluss auf reales Wachstum haben, so Lou im Januar.

Laut eines Berichts von Standard & Poor's Global Ratings aus dem Januar wird es trotz steigender Gewinne schwierig werden, die Risiken der überschuldeten chinesischen Firmen zu verringern. „Im vergangenen Jahr wurden die Gewinne zwar durch das Anheben des Preisniveaus, hohe Rohstoffpreise und die guten Refinanzierungsbedingungen angekurbelt.“ Dass alles reiche aber nicht, um viele Kreditnehmer zu retten, fürchten die Analysten. Denn höhere Renditen und Margen am inländischen chinesischen Anleihemarkt signalisierten für dieses Jahr „verschärfte Refinanzierungsbedingungen für die risikoreichsten Kreditnehmer“.

Die kommissarische Leitung Anbangs durch Peking sollte auch in Deutschland genau beobachtet werden. Auch wenn China sich immer wieder als ernstzunehmender Akteur in der internationalen Finanzwelt positionieren will. Kritik an den Übernahmen, den undurchsichtigen Unternehmensstrukturen und auf Pump finanzierten Einkaufstouren deutet China stets als Missgunst am eigenen Erfolg. Warnhinweise aus der Wirtschaft und Politik gelten für China nicht.

Gutgläubig hat die Deutsche Bank den Einstieg der Chinesen zugelassen. Was die „Leitung“ des Großaktionärs der Deutsche Bank HNA durch chinesische Behörden – bisher nur ein Gedankenspiel – für die Bank und ihre Gläubiger bedeuten könnte? Darauf kennt wahrscheinlich nicht einmal Peking eine Antwort.

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