




Aufbruchsstimmung? Neustart? Wer in dem Neujahrsbrief, den Karstadt-Vorstand Miguel Müllenbach jüngst an die rund 20.000 Mitarbeiter des Traditionskonzerns schrieb, nach Anzeichen einer Trendwende für den seit Jahren anhaltenden Sinkflug des Warenhausunternehmens suchte, fand wenig Erbauliches.
Karstadts Krisen-Chronik
Mit seinem früheren Mutterkonzern Arcandor war Karstadt 2009 in die Insolvenz gerutscht. Im Juni 2010 stieg Investor Nicolas Berggruen ein. Von seinem Einspringen wurde die Wende erhofft. Die Chronik der Krise.
Für die wichtigsten Arcandor-Gesellschaften - darunter die Karstadt Warenhaus GmbH - wird am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 1. Dezember wird bekannt, dass zehn Karstadt-Standorte mit teils mehreren Häusern nach Angaben der Insolvenzverwaltung geschlossen werden sollen. Etwa 1200 Mitarbeiter sind betroffen.
Beim Essener Amtsgericht wird am 15. März ein Insolvenzplan vorgelegt. Am 12. April stimmen die Gläubiger dem Plan zu. Am 1. Juni haben von bundesweit 94 Kommunen bis auf drei bereits alle einem Verzicht auf die Gewerbesteuer zugestimmt. Die im Insolvenzplan geforderte Zustimmungsquote von 98 Prozent gilt damit als sicher. Nur sechs Tage später erhält die Berggruen Holding vom Gläubigerausschuss den Zuschlag zur Übernahme. Einen Tag später unterschreibt Berggruen den Kaufvertrag unter Vorbehalt. Berggruen fordert vom Karstadt-Standortvermieter Highstreet deutliche Mietsenkungen. Am 14. Juni endet eine erste Verhandlungsrunde zu den künftigen Mieten ohne Ergebnis. Am 20. Juni lehnt Berggruen ein Angebot von Highstreet über Mietsenkungen von mehr als 400 Millionen Euro ab.
Am 26. August hat sich Berggruen mit der Essener Valovis-Bank geeinigt: Die Bank hatte Highstreet ein Darlehen über 850 Millionen Euro gewährt und dafür im Gegenzug 53 Waren-, Sport- und Parkhäuser als Sicherheit erhalten. Man habe sich unter anderem darauf verständigt, dass Berggruen dieses Darlehen bis 2014 ablösen könne, heißt es. Am 2. September stimmen die Highstreet-Gläubiger den geforderten Mietsenkungen zu.
Am 30. September hebt das Essener Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf. Damit erhält Berggruen zum 1. Oktober die Schlüsselgewalt für die Karstadt Warenhaus GmbH. 40.000 Gläubiger verzichten auf zwei Milliarden Euro. Die Belegschaft verzichtet auf 150 Millionen Euro.
23. November: Der frühere Woolworth-Manager Andrew Jennings wird zum neuen Karstadt-Chef bestellt. Er beginnt Anfang Januar 2011.
Jennings legt am 6. Juli das Konzept „Karstadt 2015“ vor: Modernisierung der Warenhäuser, stärkeres Online-Geschäft und Expansion der Sporthäuser sind der Kern.
Am 16. Juli kündigt Karstadt die Streichung von 2000 Stellen an.
Karstadt kündigt am 13. April 2013 eine „Tarifpause“ für die Beschäftigten an. Am 9. Juni bestätigt das Unternehmen, dass der Vertrag von Karstadt-Chef Jennings zum Jahresende ausläuft.
Im Februar kommt Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt nach Essen und übernimmt den Geschäftsführerposten. Am 7. Juli legt Sjösted nach nur fünf Monaten alle Ämter nieder. Als Grund dafür nennt sie, dass die „Voraussetzungen“ für den von ihr angestrebten Weg nicht mehr gegeben seien.
Der Österreicher René Benko kauft Karstadt im August für nur einen Euro. Der bisherige Eigentümer Nicolas Berggruen zieht sich komplett zurück. Die Sanierungsaufgaben bleiben gewaltig.
Karstadt habe im November und Dezember einen Umsatzrückgang von rund sechs Prozent verzeichnet, räumte Müllenbach in dem Schreiben ein. Vor allem das Textilgeschäft sei enttäuschend gelaufen.
Immerhin, Karstadt habe im Weihnachtsgeschäft 2014 auf "ungesunde Umsätze" durch hohe Rabatte verzichtet, der Umsatzrückgang des Essener Konzerns sei zudem "marktkonform", schrieb Müllenbach. Alles halb so wild also?
Das Ungleichgewicht wird größer
Zahlen, die der Handelskonzern Metro für das Weihnachtsgeschäft präsentiert hat, deuten eher auf das Gegenteil hin. Statt des angeblich marktkonformen Rückgangs von sechs Prozent büßte die Metro-Tochter Galeria Kaufhof flächenbereinigt 1,4 Prozent ein.
Der Rückgang sei auch nicht dem schlechten Weihnachtsgeschäft geschuldet, sondern primär der milden Witterung im Herbst, heißt es in einer Metro-Mitteilung. Das Weihnachtsgeschäft selbst habe dagegen "zu deutlichen Umsatzsteigerungen" geführt.




Keine Frage, die Schere zwischen den beiden Erzrivalen geht immer weiter auf. Vor allem in Essen steigt der Druck, nach insgesamt 15 verlorenen Jahren endlich die Wende einzuleiten: Während des wichtigen Weihnachtsgeschäfts herrschte zwischen dem Betriebsrat und dem neuen Management des Konzerns um Vorstandschef Stephan Fanderl noch eine Art Waffenstillstand. In den kommenden Wochen dürfte der Konflikt um die künftige Ausrichtung des Unternehmens und die Tiefe der bevorstehenden Einschnitte jedoch wieder neue Nahrung erhalten.