Als im Frühjahr erste Gerüchte die Runde machten, Galeria Kaufhof wolle sich aus der Tarifbindung verabschieden, wies das Management der Warenhauskette das weit von sich: "Kaufhof-Eigentümer HBC und Galeria Kaufhof bekennen sich zur Tarifbindung und zur Sozial- und Tarifpartnerschaft mit Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften", teilte das Unternehmen damals mit. Inzwischen ist klar: auf derlei Treueschwüre können sich die Beschäftigten nicht verlassen.
Galeria Kaufhof hat angekündigt, eine Art Sanierungstarifvertrag anzustreben. Offiziell ist zwar von einem "neuen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung" die Rede.
Doch die Folgen sind identisch: Tausenden Beschäftigten drohen erhebliche finanzielle Einschnitte.
Die Gespräche mit der Gewerkschaft Verdi seien bereits aufgenommen worden, teilte das Unternehmen mit. Die deutsche Tarifautonomie sehe die Möglichkeit vor, Tarifverträge für einzelne Firmen oder Standorte abzuschließen. "Dadurch könnte das Unternehmen kurzfristig notwendige Einsparungen erzielen" und dafür sorgen, "dass die Schere zwischen Lohn- und Umsatzentwicklung bei Galeria Kaufhof nicht weiter auseinandergeht." Denn "angesichts der anhaltend negativen Entwicklungen im stationären Einzelhandel, verbunden mit der starken Wettbewerbsverzerrung durch ungleiche Personalkosten braucht Galeria Kaufhof mehr denn je einen modernen und wettbewerbsfähigen Tarifvertrag", heißt es zur Begründung.
Tatsächlich steckt jedoch nicht der gesamte deutsche Einzelhandel in einer Krise, sondern Kaufhof hat sich vor allem mit selbstverschuldeten Fehlern ins Abseits manövriert. Seit Jahren schon sinken die Umsätze. Dem früheren Management gelang es jedoch, trotz des Gegenwinds in der Gewinnzone zu bleiben. Das änderte sich erst, nachdem 2015 der kanadische Handelskonzern HBC Kaufhof vom Düsseldorfer Metro-Konzern übernahm.
Das ist die Hudson's Bay Company
Die Hudson´s Bay Company ist Kanadas größtes Kaufhaus und gilt als ältestes Unternehmen Nordamerikas. Die Geschichte von HBC begann 1670, als Charles II von England der Company Eigentum über Land und Bodenschätze in Kanada übertrug. Der damals vollständige Name der Unternehmung: „The Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“.
Rund 200 Jahre kontrollierte HBC vor allem den lukrativen Handel mit Pelzen, dann kaufte Kanada der Gesellschaft die Rechte wieder ab. HBC änderte daraufhin die Ausrichtung, stieg in den Großhandel ein und versorgte Siedler. Auch in der Schifffahrt und im Handel mit Öl und Gas war HBC tätig, bevor sich die Gesellschaft in den 1990er Jahren wieder auf den klassischen Einzelhandel konzentrierte.
Die Hudson’s Bay Company fokussierte sich stets auf Aktivitäten in Kanada und Nordamerika - bis 1970 war ihr Sitz aber London.
Die Historie der HBC ist derart eng mit der Kanadas verknüpft, dass seine Chefs bis heute Gouverneure heißen. Heute hat diesen Posten der US-Amerikaner Richard Baker inne, der das Unternehmen 2008 erwarb. Baker gilt als strategischer und ehrgeiziger Konzernlenker
Schon vor der HBC-Übernahme hatte Baker 2006 amerikanisch Traditionskaufhauskette Lord & Taylor für knapp eine Milliarde Euro gekauft und das Geschäft durch Beleihung der Immobilien finanziert. Auch den vollständigen Kauf der Hudson’s Bay Company im Jahr 2008 finanzierte Baker hauptsächlich durch Schulden. Für rund 2,2 Milliarden Euro kaufte HBC 2013 schließlich die amerikanische Nobelkette Saks Fifth Avenue und deren Ableger OFF 5th. Erneut die entscheidende Geldquelle: beliehene Immobilien. 2015 machte der Konzern klar, in Zukunft auch außerhalb des nordamerikanischen Marktes wachsen zu wollen - durch Zukäufe wie Kaufhof. Neuestes Projekt ist die Einführung der Discount-Luxuskette Saks Off 5th in Deutschland.
Neben der namensgebenden Hudson’s Bay Company gehören zum HBC-Imperium eine ganze Reihe von Handelsunternehmen in Nordamerika. In Kanada ist es die Einrichtungshauskette Home Outfitters. In den USA hat HBC das Luxuskaufhaus Lord & Taylor, die Edelkaufhauskette Saks Fifth Avenue und deren Discount-Designer-Ableger Saks Fifth Avenue OFF 5th übernommen.
Als starkes Rückgrat der Hudson’s Bay Company gelten die Warenhausimmobilien im Besitz des Konzerns. Ihr Wert wird auf etwa 9,6 Milliarden kanadische Dollar geschätzt, rund 6,7 Milliarden Euro. Allein der Saks Fifth Avenue Flagship Store in New York soll mehr als drei Milliarden Euro wert sein.
Mit Saks Fifth Avenue, der Kernmarke Hudson's Bay, der Modekette Lord & Taylor und dem Haushaltswarenhändler Home Outfitters machte HBC zuletzt einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro und rund 420 Millionen Euro Gewinn.
Der erste Laden der amerikanischen Luxux-Kaufhauskette wurde 1924 von Horace Saks zusammen mit einer Geschäftspartner auf der New Yorker 5th Avenue eröffnet. 1992 gründete das Unternehmen sein erstes Outletgeschäft in Pennsylvania. Als 1995 weitere Läden eröffnet werden sollten, wurde das Geschäft in Saks Off 5th umbenannt. 2013 übernahm HBC das Unternehmen. Im Jahr 2016 gab es weltweit 41 Fililalen von Saks Fifth Avenue und 117 von Saks Off 5th.
Unter kanadischer Führung geht es seither rapide abwärts. Das Geschäft lahmt, die Umsätze bröckeln, vor wenigen Monaten wurde im Kölner Hauptquartier der Chef ausgetauscht. Mit aggressiven Rabatten hatte das Unternehmen zuvor Marge verschleudert.
Bisheriger Tiefpunkt: Der Warenkreditversicherer Euler Hermes schockte Kaufhof-Lieferanten und kappte rigide die bisherigen Kreditlimits. Ihre Forderungen gegen die Handelskette sind künftig zu einem weit geringeren Anteil abgesichert als bisher.
Die Kaufhof-Beschäftigten sind alarmiert
Erst nach teils hektischen Telefonaten gelang es der Kaufhof-Truppe um Neu-Chef Wolfgang Link ihre Geschäftspartner zu beruhigen. Die Beschäftigten sind ohnehin alarmiert – und dürften sich nun bestätigt fühlen. So wurde Link in einem Interview im Mitarbeitermagazin kürzlich zu möglichen „Einschnitten in der Komfortzone“ befragt. Die ausweichende Antwort: „Wir alle müssen bereit für Veränderungen sein“.
Inzwischen scheint absehbar, was er damit meint. Kürzungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ein Verzicht auf Tariferhöhungen oder auch niedrige Einstiegsgehälter sind möglich. Kaufhof will im Gegenzug langjährige Arbeitsplatzgarantien bieten, jedoch keine Standortgarantien, berichtet das „Handelsblatt“.
Für Verdi ist der Vorstoß heikel. Auch dem Kaufhof-Wettbewerber Karstadt hatte die Gewerkschaft Sonderkonditionen für die Sanierung eingeräumt. Umso heikler wäre es nun, Kaufhof entsprechende Zugeständnisse zu verweigern. Gleichwohl könnte Verdi darauf drängen, dass auch weitere Beteiligte finanzielle Beiträge leisten. Das gilt vor allem für die Vermieter.
So hatte HBC vom Kaufhof-Verkäufer Metro neben dem operativen Geschäft auch 59 Warenhausimmobilien übernommen. Um den Kaufpreis von 2,8 Milliarden Euro zu stemmen, wurden 41 Standorte sofort an ein Gemeinschaftsunternehmen von HBC und einem US-Immobilienkonzern weiterverkauft. Darunter die Kaufhof-Flaggschiffe auf der Düsseldorfer Königsallee, der Frankfurter Zeil und am Berliner Alexanderplatz. Zudem erhöhten die neuen Hausherren die Mieten kräftig. Das rächt sich nun.
Vor allem die zusätzliche Mietbelastung sei dafür verantwortlich, dass Kaufhof in den ersten fünf Monaten des laufenden Geschäftsjahres Verluste vor Zinsen und Steuern von 47 Millionen Euro schrieb, heißt es intern.
"Die bisherige Strategie bei Kaufhof zielte vor allem darauf, den Immobilienwert der Warenhäuser zu treiben", sagte jüngst bereits der Handelsexperte Gerrit Heinemann der WirtschaftsWoche.
Dass die Mieten steigen, während die Löhne sinken sollen, dürfte bei den Beschäftigten das Engagement im wichtigen Weihnachtsgeschäft nicht unbedingt steigern, heißt bereits intern.