Warenhauskonzern in der Krise Galeria Karstadt Kaufhof beantragt Schutzschirm-Insolvenz

Rolltreppe abwärts: Galeria (Karstadt, Kaufhof) wird keine weiteren Staatshilfen bekommen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Verhandlungen um einen neuen staatlichen Hilfskredit sind gescheitert. Nun will sich Deutschlands letzte große Warenhauskette in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren sanieren. Wie 2020 drohen harte Einschnitte.

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Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof will sich in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren sanieren. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat der Handelskonzern heute einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht Essen eingereicht.  

Bei der auf Sanierung ausgerichteten Insolvenzvariante übernimmt ein gerichtlich bestellter Sachverwalter die Aufsicht über die Rettungsmission, während die Unternehmensführung weiterhin die Kontrolle behält, aber von einem externen Sanierungsexperten beraten wird. „Das Schutzschirmverfahren kann nur eingeleitet werden, wenn das Unternehmen zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht zahlungsunfähig ist und die Chance auf eine Sanierung besteht“, sagt Insolvenzexpertin Anne Deike Riewe von der Kanzlei Eversheds Sutherland.

680 Millionen Euro im Feuer

Im Fall von Galeria soll der Düsseldorfer Jurist Frank Kebekus nach Information der WirtschaftsWoche die vorläufige Sachwaltung übernehmen. Der Restrukturierer Arndt Geiwitz soll die operative Sanierung leiten. 

Schon im Frühjahr 2020 waren die beiden Insolvenzexperten in gleicher Position beim ersten Schutzschirmverfahren von Galeria im Einsatz. Zahlreiche Filialen wurden damals geschlossen, Tausende Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsplätze. Auch in den kommenden Monaten dürfte es zu erheblichen Einschnitten ins Filialnetz kommen – vor allem nach dem wichtigen Weihnachtsgeschäft. Die Restrukturierer dürften versuchen, den profitablen Kern des Unternehmens zu erhalten. 

Er gehe davon aus, dass „mehr als die Hälfte aller Filialen zur Disposition stehen“, sagte Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms der WirtschaftsWoche. „Neben Einschnitten in das Filialportfolio müssten insbesondere die vorhandenen Kompetenzen im Onlinegeschäft ausgebaut und die Analytikfähigkeiten zur besseren Geschäftssteuerung geschärft werden“, so Funder. 

Zunächst aber wird das Sanierungsteam um Kebekus und Geiwitz versuchen, eine Vorfinanzierung des Insolvenzgelds für die rund 17.000 Mitarbeiter zu organisieren und mit den Lieferanten und weiteren Gläubigern Übergangslösungen auszutarieren. Auch dem Bund kommt dabei eine besondere Rolle zu.    



Bereits Anfang 2021 und dann noch einmal Anfang 2022 hatte das Unternehmen wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie um staatliche Unterstützung gebeten. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) griff dem Traditionsunternehmen in zwei Hilfsaktionen mit insgesamt 680 Millionen Euro unter die Arme und zählt damit zu den zentralen Gläubigern. Inwieweit vereinbarte Sicherheiten für die Notkredite werthaltig sind, wird sich nun zeigen. 

Schon vor mehreren Wochen begann das Management damit, sich für weitere staatliche Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe einzusetzen, stieß dabei aber auf immer mehr politischen Widerstand. Aktuell bekommt Galeria die durch die hohe Inflation und steigende Energie-Preise schlechte Konsumstimmung der Verbraucher zu spüren. Zudem kämpft Galeria mit der Konkurrenz durch Onlinehändler von Amazon bis Zalando, die dem stationären Handel Marktanteile abjagen. „Eine Herausforderung dürfte das Sanierungskonzept werden, in dem die Fortführung des Unternehmens dargestellt wird“, sagt Tillmann Peeters, Gründungspartner und Geschäftsführer der Restrukturierungsberatung Falkensteg. 




Vorwürfe gegen Benko

Bisher habe noch keiner der bisherigen Eigentümer ein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden, wie das klassische Warenhaus gegen den Online-Handel und die Shoppingcenter bestehen könnten. „Faktisch stammt die Idee noch aus dem vorherigen Jahrhundert und wird offensichtlich von den Kunden nicht mehr angenommen“, so Peeters. Der Schutzschirmantrag sei daher auch keine Überraschung. 

„Die Diskussionen um den weiteren Staatskredit zeigt, dass die Unterstützung von sterbenden Geschäftsmodellen schwierig ist“, so Peeters. „Wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob wir solche Unternehmen auf Steuergelderkosten oder durch wiederholte Gläubigerverzichte am Leben lassen wollen, wie früher die Stahl- oder Werftindustrie“. 

Wenig hilfreich im Bemühen um weitere Staatshilfe dürften neue Vorwürfe gegen den Galeria-Eigentümer gewesen sein. Galeria gehört der Signa Holding des österreichischen Immobilien-Investors René Benko. Diese verfügt unter anderem über ein milliardenschweres Immobilien-Portfolio und stand zuletzt wegen Korruptionsvorwürfen in der Kritik. Die österreichische Staatsanwaltschaft hatte Büros von Signa durchsucht. Die Razzia gilt als Folge einer umfassenderen Untersuchung rund um Thomas Schmid, den ehemaligen Chef der österreichischen Staatsholding Öbag und früheren Generaldirektor im Finanzministerium. 

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Beim Schutzschirmverfahren kommt Signa indes weiter eine wichtige Position zu. Ohne weitere Unterstützung aus Österreich dürfte es schwierig werden, Galeria als eigenständiges Unternehmen zu erhalten. Ob beziehungsweise in welchem Umfang Signa bei Galeria weiter investieren will, ist bislang offen.

Handelsexperte Funder hält auch den Zeitpunkt des Schutzschirmverfahrens für problematisch. Da das für Galeria Karstadt Kaufhof wichtige Weihnachtsgeschäft durch das Verfahren negativ beeinflusst werden dürfte.

Lesen Sie auch: Die dubiosen Geschäftspraktiken des Immobilienkönigs René Benko.

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