Was in unserem Essen steckt Lebensmittel-Lobby wehrt sich gegen mehr Aufklärung

Eigentlich soll das Lebensmittelrecht die Verbraucher vor schlechtem Essen schützen. Doch mächtige Lobbyisten beeinflussen die Politik und wehren sich gegen mehr Transparenz.

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Im Supermarkt sollten Verbraucher lieber genau draufschauen, was drin ist. Quelle: Getty Images

Hand aufs Herz: Kaufen Sie Tiefkühl-Lasagne in Supermärkten? Oder lenkt Sie der Gedanke an Pferdefleisch weg vom Eisfach? Vor einem guten Jahr gab es den letzten großen Lebensmittelskandal in Deutschland, als überall im Land Pferdefleisch in Produkten gefunden wurde, die eigentlich aus reinem Rindfleisch bestehen sollten. Hunderte Tonnen falsch ausgewiesenes Fleisch gelangten über Frankreich und Luxemburg in deutsche Einkaufsmärkte. Ikea musste seine Köttbullar-Frikadellen zeitweise aus den Regalen entfernen, Aldi nahm Dosengulasch aus dem Verkauf, der Lebensmittelgigant Nestlé zog Ravioli zurück.

Bis heute konnte niemand für diesen systematischen Betrug verklagt werden. Den Lieferanten sind bekannt, doch weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit konnten nachgewiesen werden. Für Thilo Bode ist der Pferdefleisch-Skandal ein Beweis dafür, wie sehr die deutschen Verbraucher vom Gesetzgeber vernachlässigt werden. „Die rechtliche Vorsorge funktioniert in der Praxis nicht“, sagt der Geschäftsführer der selbsternannten „Essensretter“ foodwatch. Ein groß angelegter Betrug werde erst dann bemerkt, wenn es zu spät ist: nach dem Verkauf.

Nun fordert Bode in einem neuen Report eine „Generalüberholung des deutschen und europäischen Lebensmittelrechts“. Sein wichtigstes Anliegen: Alle Lebensmittelbetriebe sollen zu eigenen Kontrollen gesetzlich verpflichtet werden. Nur so könnten Unternehmen wegen vorsätzlichen Betrugs oder zumindest wegen Fahrlässigkeit verantwortlich gemacht werden. Bisher stehen Selbstkontrollen nicht ausdrücklich im deutschen Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB).

Die größten Lügen der Lebensmittelindustrie
Der Name kann über Erfolg oder Misserfolg eines neuen Produktes entscheiden. Deshalb verpflichten Unternehmen zum Teil extra Namenserfinder: Das hilft aber nicht immer - manchmal sind die Namen irreführend und es versteckt sich nicht das dahinter, was man auf den ersten Blick erwartet. "Crispy Chicken" ist schlichtweg paniertes Hähnchenbrustfilet und in einem Frischkäse mit Ziegenmilch wird nicht nur Ziegenmilch drin sein, sondern auch andere Milchbestandteile. Ein Blick auf die Rückseite hilft den "richtigen" Bestandteilen auf die Spur zu kommen.Der Ratgeber "Lebensmittel-Lügen – wie die Food-Branche trickst und tarnt" deckt diese und andere 'Lügen' auf. Er ist für 9,90 Euro bei allen Verbraucherzentralen oder im Internet unter www.vz-ratgeber.de erhältlich. Quelle: dpa
Man vermutet es nicht, aber nicht selten versteckt sich Alkohol in der Zutatenliste - das ist vor allem für Alkoholiker gefährlich, die schon bei kleinsten Mengen rückfällig werden können. Achtung: Sollte sich nur eine sehr geringe Menge Alkohol in den Lebensmitteln verstecken, kann das häufig auch als Trägerstoffe oder Lösungsmittel getarnt sein und taucht dann nur als Aroma auf. Quelle: dpa
Immer mehr Verbraucher achten bei ihrem Einkauf auf regionale Produkte - das kann sich aber schnell als Lüge entpuppen. Denn ein einheitliches Gesetz gibt es dafür nicht, sondern es liegt im Ermessen der Anbieter, ob die Produkte wirklich regional sind, also dort hergestellt wurden oder nur dort verkauft werden. Man sollte sich also ganz genau die Verpackung anschauen. Quelle: dpa
Für Zutaten, die - meist verführerisch - auf Gläsern, Verpackungen oder Dosen abgebildet sind, besteht eine "Mengenkennzeichnungspflicht", die anzeigt, wie viel davon tatsächlich im Produkt steckt. Vorsicht ist noch an anderer Stelle geboten: Steht auf der Verpackung der Hinweis "Serviervorschlag", dann entfällt eine Kennzeichnungspflicht. Zutaten, die dann auf dem Glas gezeigt werden, sind oft gar nicht enthalten, kritisiert die Verbraucherzentrale. Quelle: dpa/dpaweb
Noch eine Lüge kann sich hinter dem Terminus 'Hausfrauenart' verstecken. Denn neben der Regionalität der Produkte liegen auch solche im Trend, die auf Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe verzichten. Es erklärt sich allerdings beinahe von selbst, dass die Produkte aus dem Supermarkt, vor allem in der Vielzahl, wie sie dort stehen, direkt aus dem Kochtopf von Oma in das Glas hüpfen. Quelle: dpa
Lecker und gesund schließt sich leider in der Mehrzahl der Fälle aus: Die Wahrheit zeigt dann ein Blick auf die Nährwerttabelle - und hilft dabei die Lebensmittel, die zwar mit einer "Extraportion Milch" werben, aber verschweigen, dass da auch mehr Zucker und mehr Fett drin ist, zu entlarven. Quelle: dpa
Immer mehr Hersteller ersetzten Originalzutaten durch Billigstoffe und deklarierten das nicht deutlich genug auf der Verpackung, kritisieren Verbraucherschützer. Ein weiteres Problem: Oft fehlt das Zutatenverzeichnis ganz oder ist nur schwer lesbar. Ausnahmen darf es etwa bei Käse oder Getränken mit Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Prozent geben, sonst aber nicht. Der Verbraucherschutz empfiehlt deshalb, sich beim Hersteller zu beschweren, wenn das Verzeichnis fehlt. Quelle: AP

Den rechtlichen Rahmen gibt die EU vor: Seit dem Skandal um BSE-verseuchtes Rindfleisch im Jahr 2002 gilt eine europaweite Verordnung mit Grundsätzen zum Lebensmittelrecht. Für den Verbraucher entscheidend sind die Vorsorgepflicht und die Prävention: Unternehmen müssen selbst dafür sorgen, dass ihre angebotenen Produkte sicher sind. Drin sein darf nur, was draufsteht. Außerdem soll die Lieferkette nachvollziehbar sein, um bei gesundheitsgefährdenden Produkten schnell reagieren zu können. So weit, so theoretisch. Umsetzen müssen die Staaten diese Verordnung selbst und genau da sieht Bode große Mängel. „In Deutschland verhindert das Gesetz den Verbraucherschutz“, schimpft der 67-Jährige.

Feindbild Lebensmittel-Lobby

Seine Gegner sind Lebensmittel-Lobbyisten, allen voran der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Bode wirft dem mächtigen Spitzenverband vor, sich bewusst gegen schärfere Kontrollen einzusetzen und damit den Verbrauchern zu schaden.

Marcus Girnau, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes, hält Bodes Anschuldigungen für pauschal und völlig unangemessen. „Der Frontalangriff wundert mich“, sagte Girnau im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. Das rechtliche Instrumentarium sei ausreichend. Und: Unternehmen könnten es sich gar nicht leisten, auf vernünftige Kontrollen zu verzichten. „Der drohende Imageschaden bei Lebensmittelskandalen ist zu groß.“ Während der Berichterstattung über den Pferdefleischskandal ist der Kauf von Tiefkühlfleisch zwar zurückgegangen. Doch im gesamten Jahr 2013 ist der Absatz von Tiefkühlfertiggerichten sogar gewachsen, berichtet der Branchenverband Deutsches Tiefkühlinstitut.

Pferdefleisch-Betrieb arbeitet inkognito weiter

Verbandssprecher Girnau räumt ein, dass Eigenkontrollen zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben seien. Doch die meisten Unternehmen würden sehr wohl kontrollieren – und zwar dreistufig: durch eigene Proben, durch Lebensmittelkontrolleure und durch externe Gutachter. Wie aber konnte dann diese Masse an falsch ausgewiesenem Fleisch trotzdem in Umlauf geraten? „Klar“, sagt Girnau, „da hätten sich die großen Abnehmer besser bei ihren Zuliefern umsehen müssen“. Mit den „großen Abnehmern“ meint er auch den französischen Handelsbetrieb, der im vergangenen Jahr Hunderte Tonnen Pferdefleisch als Rindfleisch verkaufte. Allerdings hätte es bis dahin nie einen Anlass gegeben, die Ware auf Pferdefleisch zu überprüfen. „Das war ein Einzelfall“, meint Girnau. „Um dem stetig nachzugehen, müsste man genauso gut auf Kängurufleisch prüfen“.

Der Verbandssprecher glaubt nicht, dass konkrete gesetzliche Vorschriften zur Selbstkontrolle möglich sind. Kleinere Lebensmittelbetriebe würden dadurch benachteiligt. Die könnten sich im Gegensatz zu großen Unternehmen keine aufwendigen Kontrollen oder eine transparente Rückverfolgung leisten. Im Gegensatz zu Bode, der glaubt, dass ein Lebensmittelskandal jederzeit wieder möglich sei, sieht der Verbandssprecher positive Veränderungen in der Branche: „Nach Gesprächen mit den Unternehmen gehe ich davon aus, dass die Lieferanten jetzt genauer ausgesucht werden“.

Objektive Beweise hat er aber nicht, dafür fehlen ihm die nötigen Informationen. Und ganz so einfach ist das Aussuchen der Lieferanten keineswegs: Spiegel Online hat herausgefunden, dass die Unternehmen, welche das Pferdefleisch nach Deutschland gebracht haben, unter anderem Namen weiterarbeiten.

Was steckt in unserem Essen?
Gestreckter KaffeeUm mehr Geld zu verdienen kommt es immer wieder vor, dass Hersteller ihren Kaffee strecken. Dafür mischen sie laut einer NDR-Reportage den gemahlenen Bohnen zu etwa zehn Prozent den Stoff Maltodextrin bei. Dabei handelt es sich um eine Zuckerart, die in der Lebensmittelindustrie als günstiger Füllstoff eingesetzt wird. Auch Karamell wird zum Strecken verwendet. Kunden sollten im Supermarkt bei der Aufschrift "Melange" hellhörig werden. Auch im Kleingedruckten geben die Hersteller an, ob sie das Produkt gestreckt haben. Damit gibt es keine rechtlichen Konsequenzen. Quelle: dpa
Ewig frisches FleischSeit Tagen liegt das Hackfleisch im Kühlschrank und noch immer sieht es frisch aus. Die Lebensmittelindustrie macht es möglich, indem sie einfach ein Gasgemisch mit viel Sauerstoff in die Verpackung pumpt. Dadurch bleibt das Fleisch optisch frisch. Am Geschmack lässt sich das Alter dann aber doch erkennen. Das Max-Rubner-Institut hat herausgefunden, dass derartig behandelte Ware ranzig schmeckt. Außerdem soll das Gasgemisch das Wachstum bestimmter Bakterien fördern. Quelle: dpa
Gefärbte OlivenIm Handel werden sowohl schwarze als auch grüne Oliven vertrieben. Schwarze Oliven gelten dabei als besondere Delikatesse, da sie schon reif und damit vollmundiger im Geschmack sind. Die grünen Oliven sind noch sehr jung und damit eher herb und säuerlich im Geschmack. Weil sich die schwarzen Exemplare besser verkaufen lassen, sind findige Hersteller auf die Idee gekommen, grüne Oliven einfach schwarz zu färben. Rein optisch ist es sehr schwer die echten von den gefälschten schwarzen Oliven im Glas unterscheiden zu können. Wer wissen will, welche Oliven er kauft, muss einen Blick auf die Zutatenliste werfen. Sind die Stabilisatoren Eisen-2-Gluconat oder Eisen-2-Lactat aufgelistet, handelt es sich um Trickserei. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Natürliche AromenVielen Verbrauchern ist es wichtig, dass in Produkten keine oder zumindest wenig Chemie enthalten ist. Wer aber darauf vertraut, dass in einer Erdbeermarmelade mit "natürlichen Aromen" nur Erdbeeren und Zucker enthalten sind, der kann sich täuschen. Natürliche Aromen können nämlich auch pflanzliche Öle sein, die dem Obstgeschmack nahe kommen. Quelle: dpa
PestoSo beklagt die Verbraucherorganisation Foodwatch, dass beispielsweise im Pesto Verde der Marke Bertolli (Unilever) Cashewnüsse, Pflanzenöl, Aroma und Säuerungsmittel enthalten sind. Dabei wirbt Unilever mit "original italienischer Rezeptur", "nur die besten Zutaten", "feinstes Bertolli Olivenöl" und Pinienkernen. Mehr als ein Fingerhut voll Olivenöl muss aber gar nicht drin sein und auch die teuren Pinienkernen müssen nur zu einem geringen Teil enthalten sein. Quelle: Fotolia
PuddingAuch im Pudding muss nicht drin sein, was draufsteht: So reicht es beispielsweise, wenn im Schokoladenpudding ein Prozent echtes Kakaopulver enthalten ist. Der Rest darf eine bunte Mischung aus Aromen, Zucker, Fett und Gelatine sein. Nur wenn weniger als ein Prozent Kakao - also Schokolade - im Schokopudding ist, muss das entsprechend deklariert werden. Quelle: dpa/dpaweb
FruchtsaftgetränkeAuch bei Fruchtsäften müssen Verbraucher aufmerksam sein. Nur, wenn auf der Packung "Fruchtsaft aus 100 Prozent Frucht" steht, ist tatsächlich nichts anderes drin. Die deutsche Fruchtsaftverordnung erlaubt allerdings auch die Verwendung von Fruchtsaftkonzentrat und 15 Gramm zusätzlichem Zucker pro Liter Saft. Saft aus Zitronen, Limetten, Bergamotten und schwarzen, roten oder weißen Johannisbeeren darf mehr Zucker zugesetzt werden. Beim Fruchtnektar handelt es sich dagegen um eine Mischung aus Fruchtsaft und/oder Fruchtmark, Wasser und Zucker. Der Fruchtanteil beträgt 25 bis 50 Prozent. Noch niedriger ist der Fruchtanteil bei Fruchtsaftgetränken: Bei Orangensaft liegt dieser bei sechs Prozent, bei Traubensaft und Apfelsaft bei 30 Prozent. Bei Eistees reicht es, wenn Obst auf der Packung abgebildet ist, enthalten sein muss keins. So beanstandet Foodwatch den Pfanner-Eistee "Zitrone-Physalis", in dem die Menge an Physalis ist so gering ist, dass sie nicht einmal deklariert werden muss. Im zwei-Liter-Karton sind außerdem enthalten: 44 Stück Würfelzucker, 15 Prozent gelber Tee, Aromen und E330 (Zitronensäure). Quelle: dapd

Ob Eigenkontrollen tatsächlich per Gesetz verordnet werden, entscheidet am Ende die Politik. Genauer: der neue Minister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt (CSU). Auf den ist foodwatch-Gründer Thilo Bode gar nicht gut zu sprechen. „Von dem halte ich nix, der macht sich zum Büttel der Industrie“, schimpft der 67-Jährige. Anstatt die Verbraucher mit konkreten Gesetzen zu mehr Vorsorge zu schützen, ließe sich der Minister stark von den Verbänden beeinflussen. Die Folge: keine schärferen Kontrollen, sondern lediglich Empfehlungen, die Ware regelmäßig zu kontrollieren und Hygieneverstöße zu melden. In dem deutschen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) erkennt der Verbraucherschützer die Handschrift der Lobbyisten.

„Legaler Etikettenschwindel“

Das Landwirtschaftsministerium wehrt sich gegen den Vorwurf, die Verbraucher nicht ausreichend zu schützen. „Der Pferdefleischskandal war ein krimineller Einzelfall, gegen den das bestehende Kontrollsystem machtlos war“, sagte ein Sprecher des Ministers zu WirtschaftsWoche Online. Aufgrund eines einzigen Falls gleich die ganzen Gesetze in Frage zu stellen, sei verzerrend. „Allgemein ist der rechtliche Rahmen ausreichend gegeben.“

Während Nichtregierungsorganisationen wie foodwatch gegen Lobbyisten und Politiker um das Recht auf sicheres Essen kämpfen, stehen Verbraucher tagtäglich vor den Supermarktregalen. Etiketten versprechen 100 Prozent Rindfleisch, natürliche Aromen im Jogurt und Milchgetränke, die gesund machen. Aber was steckt wirklich hinter den Versprechen, und wo schwindeln die Hersteller?

Wenn man weiß, dass etwa die Aufschrift „natürliches Aroma“ auf einem Erdbeer-Jogurt nichts mit Erdbeeren zu tun haben muss, sondern sich auch auf irgendeinen anderen Rohstoff aus der Natur beziehen kann. Oder dass auf Teeverpackungen auch Früchte gedruckt werden dürfen, von denen nicht einmal ihr Aroma im Tee enthalten sind. Ganz zu schweigen von dem Versprechen von „alkoholfreiem Bier“ mit einem Alkoholgehalt von bis zu 0,5 Volumenprozent. Dann ist der unbehagliche Gedanke an „legalen Etikettenschwindel“ nicht weit.

Gastronomenlobby wehrt sich gegen Internet-Pranger

Nora Dittrich, Lebensmittel-Expertin der Verbraucherzentrale NRW, kennt diese Fälle. „Sie zeigen, dass im Supermarkt einige Produkte kursieren, bei denen die schwammige Rechtslage eine irreführende Etikettierung zulässt“, sagt sie. Immerhin gibt es seit drei Jahren das Portal lebensmittelklarheit.de, gefördert von den Verbraucherzentralen und dem Landwirtschaftsministerium. Dort können sich Verbraucher öffentlich über Produkte beschweren, von deren Verpackungen sie sich falsch informiert fühlen. Aktuell sind 319 verschiedene Waren aufgelistet, bei denen das Portal „nachvollziehbares Täuschungspotenzial“ sieht.

Wie sich Unternehmen und Verbände gegen mehr Transparenz bei Lebensmitteln wehren, zeigt auch ein Blick auf Hygienekontrollen in Restaurants.  Im September 2012 wurde per Gesetz beschlossen, dass die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen öffentlich gemacht werden. Konkret nutzte etwa der Regierungsbezirk Berlin-Pankow ein Smiley-System, um Restaurantbesuchern zu zeigen, ob der Laden sauber ist. Lachendes Gesicht? Alle sauber. Trauriges Gesicht? Hygienemängel.

Restaurants klagen gegen öffentliche Kontrollergebnisse

Weniger zum Lachen fanden das die angeprangerten Restaurants, sie zogen vor Gericht – und erreichten einen Unterlassungsanspruch. Den Kommunen, die Hygienemängel von Restaurants mit Name und Adresse veröffentlicht haben, drohen nun Schadensersatzforderungen. Deshalb werden aktuell keine Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen mehr in Deutschland veröffentlicht, trotz angeblich „ausreichender Gesetzeslage“. Das Landwirtschaftsministerium „bedauert das“. Und verspricht: Noch in diesem Jahr soll eine neue Gesetzesgrundlage geschaffen werden, um den Verbrauchern wie angedacht die Informationen zukommen zulassen.

Foodwatch will nicht auf die Politik warten und hat eine „Smiley-Offensive“ gestartet. Namhafte deutsche Köche und Gastronomen fordern ein System wie in Dänemark, wo für alle Restaurants die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen auf einer Internetseite gesammelt sind. Nach der Einführung habe sich bei unserem nördlichen Nachbarn die Zahl der Hygieneverstöße deutlich reduziert, argumentieren die Befürworter.

Lebensmittelkontrollen in anderen Ländern

Unterstützt werden sie von Volkes Stimme: Eine repräsentative Umfrage hat ergeben, dass sich neun von zehn Deutschen ein Smiley-System wünschen. Der Gastronomenverband Dehoga läuft Sturm gegen diese Transparenzoffensive: „Der Internetpranger stellt alle Gastronomen unter Generalverdacht und ist ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit“, heißt es aus dem Verband. Wenn das Gesetz dieses in den nächsten Monaten geändert werden soll, werden die Lobbyisten ihre Meinung lautstark zur Geltung bringen.

Bis sich die Rechtslage verändert, setzt die Politik vor allem auf Lebensmittelkontrolleure, um sicheres Essen zu garantieren. Ein Jahr nach dem Pferdefleischskandal gibt es immer noch sehr viel zu tun. Das Land Baden-Württemberg hat gerade seinen Jahresbericht veröffentlicht, demnach mussten die Kontrolleure pro Arbeitstag sechs Lebensmittelbetriebe schließen – darunter fallen Produzenten, Vertriebe oder Verkäufer.

Der Bericht spart nicht an Details: „In solchen Fällen spielt oft starker Schädlingsbefall mit Mäusen, Ratten oder Kakerlaken eine Hauptrolle; wegen der möglichen Gesundheitsgefahren musste sofort gehandelt werden.“ In einem von vier kontrollierten Betrieben stellten die Prüfer Verstöße gegen das Lebensmittelrecht fest. Allerdings sind die Beanstandungsquoten nicht repräsentativ für das gesamte Bundesland, weil sich die Prüfer bewusst Betriebe heraussuchen, die ein gewisses Risiko bergen. Die gute Nachricht für alle Tiefkühl-Fleischliebhaber: In den 161 Proben im ersten Halbjahr 2014 wurden keine Spuren von Pferdefleisch entdeckt.

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