Die digitale Welt steckt voller Wunder. Einerseits wünschen sich fast die Hälfte der Verbraucher einen „mitdenkenden“ Kühlschrank in ihrem Smart Home, andererseits beginnen erste Unternehmen ihre digitalen Werbeausgaben einzufrieren.
Kein Wunder: Nach einer US-Studie, die die Forscher von Lumen mit Blickaufzeichnungsgeräten durchführten, wird nur jede dritte Displayanzeige überhaupt angesehen. Und nur neun Prozent dieser Banner werden wenigstens eine Sekunde lang betrachtet. Für die Forscher ist Displaywerbung daher „wasted money“, rausgeschmissenes Geld.
Die Werber müssen sich schleunigst etwas einfallen lassen. Da kommen Augmented und Virtual Reality wie gerufen. Dass solche Anwendungen erfolgreich für Automobilwerbung eingesetzt werden können - das braucht nur wenig Fantasie. Den Pkw-Herstellern laufen die jungen Käufer derzeit in Scharen davon. Sie brauchen also mehr denn je einen modernen, zeitgemäßen Auftritt. Pikachu lässt grüßen.
Doch nicht nur technologiegetriebene Unternehmen sollten sich mit dem neuen Trend beschäftigen. Im Textileinzelhandel werden wir demnächst Kleider anprobieren können, ohne uns dafür umziehen zu müssen. Augmented Reality macht’s möglich.
Die Chancen der digitalen Realität gelten erst recht für Touristikwerbung. Reiseunternehmen werden uns den Flug (sic!) oder die Bahn- und Kreuzfahrt hautnah erleben lassen und uns in fremde Welten entführen. Eher müssen sie Acht geben, das Erlebnis nicht so faszinierend und realistisch zu machen, dass es die Reise selbst ersetzt. Da lauert Gefahr.
„Pokémon Go“: Kleine Kampf-Monster erobern die Welt
Es ist das erste Mal, dass man „Pokémon“ auf dem Smartphone spielen kann. Der japanische Spiele-Anbieter Nintendo brachte die beliebten Figuren bisher nur in Games für die hauseigenen Konsolen heraus. Inzwischen jedoch wechseln immer mehr Spieler auf Smartphones und Nintendo konnte diesen Trend nicht mehr ignorieren.
„Pokémon“ ist eine Wortbildung aus „Pocket Monster“ - Taschenmonster. Zum ersten Mal tauchten sie 1996 in einem Spiel in Japan auf. Die „Pokémon“ sind darauf versessen, gegeneinander zu kämpfen. Der Spieler fängt sie als „Pokémon-Trainer“ mit Hilfe weiß-roter Bälle ein und bildet sie aus. Im „Pokémon“-Universum gibt es mehr als 700 Figuren. Die beliebteste dürfte „Pikachu“ sein - ein kleines gelbes Monster mit einem Schwanz in der Form eines Blitzes. Neben den Videospielen blüht ein gewaltiges Geschäft mit Sammelkarten und allen möglichen anderen Fanartikeln von Plüschfiguren bis Brotdosen.
Im Grunde geht es auch hier darum, „Pokémon“ zu fangen und dann gegeneinander antreten zu lassen. Der Clou ist jedoch die Standort-Erkennung (GPS) auf dem Smartphone. Die „Pokémon“ verstecken sich an verschiedenen Orten - und ein Spieler sieht sie nur, wenn er in der Nähe ist. Dann werden die Figuren auf dem Display des Telefons in die echte Umgebung eingeblendet („Augmented Reality“). In den USA, Neuseeland und Australien sammelten sich schon große Menschenmengen an Orten mit populären „Pokémon“ an. Die kleinen Monster reagieren auf die virtuelle Umgebung: So tauchen Wasser-Pokémon besonders häufig in der Nähe von Flüssen oder Seen auf.
Es wurde gemeinsam entwickelt von der Nintendo-Beteiligung Pokémon Company und der ehemaligen Google-Tochter Niantic Labs. Letztere hatte unter dem Dach des Internet-Konzerns das ebenfalls auf Ortungsdaten basierte Spiel „Ingress“ programmiert. In ihm kämpfen zwei Lager um virtuelle Portale, die an verschiedenen Orten platziert wurden.
Der Kosmetikbranche eröffnet Augmented Reality gänzlich neue Präsentationsmöglichkeiten. Die erweiterte Realität wird Frauen erleben lassen, wie sich ihre Haut sichtbar verjüngt, wenn sie nur auf die Marke XY vertrauen. Die Hersteller werden allerdings noch mehr darauf achten müssen, dabei die „Realität“ nicht aus den Augen zu verlieren. Augmented wird die Werbung - zum Ärgernis mancher Werber - zwangsläufig ehrlicher machen.
Ungleich schwieriger wird es für die großen Werbeinvestoren aus der Nahrungsmittelindustrie und den schnelldrehenden FMCG-Konsumgütern. Nicht jeder Konsument wird bereit sein, sich der Augmented-Welt eines Joghurts oder Badreinigers hinzugeben.
Das jedoch hängt einzig von der Kreativität der Werber ab. Die genialen Ideen kann ihnen Augmented Reality nicht abnehmen. Im Gegenteil: In der Brave New Digital World ist mehr Kreativität gefragt denn je. Wir dürfen gespannt sein.