Werbesprech
Menschen fahren im Rahmen einer

Generation Z bringt große Marken in Bedrängnis

Die Werbewirkung sinkt weltweit, Unternehmen suchen verzweifelt neue Wege für ihre Marken. Sie kündigen massive Investitionen ins Marketing an. Doch an der Generation Z könnten ihre Lösungen scheitern.

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Der Chef des Milka-Herstellers Mondelez, Dirk van de Put, findet drastische Worte: „Die Tage der großen Marken sind vorbei.“ Er warnt vor dramatischen Marktverwerfungen. Die Konsumenten hätten sich verändert, wollten immer mehr Auswahl, insbesondere online, wo sie alles haben könnten. Die sogenannten Millennials wollten nicht mehr die Marken ihrer Eltern. Es werde große Gewinner und große Verlierer geben.

Die Unternehmen, so lautet der Vorwurf, haben ihre erfolgreichen Marken zu lange ausgequetscht und zu wenig investiert. Sparen zugunsten der Rendite – so lautete jahrzehntelang ein Glaubenssatz großer Markenartikler. Van der Put erläutert: „Die Margen sind gestiegen, indem wir extrem stark auf Kosten geschaut haben. Irgendwann aber schädigt das die Unternehmen – deshalb steuern fast alle um, auch wir.“ Möglicherweise kommt diese Erkenntnis zu spät. Die Unternehmen hätten ihre wertvollen Marken dann schlichtweg kaputtgespart.

Klaus-Dieter Koch von der Markenagentur Brand-Trust kommentiert die Situation: Handel und Konsumenten verlören den Glauben an die Kraft großer Weltmarken und schwenkten zu kleineren, liebevoller gepflegten Marken um. Der Begriff Liebe in diesem Zusammenhang verdient Beachtung. Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, dass die großen Unternehmen weder ihre Marken noch ihre Konsumenten wertschätzen.

Global verlieren die Weltmarken Marktanteile an kleinere Unternehmen. Laut Beiersdorf-Chef Stefan De Loecker hätten kleine, spezialisierte Marken 40 Prozent des europäischen Hautpflegemarktes erobert. Sie alle seien eine Bedrohung für die Weltmarke Nivea.

Konsumenten halten Marken für komplett verzichtbar

Laut der jüngsten Studie „Meaningful Brands“ der Agenturgruppe Havas könnten 77 Prozent der Marken verschwinden – und niemanden würde es interessieren. Seit Beginn der Studie im Jahr 2008 ist das der höchste je gemessene Wert. Noch nie waren so viele Marken für die Menschen komplett verzichtbar. Nun muss dringend investiert werden. Mehrere große Unternehmen, neben Mondolez und Beiersdorf auch Unilever, Kraft-Heinz und Henkel, kündigten inzwischen an, zusätzliches Geld in Marketing zu investieren. Mittelfristig, so hoffen sie, verhindern Mehrausgaben in Höhe von jeweils Hunderten Millionen Euro einen weiteren Wertverlust.

Auch gegen die sinkende Werbewirkung finden die Unternehmen kein Mittel. Dank der Erweiterung der Medienlandschaft um digitale Kanäle steigt nicht nur die Zahl der Werbebotschaften, die auf die Endverbraucher niederprasseln. Der Verbraucher wird gleichzeitig immer resistenter gegen die werblichen Bemühungen der Industrie.

Werbewirkung im Sinkflug

Die Kampagnenwirkung lässt logischerweise nach. Das bestätigen Wissenschaftler aus aller Welt. Der angesehene Marketing-Professor Mark Ritson schreibt in „Eat Your Greens“: „Marketing effectiveness is on the steady decline…“ Ein weiteres Zitat: „Recent analysis… demonstrates a significant decline in advertising effectiveness…“ Die Werbewirkung befindet sich unablässig im Sinkflug.

Dagegen sollen nun ausgerechnet höhere Investitionen in digitale Medien helfen. Markenexperte Koch: „Gerade junge Konsumenten wollen mit den Herstellern direkt kommunizieren. Die Konzerne müssen nun eigene Abteilungen aufbauen, die Ressourcen und Kompetenzen haben, etwa über Social Media für das Unternehmen zu sprechen.“

Dieser Weg gilt in der Branche keinesfalls als unumstritten. Denn die Zahl der Menschen, die tatsächlich via Facebook und Co mit den Marken kommunizieren, ist mikroskopisch klein. Dennoch bleibt das Problem, dass junge Verbraucher immer schwerer über die herkömmlichen Werbekanäle TV und Print zu erreichen sind. Hier rückt insbesondere die um den Jahrtausendwechsel geborene „Generation Z“ ins Blickfeld der Markenartikler.

Der Kampf um die Generation Z

Die Digital Natives, liebevoll „Gen Z“ genannt, sind ein neuer Typus Verbraucher, der den Konsum verändern wird, da sind sich die Experten sicher. Sie sind freiheitsliebend, andererseits sind ihnen Leistung und Karriere nicht so wichtig wie den Generationen vor ihr. Sie sind weniger risikobereit und sparwütig wie nie zuvor.

Eine Studie des Bundesverbandes deutscher Banken zeigt: So selbstbewusst sie sich durch digitale Sphären bewegen, so unsicher sind sie, was ihre wirtschaftlichen Zukunftschancen anbelangt. 85 Prozent der nach 1995 Geborenen betonen, dass es für sie „sehr wichtig“ oder „wichtig“ sei, im Leben nach Sicherheit zu streben. Sie sind ein Rätsel.

Sie werblich zu erreichen, ist nicht leicht. Sie lesen kaum mehr Zeitungen oder Magazine und sehen deutlich weniger fern. Sie kommunizieren über Sprachnachrichten und mit Alexa, organisieren sich mittels Apps und nutzen überwiegend digitale Kanäle. Stephan Thun, CEO von MaritzCX, erteilt zehn Ratschläge für Unternehmen, die die Generation Z erreichen wollen:

Man müsse den jungen Leuten „Live-Erlebnisse“ geben und sie personalisiert ansprechen. Man müsse Erwartungen erfüllen und sie als „eigenständige Individuen“ behandeln. Was wie eine Szene aus „Das Leben des Brian“ klingt, wirkt schnell ernüchternd. Denn: „Die jungen Menschen haben eine deutlich kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Werden sie von unnötigen Zusatzinformationen oder Abläufen abgelenkt, sind sie schnell verloren.“ Ein trauriges Bild der jungen Generation.

Wo bleiben die Investitionen?

Nach wie vor verschieben die Unternehmen ihre Budgets daher immer weiter von den klassischen Medien in digitale Kommunikation, wo jedoch drei Viertel der Digital-Spendings bei Google und Facebook landen. Gleichzeitig werden die Online-Werbeplattformen von großen Werbungtreibenden wie Unilever und Procter & Gamble scharf kritisiert. Sie drehen sich quasi digital im Kreis.

Die massiven Investitionen der Markenartikler kommen jedoch nicht dem Werbemarkt zugute. Nach Jahren der Stagnation rutscht der Werbemarkt in Deutschland im ersten Quartal 2019 erstmals deutlich ins Minus. Die Unternehmen investieren keinesfalls in Kampagnen, sondern in Innovationen. Der Agenturmarkt sieht auch vom neuen Geld Unilevers nichts. Die Agenturen spielen in Unilevers neuer Marketing-Ära nur noch eine Nebenrolle.

Mit den anhaltenden Kürzungen der klassischen Medien haben die Unternehmen somit aufgehört ihre Marken (wieder) aufzubauen, ihnen Vertrauen einzuflößen und Begehrlichkeiten zu wecken. Das dürfte sich als Fehler erweisen.

Digital – richtig und falsch zugleich

Seit über 20 Jahren bleiben die digitalen Medien den Beweis schuldig, dass auch sie Marken aufbauen und erhalten können. Die Unternehmen stehen nun vor der Frage, ob sie ihre alten Marken stärken (dazu bräuchten sie die Kraft der traditionellen Medien), oder ob sie in neue Marken investieren, die sie fortan via Facebook, Instagram und Influencer Marketing pushen.

Ob der Weg in die digitalen Medien der richtige war, werden wir in wenigen Jahren wissen. Ob die jährlich 300 Millionen Euro, die Unilever, Henkel und Co jeweils investieren, in den Winde geschossen waren, ebenso. Wenn der Weg falsch war, ist es auch für Beiersdorf, Mondelez und Kraft zu spät, zurückzurudern. Dann gehören sie selbst zu den angekündigten, großen Verlierern. Es wäre ein Untergang mit Ansage.

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