Unzählige Marken, die wie selbstverständlich schon immer zu unserem Alltag gehörten, wurden seinerzeit für die Ewigkeit gemacht: Nivea, Persil, Maggi, Dr. Oetker, Volkswagen, BMW und viele mehr. Man kann sich nicht vorstellen, dass der Tag kommt, an dem es sie nicht mehr gibt.
Und doch rückt dieser Tag immer näher. Gleichzeitig haben neu gegründete Marken eine offenbar immer kürzere Lebensdauer.
Die Hälfte der Konsumgütermarken drohe vom Markt zu verschwinden, hieß es bereits 2006 in einer Studie von Ernst&Young. Sie unterschätzten die Macht der Handelsketten und deren Eigenmarken. Die sogenannten Handelsmarken von Edeka, Rewe, Aldi & Co. finden immer häufiger den Weg in die Einkaufswagen der Deutschen. Die klassischen Markenartikel lassen sie links liegen. Laut Nielsen Marktforschung ist der Marktanteil von Handelsmarken wie „Ja!“ oder „Gut und günstig“ inzwischen auf 34 Prozent gestiegen.
Weltweit belegen die Bundesbürger beim Kauf von Eigenmarken den vierten Platz hinter der Schweiz, Spanien und Großbritannien. Für die Handelsketten selbst ist dieser Trend, den auch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) als langfristig betrachtet, ein Grund zur Freude. Denn sie verdienen an ihren eigenen Marken deutlich mehr als an den Markenartikeln von Henkel, Beiersdorf, Iglo, Maggi und Knorr.
Nach einer Untersuchung von KPMG meinen bereits über 80 Prozent der Verbraucher, dass Handelsmarken zu einem guten Händler dazugehören.
Da überrascht nicht, dass die Handelsketten ihr eigenes Produktangebot immer weiter auffächern. Waren Eigenmarken früher nur billige Preiseinstiegsprodukte, bieten sie heute Premiummarken wie Lidl mit seiner Edel-Marke „Deluxe“ ebenso wie unzählige Produkte im Bio-Segment.
Mit einer großangelegten Kampagne ("Du hast die Wahl - Marke oder No-Name.") sorgte Lidl erst im vergangenen Herbst für Aufregung im Markt. Die Markenartikel können dabei nur tatenlos zusehen - und immer weiter verlieren.
„Verkaufsförderungsorgie“
Auch im Automobilmarkt verlieren die Marken an Kraft. Das Problem ist zunächst hausgemacht. Die Verkaufsförderung der Pkw-Hersteller wird zunehmend auf Preisnachlässe reduziert und damit förmlich totgeritten.
Damit geraten Verkaufsförderungsmaßnahmen und klassische Werbung in ein ungesundes Verhältnis: Während die Wahrnehmung von Verkaufsförderung im Januar 2017 von 58 auf 61 Prozent zulegte, lag die Wahrnehmung klassischer Image-Werbung deutlich darunter und ist zudem rückläufig. Das durchführende Institut puls kommentiert: „Als Folge dieser Verkaufsförderungsorgie droht die Erosion der Automobilmarken.“
Zukunft der Marken ungewiss
Bei der diesjährigen Verleihung der von WirtschaftsWoche mitgetragenen Best Brand Awards ging die Auszeichnung als „Beste Produktmarke“ an Coca-Cola. Die inzwischen 130-jährige Marke ist das mit Abstand bekannteste Erfrischungsgetränk der Welt. Ihren Erfolg verdankt sie innovativem Marketing, das Jahr um Jahr Maßstäbe setzt. Es erscheint nicht vorstellbar, dass es Coke eines Tages nicht mehr geben sollte.
Das "Wall Street Journal" berichtet jedoch, dass erstmals seit dem Beginn der statistischen Erhebung zum Trinkverhalten in den USA Mineralwasser vor Coca-Cola liegt.
In der Best-Brands-Kategorie „Beste Deutsche Unternehmensmarke International“ feiert sich BMW mit dem ersten Platz. Doch in der Kategorie „Best Future Mobility Brand“ muss sich die Münchener Nobel-Marke mit einem 3. Platz begnügen und sich von Tesla geschlagen geben, die es auf den ersten Platz schafften. BMW gibt sich gewohnt selbstbewusst und spricht von „zukunftsweisender Mobilität“.
Die Lebenserwartung von Marken ebenso wie der der Unternehmen scheint sich massiv zu verkürzen. Nach einer Untersuchung der Yale University reduzierte sich die Lebensdauer von S&P 500-Unternehmen von 61 Jahren im Jahr 1958 auf heute nur noch 18 Jahre. Boston Consulting kommt zur Erkenntnis, dass - während die Lebenserwartung der Menschen seit 1950 signifikant steigt - sich die Lebensdauer von Unternehmen im gleichen Zeitraum halbierte.
Die neue Tech-Welt hängt die alte Industrie immer stärker ab. Die in vielen Branchen wie Computer, Fernseher oder Pkw spürbar verkürzten Produktlebenszyklen lösen das Problem nicht; eher scheinen sie die Erosion der Marken zu beschleunigen.
Das Ende der Marke Adidas?
Zu den wenigen deutschen Unternehmen in der Liste der wertvollsten Marken zählt auf Rangplatz 60 Adidas. Der Sportartikelhersteller überraschte nun die Branche mit der Ankündigung, dass man künftig auf Fernsehen als Werbemedium verzichten werde und alles Geld in digitale Medien zu investieren gedenkt. Damit will man die jüngeren Konsumenten besser erreichen und den Online-Umsatz bis 2020 vervierfachen.
Vermutlich wird es ein Desaster, zumal weit über die Hälfte aller Käufer von Sportbekleidung und -Schuhen über 40 sind. Es könnte den Tod der Marke einläuten.
Diesen Marken vertrauen die Deutschen
Das größte Markenvertrauen genießt dm: 78 Prozent der insgesamt 1000 Befragten sagen, dass sie von den 90 abgefragten Marken dm am meisten vertrauen. Das ist eine Steigerung von plus 15 Prozentpunkten gegenüber 2014. Und auch bei der Brand Experience – also der positiven Markenwahrnehmung - ist die Drogerie Nummer eins mit 73 Prozent.
Quelle: Brand Experience + Trust Monitor 2015 von Sasserath Munzinger Plus und UDG United Digital Group
Platz zwei belegt die Drogerie-Kette Rossmann: 65 Prozent gaben an, Rossmann sei die Marke, der sie am meisten vertrauen. Dabei konnte Rossmann neun Prozentpunkte gegenüber 2014 zulegen. Und sogar 69 Prozent sagten, sie hätten eine positive Markenwahrnehmung von Rossmann. Dadurch landet die Kette im Bereich Brand Experience ebenfalls auf Platz 2.
Bei Miele gaben 54 Prozent gaben an, die Marke Miele positiv wahrzunehmen – sei es in den (sozialen) Medien, ihrem privaten Umfeld vertrauen oder der eigenen Waschküche. 62 Prozent nannten Miele eine vertrauenswürdige Marke.
Im vergangenen Jahr belegte Nivea noch den ersten Platz im Brand Experience + Trust Monitor. Dieses Jahr reicht es mit einem Wert von 61 Prozent nur für Platz vier. Bei der positiven Markenwahrnehmung schafft es Nivea mit ebenfalls 61 Prozent auf den dritten Platz.
58 Prozent der Befragten gaben an, Sony für vertrauenswürdig zu halten. Das heißt: Platz fünf im Bereich "Trust". Eine positive Markenwahrnehmung hatten allerdings nur 48 Prozent - das reicht nur für Platz 14.
Platz sechs im Bereich Trust geht an Samsung. Diese Marke wird von 55 Prozent der Befragten als vertrauenswürdig genannt. Sogar 59 Prozent nahmen Samsung positiv wahr.
Haribo landet auf Platz sieben. 55 Prozent finden, man könne der Marke vertrauen. Ein positives Image hat Haribo auch: Platz sechs (57 Prozent).
Armaturen der Marke Hansgrohe erscheinen ebenfalls vertrauenerweckend: Platz acht in der Kategorie Trust.
Der Discounter wird von 53 Prozent der Befragten als vertrauenswürdig bewertet. Das genügt im Bereich Trust für Platz neun. Eine positive Markenwahrnehmung von Lidl hatten sogar 57 Prozent. Damit landet Lidl im Bereich positiver Markenwahrnehmung sogar auf Platz sieben.
Edeka finden 53 Prozent der Befragten vertrauenswürdig, 50 Prozent haben ein positives Markenimage de Lebensmittelhändlers. Das bedeutet in beiden Kategorien Platz 10.
Rewe vertrauen 53 Prozent der Befragten (Platz 11). Eine positive Markenwahrnehmung von Rewe haben 50 Prozent der Befragten (Platz neun).
Vertrauen in Aldi Nord und Aldi Süd haben 51 Prozent der Befragten. Etwas weniger nehmen Aldi auch positiv wahr: 49 Prozent. In beiden Fällen ist das Platz 12 in der jeweiligen Kategorie.
Der Marke Henkel vertrauen 51 Prozent der Befragten. Platz 13 in der Kategorie Trust.
51 Prozent vertrauen der Marke Amazon, die auf Platz 14 landet. Eine positive Markenwahrnehmung haben allerdings 59 Prozent. Das bedeutet Platz fünf in der Kategorie Markenwahrnehmung.
Platz 15 im Bereich Vertrauen geht an Bahlsen. 50 Prozent der Befragten vertrauen der Marke. 49 Prozent nehmen Bahlsen als Marke positiv wahr, was für den 11. Platz in der Kategorie Markenwahrnehmung reicht.
Adidas macht bislang nur etwa 6 Prozent seiner Umsätze Online. Man will also das gesamte Marketinggeld auf diese 6 Prozent konzentrieren und die reichweitenstarke, öffentlich sichtbare Unterstützung der Marke gegenüber Offline-Käufern - und damit auch die Unterstützung des stationären Handels - aufgeben. Adidas-Händler dürften darüber wenig erfreut sein. Die Maßnahme mag den Umsatz kurzfristig steigern, dürfte jedoch die Marke, die bei den Best Brand Awards noch den 3. Platz hinter BMW und Porsche belegte, langfristig beschädigen.
Unternehmen wie Procter & Gamble und Coca-Cola haben das längst erkannt und schichten Werbegelder wieder von Online zurück ins Fernsehen um.
Marken wie Zombies
Es sind Firmen wie Adidas, die Kristof de Wulf wohl angeregt haben, in Brand Quarterly die Frage zu stellen: „Is Your Brand A Zombie?“ Er beklagt, dass den meisten Verbrauchern egal wäre, wenn drei Viertel der Marken verschwinden würden, während es den Marken immer seltener gelänge, sich gegenüber den Handelsmarken zu differenzieren und wirksame Kampagnen zu entwickeln. Sie hätten die Verbindung zu ihren Konsumenten längst verloren. Anstatt Lösungen zu finden, nehmen die Probleme eher zu.
Zu den klassischen Zombie-Marken zählen längst auch zahlreiche Internet-Portale. Sie kommen und gehen in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. Wer erinnert sich schon noch an Wer-kennt-wen, die Lokalisten, MySpace oder StudiVZ? Professor Dr. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein glaubt gar, dass auch 80 Prozent der heute existierenden Online-Händler nicht überleben werden.
Man möchte denken, dass inzwischen genügend Markenwerte vernichtet wurden. Wenn sich die Marketingverantwortlichen nicht besinnen und wieder auf die ursprünglichen Stärken ihrer Marken bauen, droht die Erosion weiter zuzunehmen. Dann ist die Abwärtsspirale der Markenwelt nicht mehr aufzuhalten.