Werbesprech

Gebt uns die Werbefiguren wieder!

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Werbefiguren wichtiger als das Produkt selbst

Kult war auch Käpt’n Iglo, der 1985 als Werbefigur eingeführt wurde und bald zum Synonym für Fischstäbchen schlechthin avancierte. Nachdem das Unternehmen mehrfach den Besitzer wechselte, wollte man den Auftritt internationalisieren und ließ kurzerhand den Käpt’n weg. Das erwies sich als Fehler. Denn ohne Käpt’n Iglo blieben auch die Käufer aus. Nun kommt der Seebär wieder auf die Bildschirme. Offenbar waren den Verbrauchern Werbung und Werbefigur wichtiger als das Produkt selbst.

Eine andere Werbefigur, die viele schmerzlich vermissen, ist der Esso-Tiger („Pack den Tiger in den Tank“), der von 1965 bis 1990 zahlreiche Tankstellen des Konzerns zierte. Seither machte Esso in den letzten Jahren eher durch missglückte Werbung mit Nazi-Sprüchen („Jedem den Seinen“) auf sich aufmerksam. Da wäre es besser gewesen, den Tiger wieder auf die Tankstellendächer zu schrauben.

Werbung aus dem vorigen Jahrhundert

Wenn Aral derzeit damit wirbt, dass sein Kraftstoff den Motor dank „Anti-Schmutz-Formel“ reinigt und dazu Comic-Piranhas in Szene setzt, ist das dagegen ein müder Abglanz und hoffentlich nur kurzzeitiger Ersatz für den Tiger des Wettbewerbers Esso. Piranhas, denen gemeinhin nicht sonderlich viel Sympathie und Mitgefühl entgegengebracht wird, dürften die Autofahrer kaum überzeugen. Und eine „Anti-Schmutz-Formel“ klingt wie Waschmittelwerbung aus dem vorigen Jahrhundert.

Alles richtig macht Saturn mit dem Einsatz des Schauspielers Antoine Monot als „Tech-Nick“. Er verkörpert den meist schweigenden Verkäufer des Elektromarktes mit so viel Hingabe und Sympathie, dass man sich wünscht, er möge noch viele Jahre die Werbefigur des ehemaligen „Geiz-ist-geil“-Marktes bleiben.

Die Strahlkraft der Werbefiguren hat in keinster Weise nachgelassen - trotz oder vielleicht wegen der um sich greifenden Digitalisierung mitsamt „Internet of Things“, das bald jeden Gegenstand und jede Verpackung in einen Kleinstcomputer verwandeln wird. Der Verbraucher sehnt sich nach Wohlbehagen und Wärme. Und: Es kommt bekanntlich selten genug vor, dass sich Verbraucher überhaupt Werbung wünschen. Das schaffen die beliebten Werbefiguren. Werber, die sie abschaffen, besitzen weder Herz noch Verstand.

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