Werner knallhart
Quelle: REUTERS

Ärger an der Amazon-Hotline? Da gibt es einen Trick

Meistens nicht – aber manchmal ist es zum Verzweifeln: Wenn man an einen Callcenter-Mitarbeiter gerät, der nicht zu verstehen ist, keine Ahnung hat oder auf Machtspiele steht. Solche Gespräche kosten Zeit, Nerven und im blödesten Fall bares Geld. Aber da gibt es einen effizienten Kniff.

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Amazon will die Firma mit der höchsten Kundenzufriedenheit sein. Und die Konkurrenz steht sich frustriert auf den Verkaufsflächen in den Fußgängerzonen die Beine in den Bauch, rückt die Ware im Regal gerade und denkt sich: Na toll!

Und es ist ja auch ungeheuerlich, womit die Amazon-Kunden dort verwöhnt werden. Weil das Imperium es sich leisten kann. Kritisieren Sie Amazon, so viel Sie wollen (und oftmals auch zurecht), aber der Kundenservice ist wegweisend – und letztendlich der Grund dafür, dass in vielen Rathäuser die Schläfen unserer Repräsentanten pulsieren: Was machen wir bloß mit unseren verödenden Innenstädten?

Ich habe den Eindruck, Amazon ist uns nicht nur deshalb so zugeneigt, weil Algorithmen wissen, was wir mögen und wie wir leben, sondern: Amazon sind auch Menschen. Bei Amazon sind die Mitarbeiter an der Service-Hotline die empathische Stimme des Onlinehandel-Imperiums. Der Kontakt der Kunden zum echten Leben im System Amazon. Das Heikle aus Sicht von Amazon: Meistens suchen die Kunden Kontakt zu den Callcenter-Mitarbeitern, wenn der Ruhepuls schon weit überschritten ist.

Eigentlich hat Amazon ja erkannt, worauf es deshalb ankommt: Wer als Callcenter-Mitarbeiter ein Bündel an wendigen, schlagkräftigen Werkzeugen an der Hand hat, braucht keine mehrjährige Ausbildung in Rhetorik und Konfliktmanagement: „Die Barbie hat keine Haare? Das tut mir leid. Ich habe Ihnen gerade schon, während wir sprechen, einen Coupon zur kostenlosen Rücksendung gemailt.“ „Ihre elektrische Zahnbürste rappelt nach 20 Monaten so komisch? Wir schicken Ihnen eine neue.“

Und: Amazon bietet Prime-Kunden, die für diesen Status die Prime-Gebühr von 69 Euro im Jahr (umgerechnet 5,75 Euro pro Monat) berappen, in der Regel den Versand der bestellten Produkte mit der Premiumversand-Garantie.

Aber wie gesagt: Callcenter-Mitarbeiter sind auch Menschen. Und Menschen haben schlechte Tage. Und manche sind an ihren schlechten Tagen schlechte Menschen! So!

Mir ist kürzlich so etwas passiert. Schuld war eigentlich DHL. Fast hätte ich geschrieben: Mal wieder. Von fünf Bestellungen wurden drei in der falschen Packstation verklappt. Doch dann kam auch noch die Mitteilung, ein Geschenk für einen Freund konnte nicht zugestellt werden, obwohl ich das Päckchen für ihn unter seiner persönlichen „Postnummer“ direkt an einen DHL-Paketshop bestellt habe. Die Lieferung war dringend gewesen und ich Naivling fand den Schritt deshalb ganz besonders schlau. Jetzt hatte ich genug von Fünfe gerade sein lassen. Ich griff zum Handy für eine gesalzene Sammelbeschwerde. Mein Credo: ruhig und freundlich im Ton, bestimmt in der Sache. Denn ich bin schließlich Prime-Kunde. Mir steht etwas zu, ich zahle dafür extra. Hätte ich doch bloß an den Amazon-Callcenter-Trick gedacht. Aber ich bin eben auch nur ein Prime-Kunde. Prime-Kunden sind auch nur Menschen.

Fakt ist: Amazon garantiert, dass der nach der Bestellung mit Premiumversand angezeigte garantierte Lieferzeitpunkt eingehalten wird! Verdammt noch mal! „Das bedeutet“, so schreibt Amazon unter den Garantiebedingungen, „dass wir Ihnen die Kosten für den Premiumversand erstatten, wenn Ihre Bestellung nicht an dem angegebenen Lieferdatum oder früher bei Ihnen ankommt.“ Ergo: Gerade für die Stammkunden, nämlich den Prime-Kunden bietet diese Garantie damit auf den Punkt gebracht: Nichts!

Was nicht pünktlich geliefert wird, ist nicht pünktlich da. Da hilft auch kein Versprechen. Und weil Prime-Kunden standardmäßig sowieso keine Versandgebühren bezahlen, gibt es in diesen Fällen auch nichts zu erstatten. Aber auch hierfür hat Kundenliebling Amazon vorgesorgt: mit einer Regelung aus Kulanz. Das ist zurzeit meist ein 5-Euro-Einkaufsgutschein. Früher war es die kostenlose Verlängerung der Prime-Mitgliedschaft um einen Monat, aber die gibt es zurzeit nicht mehr, bestätigen mehrere Hotline-Mitarbeiter.

Die Garantie beim Premiumversand ist also auch für Prime-Kunden so etwas wie ein sofort wirksamer Stimmungsaufheller per Telefon. Amazon und die Kunden gegen die Ungerechtigkeit der Logistikwelt. Einfach auf die Kulanz-Regelung hinweisen. Die allermeisten Callcenter-Mitarbeiter sind froh, wenn sie helfen können. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass ich an Frau Schnoddermann (Name geändert) geraten würde. Und Frau Schnoddermann wollte mir offenbar eine Lektion erteilen. Motto: Prime heißt erstmal gar nichts, Freundchen!

Frau Schnoddermann hatte für mich eine hörbar gelächelte Erklärung (Gedächtnisprotokoll): „Der Kaufpreis wurde Ihnen bereits erstattet und damit hat sich die Sache erledigt.“

Wä? Ich sach: „Ja, aber, aber, aber Prime und die Premium-Garantie. Sie haben schlicht nichts geliefert. Da gibt es doch wenigstens 5 Euro oder nicht?“

Sie (und diese Antwort hat sich in mein Gedächtnis wortwörtlich eingebrannt): „Wir versprechen bei der Garantie zwar, dass Sie die Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt bekommen, aber wenn DHL halt mal einen Fehler macht, können Sie dafür doch auch Verständnis haben, oder?“ Und: „Wir können doch nichts dafür, wenn DHL was falsch macht. Unsere Verantwortung endet mit der Übergabe an den Logistiker.“

Das ist so falsch, wie es falscher nicht sein könnte. Der Onlinehändler verantwortet auch die Zustellung. Der Empfänger ist nicht Kunde des Logistikers. Fertig. Keine Diskussion. Aber ich war so verdattert über so viel Kundenabgewandtheit und Ahnungslosigkeit, dass ich doch diskutierte. Ich war so dumm. Denn es war schrecklich! Aber ich konnte nicht anders. Das Prime kochte in mir hoch! Ich war seit Jahren Stammkunde mit fast immer nur guter Erfahrung mit dem Kundenservice am Telefon!

Und jetzt das: Eine Garantie, die im Garantie-Fall nichts bringt? Ich als Stammkunde ein abgewiesener Bittsteller? Eine Prime-Welt brach in mir zusammen. Ich fühlte mich wie in einem Warenhaus in einer westdeutschen Fußgängerzone Anfang der 90er-Jahre. Ich schwenkte hilflos zum nächsten Artikel um. Einem, zu dem ich von Amazon eine Mail bekommen hatte mit der Entschuldigung dafür, dass der zu spät ankommen würde. Sie: „Kann ich von hier aus nicht nachvollziehen. Hier steht zugestellt und ich muss dem glauben, was DHL mir sagt.“

„SIE SOLLTEN LIEBER GLAUBEN, WAS ICH ALS KUNDE ZU IHNEN SAGE.“ Oh, meine Ruhe, meine Freundlichkeit! Dahin. Ich glaube – nein, ich befürchte – ich habe ihr sogar vorgehalten, dummes Zeug zu erzählen. Und das leicht oberhalb Zimmerlautstärke. Am Ende wollte die Frau mir die 5 Euro sogar hinterherwerfen. Gönnerhaft. Im Dissens! Aus Mitleid für einen von falschen Erwartungen fehlgeleiteten Kunden. Als hätte ich es nötig! Es ging mir längst nur noch um meine geschundene Ehre. Ich guckte auf die Uhr: Wir telefonierten mittlerweile seit über 25 Minuten. Meine Lebenszeit. Ich Depp, warum hatte ich bloß nicht an den guten alten Amazon-Callcenter-Trick gedacht?

Ich schwöre bei Prime: Ich werde den ab sofort immer beherzigen und glauben Sie mir, Sie gewinnen damit Zeit, Gesundheit und Glück. Der Trick geht so: Auflegen und nochmal anrufen.

In dem Stil: „Ich muss Schluss machen. Vielen Dank. Schönen Tag noch.“ Klick. Freiheit!

Hab ich dann getan. Nach insgesamt über einer halben Stunde redete ich mit Dame Nummer 2: „Ach, Sie sind mein erster Berliner heute.“ Oja, so kenne ich es, so muss es sein. Nach drei Minuten gab sie mir in allem recht: Da stimmt was nicht … dumm gelaufen … das tut uns leid … 5 Euro … fertig … schönen Tag noch … Fahren Sie in Urlaub? Ach so, na dann. Alles Gute. Tschüss.“

Auflegen und nochmal anrufen. So macht man sich seinen guten Prime-Kundenservice bei Amazon selber. Weitersagen.

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