Werner knallhart
Noch ist das Frühstück wegzulassen für viele Deutschen undenkbar. Quelle: imago images

Bringt der Fasten-Trend unsere Frühstücksfirmen in Gefahr?

Das moderne Kurzzeitfasten ist einfach durchzuhalten, wenn wir eine Mahlzeit streichen. Das könnte das Frühstück hart treffen. Was wird dann aus Konfitüren-Konzernen, Cornflakes-Abfüllern und Aufback-Brötchen-Fabriken?

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Also ich habe das so verstanden: Verdauen ist purer Stress für unseren Körper. Der Blutzuckerspiegel steigt, die Bauchspeicheldrüse muss ran, die Gallenblase legt los und so weiter. Das schlaucht. Aber unser Body zieht es halt durch. Wegen der Nährstoffe. Nützt ja nichts. Stress ist besser als Verhungern.

Nun wäre es natürlich gut, wir würden unserem Körper so viel wie möglich an Zumutungen ersparen. Aber wie? Früher hieß es: Lieber über den Tag verteilt viele kleine Mahlzeiten. Heute heißt es: Nein, lieber nicht. Ja, was denn nun?

Diese Änderung um 180 Grad ist für viele schon das Indiz für die These: Wenn der eine so sagt und der andere so, kann etwas nicht stimmen. Ich finde aber: Neuere Erkenntnisse schlagen im Zweifel alte. Wegen des Fortschritts in der Forschung. Bei der Frage, ob die Erde eine Scheibe ist oder eine Kugel, würde ja auch keiner von Hickhack oder Patt sprechen. Die Kugelbefürworter haben sich letztendlich durchgesetzt – wegen ihrer neueren Forschungsmethoden.

Heute heißt es also: Lieber seltener essen und der Bauchspeicheldrüse länger Ruhe gönnen, allein schon, was die Insulinausschüttung angeht. Denn das ist echte Rackerei auf Dauer.

Allein deshalb würde das Intervallfasten Sinn ergeben. Das 16/8-Prinzip: 16 Stunden lang fasten, innerhalb von acht Stunden Essen fassen. Ein toller, schon regelrecht lebensrettender Nebeneffekt soll sein: Die Zellen fangen in ihrer 16-stündigen Fastenphase an, schonmal heimlich ein bisschen zu knabbern. Und zwar ihren eigenen Zellmüll, den sie bei nur kurzen Esspausen verwöhnt links liegen lassen würden, weil es einfacher zugängliche Nahrung gäbe. Und weil dieser Zellmüll kurz gesagt zu Entzündungen und Krebs führen kann, ist diese Abfallverwertung aus Sicht vieler Experten echte Gesundheitsvorsorge.

So, Intervallfasten ist gut. Keine Diskussion jetzt hier. Denn die Frage soll sein: Wenn man Intervallfasten machen will, wie kriegt man das hin?

Das Geniale ist: Die Schlafphasen zählen mit. Und weil die wenigsten von uns während des Schlafens essen, macht es das Intervallfasten für die allermeisten recht einfach, 16 Stunden lang nichts zu sich zu nehmen außer Wasser, schwarzen Kaffee und Tee.

Aber jetzt müssen wir rechnen: Angenommen, wir essen während der Woche abends gemütlich mit der Familie oder mit Freunden. Als das letzte Besteckpaar rechts unten auf dem Teller liegt und der letzte Schluck Saft oder Eistee getrunken ist, ist es 21 Uhr. Wenn Sie jetzt 16 Stunden pausieren wollen, dann wäre Frühstückszeit um 13 Uhr.

Oder aber Sie wollen so gerne um 7 Uhr frühstücken, dann müssten Sie am Tag zuvor schon um 15 Uhr mit dem Abendessen durch sein.

Sie sehen, es läuft darauf hinaus, eine Mahlzeit wegzulassen. Welche könnte das sein? Mittagessen? Damit kämen Sie nur hin, wenn Sie morgens um 6 Uhr fertig sind mit dem Frühstück und erst abends um 22 Uhr zu Abend essen. Dazwischen nichts! Wer hält das aus?

Abendessen? Kein gemeinsames Tag-Revue-Passierenlassen mit der Familie, kein Ausgehen mit Freunden, kein Pils mit Kollegen nach der Arbeit, kein Popcorn im Kino, keine Erdnüsse bei Netflix. Horror.

Frühstück? Ich frag mal so: Wie viele von uns stopfen sich mit verquollenen Augen morgens ein halbes Brötchen mit Nutella rein oder kippen – ohne zu schmecken – ein Knuspermüsli mit Nougatflocken runter, weil es ja heißt, guter Start in den Tag und so...

Wenn eine Mahlzeit weg kann, dann ja wohl das Frühstück.

Mit dem Frühstück fallen so einige Lebensmittel unter den Tisch

Ich spreche übrigens aus Erfahrung. Ich faste seit mehr als einem Jahr im Intervall und habe gemerkt: Ob ich nun frühstücke oder nicht: Spätestens um 13 Uhr knurrt mir der Magen. Dann kann ich mir das Frühstück auch sparen. Und das tue ich seitdem. Ausnahmen: Urlaub, Einladungen oder mal sonntags. Null Hunger-Stress, null soziale Isolation, null schlechtes Gewissen. Und mehrere meiner Kollegen und Freunde versuchen es auch. Ergebnis: Überall fällt das Frühstück weg.

Sollte sich das mit dem Intervallfasten noch weiter durchsetzen, wird das Frühstück zum Wochenend-Ereignis.

Das Gute ist: Mit dem Frühstück fallen im Zweifel lauter überzuckerte Lebensmittel unter den Tisch: Nutella, Marmelade, Honig, gezuckerter Fruchtjoghurt, Fruchtsäfte, Fertigsmoothies, weißer Toast und Weißbrötchen (dessen Stärke den Blutzuckerspiegel hochschießen lässt), Croissants, mit Zucker und Fett verklebtes Knuspermüsli und dann diese als Getreidemahlzeit getarnten Minikekse im Frühstücksflockenformat, mitunter gefüllt mit Nougat! Kellogg´s Smacks haben pro 100 Gramm mit 34 Gramm ganze 56 Prozent mehr Zucker als ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte von Coppenrath&Wiese (mit 21 Gramm).

Viele industriellen Frühstücks-Produkte sind ungesünder als der Nachtisch am Abend. Und ein katastrophaler Start in den Tag für unseren Bauch. Dann lieber erst essen, wenn man wirklich Hunger hat.

Ich würde zu gerne wissen, wie viele Leute sich das Frühstück abgewöhnen würden, wenn sie es nur einmal für eine Woche ausprobieren würden. Zuhause gemeinsam starten bei einem Glas Tee. Statt Puddingteilchen und Butterbrezeln auf die Hand gäbe es bei Pendlern den schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker mit in die S-Bahn oder in den Becherhalter im Auto. Das spart sogar Geld!

Insofern ist es kein guter Trend aus Sicht derer, die unser Frühstück liefern: Marken wie Kellogg´s, Dr. Oetker Vitalis, Schwartau, Zentis, Hohes C, Müller Milch, Bärenmarke – aber auch die Bäckereien würden Abendbrot-Zulieferer.

Es heißt schon heute nicht mehr wie einst „Rama macht das Frühstück gut“, sondern „Rama macht das Essen gut“. Frühstück allein reicht nicht. Wie wird das werden?

Noch ist Frühstück wegzulassen ein Nischending. Aber wie schnell werden Selbstverständlichkeiten plötzlich von den Kunden hinterfragt: Statt Butter dann Olivenöl, statt Fleisch Fisch, statt Cola die Cola Zero, statt Vollmilch konsumieren wir heute überwiegend fettarme Milch. Heute gibt es sogar Hafermilch und Mandelmilch bei Lidl.

Mal sehen, wann die ersten Müsli-Hersteller ihre Produkte als den Snack zwischendurch promoten, wann die Marmelade auf Brot dem Kuchen am Mittag Konkurrenz macht oder als süßer Klecks im Joghurt am Nachmittag. Und Smacks als süße Alternative zu Kuchen.

Es macht Spaß zu sehen, wie sich Trends andeuten. Und das Frühstück wird nicht sterben. Es gibt ja noch den Sonntag.

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