Werner knallhart
Der neue, schicke Kassenbereich der Rossmann-Filialen. Quelle: PR

Der neue Rossmann: dm muss echt aufpassen!

Glaubt die Drogeriemarkt-Kette dm, sich auf ihrem Image-Vorsprung gegenüber Rossmann ausruhen zu können? Rossmann holt zumindest mit moderneren Läden und besserem Online-Konzept auf. dm-Fans: Wagt mal den Seitenwechsel!

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Unvergessen: Schlecker. Die Drogeriemarkt-Kette, die ihre Kunden in die Läden locken wollte mit an die Fenster geklebten Angeber-Sprüchen wie: „Niemand in Deutschland verkauft soviel Drogerie-Artikel wie Schlecker“.

Niemand. Viel. Artikel. Drei Worte, die das Gegenteil sind von einfühlsam und lebensbejahend. Aber so war das Schlecker-Gefühl auch beim Einkaufen in den verlotterten, mit „Viel“ vollgetopften Läden. Wollte der Kunde nicht. Weg. Die Mitarbeiter waren zu bedauern.

Auf Platz 2 im Rennen zwischen Schlecker, Rossmann und dm in den Kundenbefragungen kam immer Rossmann. Rossmann stand stets zwischen Hölle (Schlecker) und dm (Himmel).

Rossmanns Filialen waren zwar nie so lieblos zugerammelt wie bei Schlecker, aber eben auch nie so weiträumig wie dm, so pointiert beleuchtet wie dm, mit niedrigen Regalen wie bei dm. Rossmanns alte Filialen sind bis heute irgendwie nicht stilsicher. Dm ist seit langem die Wohlfühloase in Einkaufszentren und Fußgängerzonen.

Die Rossmann-Filiale im Bahnhof Alexanderplatz in Berlin etwa zeugt noch aus alten Zeiten. Aus Platzmangel steht dort alles so eng beisammen, dass man nicht durchkommt, wenn ein anderer Kunde vor einem Regal stehend den Rohrreiniger seines Herzens sucht. Die Regale gehen hoch bis unter die Decke. Unkundige rennen sämtliche Flure nach ihrem Lieblingsdeo ab.

In vielen Rossmann-Filialen herrscht heute noch ästhetische Disziplinlosigkeit. Da prangt dann eine Papppalette mit reduziertem Süßkram quer über dem ersten Stück des Kassenfließbands, am Ende des Fließbands wiederum gibt es mitunter keine Ablagefläche für die gekauften Waren und man muss beim Einpacken hetzen wie bei Aldi. Das ist nicht gerade Wellness.

Aber Rossmann hat verstanden: dm ist das Maß aller Dinge. Und während dm sich mit seinem Ladenkonzept offenbar selber gut gefällt, pirscht sich Rossmann ran.

Neue Rossmann-Filialen haben breite Gänge (wie dm), niedrige Regale (wie dm), dezentere Beleuchtung (wie dm) und schicke Kassenbereiche (wie dm). Gerade habe ich mal einen nagelneuen Rossmann in Berlin-Mitte besucht (die Luftballon-Girlanden hingen noch über der Fensterfront). Und was soll ich sagen: Es fühlte sich wie bei der Konkurrenz.

Auch das bislang etwas discounterartige Design der Eigenmarken-Verpackungen wird von Rossmann feinfühlig ans elegant-leichte dm-Design angepasst. Selbst das Bio-Image konnte Rossmann aufpolieren. Und das auch noch mit der Hilfe von dm.

Seitdem dm-Chef Götz Werner die Marke Alnatura seines Schwagers aus dem Sortiment geschmissen hat, bekommt man die Bio-Marke beim Rivalen. Nun versucht dm wiederum einen drauf zu setzen – und kontert nicht nur mit seiner eigenen Bio-Hausmarke, sondern seit Frühjahr auch mit der Demeter-Kooperation. Und bei Demeter liegen die Standards deutlich über denen des klassischen EU-Bio-Siegels.

Wie widerwillig angeboten wirkt nach wie vor die Möglichkeit für uns Kunden, bei dm online einzukaufen. Mit dem irrsinnigsten Versandkosten-Weiterberechnungs-Prinzip wahrscheinlich der ganzen Online-Welt: Je mehr man bestellt, desto mehr muss man bei dm fürs Porto abdrücken. Verstehen Sie? 2018!

Rossmann oder dm: So unterschiedlich ist das Online-Shopping

Dm denkt ganz pragmatisch oder kundenbindungsfern in Container-Einheiten und lässt sich davon nicht abbringen. Die Versandkosten betragen zunächst 4,95 Euro. So viel so gut. Aber jetzt anschnallen: Ab einem Gewicht von ca. 25 Kilogramm oder einem Volumen von ca. 136l wird noch ein Paket benötigt, für das weitere Versandkosten in Höhe von 4,95 Euro anfallen. Das ist das Gegenteil von Mengenrabatt. Das Gegenteil aller Gepflogenheiten.

Von A wie Amazon bis Z wie Zalando – alle kommen sie den Kunden mit Versandkosten-Flatrates, Mindestbestellwerten oder generellem kostenlosen Versand entgegen.

Während Rossmann immerhin ab einem Bestellwert von satten 69 Euro die Versandkosten selber trägt, wird es bei dm bei seinen besten Kunden richtig teuer. Motto: Wenn ihr zu faul seid, in den Laden zu kommen, müsst ihr halt extra hinblättern. Keine Ahnung, mit welcher esoterischen Weltanschauung die dm-Leute das rechtfertigen.

Aber eins ist klar: Das schlägt die Kunden vor den Kopf. Offenbar weiß das auch dm. Im Moment werben sie mit kostenlosem Versand ab 39 Euro. Wow! Befristete Aktion bis Silvester. Hätte dm Füße, wir würden sie jetzt ja wohl küssen.

Das wegweisende dm, das schicke dm, das elegante dm mit der Antenne für die Kunden – es nimmt Tempo raus. Das ist erstaunlich, denn eigentlich war das dm-Konzept bislang viel schlagkräftiger: Statt mit auf prollige Neonschilder gedruckten Sonderangebots-Aktionen wirbt dm mit dauerhaft niedrigen Preisen. Produkte wie Wein, Überraschungseier, Wasserkocher und Zeitschriften sind keine Drogerie-Waren und haben bei dm nichts zu suchen. Rossmann ist das egal. Bringt halt Kohle.

Und dann diese abartige Idee von Rossmann, in einem Drogeriemarkt, der doch eine Wellness-Oase sein soll, Zigaretten zu verkaufen! Dabei ist das Image vom Rauchen doch nun wirklich im Keller. Raucher sind der Statistik nach überdurchschnittlich alt und unterdurchschnittlich gebildet. Und bei Raucherhaut kann man so sehr mit den besten Rossmann-Lotionen gegen ancremen. Das Tabak-Gift ist stärker.

Da steht man dann an der Kasse mit seinen Dinkelflakes, dem Bio-Duschgel und dem aluminiumfreien Deo und starrt auf Killerdrogen, auf deren Verpackungen aus gesundheitlichen Gründen mittels Ekelbildern vom Kauf abgeraten wird. Da hat man förmlich den hemdsärmeligen Gründer Dirk Rossmann vorm geistigen Auge, wie er ruft „Ist mir doch egal. Meine Kunden müssen selber wissen, was sie ihrem Körper antun. Die Weltverbesserer können gerne in Werners Öko-Bude rennen.“ Hat er so wahrscheinlich nicht gesagt, würde aber passen, finde ich. Und während Lidl Zigaretten in den Niederlanden schon komplett aus den Läden nimmt, gibt es sie in Deutschland noch im Gesundheitsladen Rossmann. Bei dm undenkbar.

Aber trotz dieser Verirrungen: Rossmann wirkt gewiefter. Angriffslustiger. Rossmann verkauft seine Produkte in Berlin in sehr ausgedünnter Auswahl zusätzlich zum Angebot im eigenen Online-Shop auch beim 2-Stunden-Super-Express-Lieferanten Amazon Now, reißt sich ein Ladenlokal nach dem anderen unter den Nagel (in Berlin-Kreuzberg kommen auf ein dm gefühlt drei Rossmanns) und wird so der neue Drogerie-Grundversorger. Es gibt 1.920 dm-Läden in Deutschland. Und 2.100 Rossmanns.

Dm muss echt aufpassen. Wenn Rossmann und dm sich immer ähnlicher werden, dann schnappt sich Rossmann nicht nur die Raucher. Dann sind selbst eingefleischte dm-Fans irgendwann weg. Dann zieht er nicht mehr, der „Ich gehe aus Prinzip nur zu dm“-Effekt. Man geht irgendwann eben zu irgendeiner Drogerie, die am nächsten ist.

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