Werner knallhart

Die Adventskalender des Grauens

Es ist ja eigentlich nett: Adventskalender nicht nur für Kinder, sondern auch welche für Erwachsene. Doch jetzt haben alle Branchen diesen Trend für sich entdeckt. Mit verheerenden Auswüchsen.

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Der Klassiker: ein Adventskalender mit Schokolade. Quelle: dpa

Es gibt Strampelanzüge für Erwachsene. Erwachsene essen auch Eis aus rohem Kuchenteig. Erwachsene lassen sich auf aufblasbaren Gummiinseln in Flamingo-Design am Strand entlang treiben.

Erwachsene finden es witzig, ironisch überhöht Kinderkram aufleben zu lassen. Warum auch nicht? Und deshalb ist klar: Das geht auch mit Adventskalendern.

Gut, als ich meiner Oma vor einigen Jahren einen Adventskalender geschenkt habe, hat sie alle Türchen auf einmal aufgemacht und die Lindt-Pralinen darin in einer Schale auf den Wohnzimmertisch gestellt: „Marcus, bevor du was sagst: Das Adventskalender-Prinzip ist mir klar. Aber so witzig ist es in meinem Alter auch nicht mehr. Danke trotzdem für die leckere Schokolade.“

Die meisten Erwachsenen ziehen jedoch mit: jeden Tag ein Türchen. Für Kinder gilt das sowieso. Nur was da vom Handel jung und alt vorgesetzt wird, kann einem die Vorfreude auf Weihnachten irgendwie - sagen wir vorsichtig: versauen. Weil mittlerweile einfach alles in 24 Portionen aufgeteilt verscherbelt wird, was sich irgendwie hinter kleine Türchen packen lässt.

Hier die Top 7 der blödesten Ideen der Adventskalender-Industrie:

Platz 7: Der Rentner-Adventskalender

Allein die Vorstellung: Man steht auf und wird vom Adventskalender als erstes dran erinnert: Ich bin Rentner. Nicht Großvater oder in den besten Jahren, sondern Bezugsberechtigter für Auszahlungen aus der Rentenkasse.

Öffnet der Rentner dann die Türchen, fallen ihm jeden Tag Probiergrößen von Nutella, Honig, Erdnussbutter und Instantkaffeepulver entgegen. So wie man es von billigen Hotel-Frühstücksbüffets kennt. Zur Feier des Tages erstmal schön einen löslichen Kaffee statt eines frisch gebrühten. 24 Tage lang wird man ja wohl mal Abstriche machen können, so offenbar das Kalkül der Erfinder.

Mit Rentnern kann man es ja machen, oder wie?

Platz 6: Der mit dem Pappe-Geschmack

Der Klassiker aus unserer Kindheit: 24 Schokostückchen in Form von Kerze, Hufeisen, Schlitten, Weihnachtsbaum, Marienkäfer und am 24sten dann der große Stern. Die Schokolade pulen die Kinder dann mit kleinen Fingerchen und verschlafenem Blick aus der Vorlage. Toffifee-Ernte für Anfänger.

Aber! Elf Monate lang gilt: Man verpackt Schokolade nicht in Pappe, weil sie sonst deren Geschmack annimmt, sondern in Alu oder Plastik. Aber im Advent ist es egal? Schokolade, die vorne nur luftig mit Papptürchen verdeckt wird, die in der Innenseite nicht mit Folie überzogen sind, kann nicht gut schmecken. Das merken selbst unsere Kleinen.

Platz 5: Die 24-Tage-Nagel-Kur

Drei Wochen lang jeden Tag ein kleines Körperpflege-Produkt: Hautcreme, die nach Zimt duftet, oder ein Shampoo „Magic Winter“. Es leuchtet ein, dass sich Leute darüber freuen. Solche Adventskalender gibt es bei Kaufhof, dm, Douglas - überall.

Aber ein Adventskalender mit „kleinen Pflege-Highlights für Hände, Füße und Nägel“? Die Firma Alessandro meint, das hätte Stil und schreibt: „Das tägliche Öffnen wird allen Nagellack-Liebhaberinnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.“ Drin enthalten auch eine Nagelfeile. Und dann pult und feilt die Gute noch beim Frühstück dankbar an ihren Zehennägeln herum und streicht Lack drauf. Hmm, wie weihnachtlich.

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Platz 4: Adventskalender für Männer

Männern muss man offenbar besonders gut erklären, warum sie bei etwas kindlich Romantischem wie einem Adventskalender mitmachen sollten.

Die Marzipan-Firma Niederegger aus Lübeck zumindest nennt ihren Adventskalender „Männersache“ und hält das ganze Ding in tiefem Schwarz. Die Beschreibung bei Amazon dazu: „Endlich gibt es einen Adventskalender, der nur für Männer gemacht ist. Inhaltlich überzeugend. Äußerlich auf das Wesentliche reduziert.“ Klar, einfach pures Marzipan für echte Kerle. Und kein Schnickschnack. Das mögen Männer ja nicht. Weil die so rational sind. Und auch KEIN Schmuck am Weihnachtsbaum! Da kommt noch nicht mal das Netz ab. Ist praktischer.

Dann diese ganzen Bierkalender. Jeden Tag eine andere Flasche Bier. Yea! Da wächst einem sofort ein Vollbart.

Noch besser: Der Adventskalender mit 24 Türchen voller „hochwertigem Werkzeug“. Drin enthalten unter anderem: Ein Maßband, ein Bohrersatz, ein Sechskantschlüsselsatz und - zwei (!) Flaschenöffner: ein Kapselheber und ein Korkenzieher.

Hähähä, wir Männer. Tun, als würden wir gerne basteln, wollen aber eigentlich nur saufen, bis wir die Englein sehen.

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