Werner knallhart

Die Weihnachtsbotschaft: Kassenbon aufheben!

Durch den Geschenke-Kauf-Stress wird Weihnachten für viele lästig wie die Steuererklärung. Und dann diese Heuchelei bei der Bescherung! Aber Ehrlichkeit ist an Weihnachten gefährlich.

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Eine Familie schmückt den Tannenbaum: Nie belügen wir unsere Mitmenschen häufiger als zu Weihnachten. Quelle: dpa

Nie belügen wir unsere Mitmenschen häufiger als zu Weihnachten. Das fängt schon mit unseren Kindern an. In der Weihnachtszeit haben wir uns traditionell derartig in Märchen verstrickt, dass wir uns besser aufschreiben sollten, wem wir welche Storys vom Christkind und dem Weihnachtsmann aufgetischt haben: Anfang Dezember kommt der Nikolaus, der sieht aber aus wie der Weihnachtsmann. Deshalb erkennt man den Nikolaus am besten an Knecht Ruprecht in braun, der nach Lust und Laune jeden verdrischt, bis er grün und blau ist. So habe ich mir das als Kind zumindest immer gemerkt.

Irgendwann erzählte uns eine Grundschullehrerin, dass der Nikolaus nur dann Schokolade in die Kinderstiefel stopft, wenn man im Gegenzug seinen Pferden Brot vor die Zimmertür legte.

Meine Mutter wehrte sich anfangs gegen diesen Brauch. Das sei ein Irrtum, der Nikolaus komme ohne Pferd, schleppen tue doch dieser Knecht Ruprecht. Nach einigen Minuten Gequengel ließ sie sich dann aber doch erweichen: "Dann mach halt. Aber nur eingeschweißtes Pumpernickel. Sonst gibt das nur Gekrümel."

Das verschenken die Deutschen zu Weihnachten
Platz zehn: HelikopterEin Spielzeug für Outdoor-Fans sind Quadrocopter, die Platz zehn im Geschenke-Ranking einnehmen. Diese meist per Smartphone oder Tablet steuerbaren Mini-Helikopter lassen sich mit Actionkameras kombinieren, womit vor allem Hobby- und auch Profi-Fotografen einzigartige Fotos aus Vogelperspektive aufnehmen können. Quelle: AP
Platz neun: SüßwarenPlatz neun belegen die obligatorischen Süßigkeiten, die fast unter jedem Tannenbaum zu finden sind. Quelle: dpa/dpaweb
Platz acht: Action-KamerasPlatz acht benötigen vor allem Sport- und Actionfans: Action-Kameras wie die "GoPro Hero". Der Marktführer in diesem Segment ist allerdings alles andere als günstig, denn mindestens 180 Euro für die passende "White Edition" sollte man einkalkulieren. Quelle: dpa
Platz sieben: GesellschaftsspieleAuf Platz sieben befinden sich Gesellschaftsspiele, welche bei vielen Familien direkt nach der Bescherung für Unterhaltung am Weihnachtsbaum sorgen dürfte. Schon ab rund 15 Euro sind hier gleich mehrere Verwandte versorgt. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Platz sechs: Pad-MaschinenEbenso beliebt bei Schenkenden wie auch Beschenkten sind Kaffee-Pad-Maschinen - Platz sechs der Weihnachtsgeschenke-Top-10. Quelle: dpa
Platz fünf: MassagerolleDie "Blackroll" - eine Rolle aus hartem Schaumstoff - ist auf Platz fünf der beliebtesten Weihnachtsgeschenke gelandet. Quelle: Screenshot
Platz vier: DFB-TrikotSportlich geht es mit Platz vier, dem DFB-Trikot mit dem vierten Weltmeister-Stern zu. Die Weltmeisterschaft in Brasilien ist vielen Deutschen noch lebhaft in Erinnerung und das Shirt der Fußballnationalmannschaft ein gern genutztes Geschenk - nicht nur für Fans. Quelle: dpa

Dann kommen irgendwann diese unentspannten Besserwisser und machen es den Kindern extra kompliziert: Den Weihnachtsmann gebe es nicht, das sei nur eine billige Coca-Cola-Kopie vom Nikolaus, denn nur den gebe es wirklich.

Aber was es wirklich wirklich gibt, sind erwachsene Menschen, die offenbar nichts Besseres zu tun haben, als in organisierten Gruppen über Weihnachtsmärkte zu laufen und ausgerechnet den Leuten dort zwischen Currywurst und Werkzeug aus Schokolade vorzujammern, der Weihnachtsmann sei ein unchristliches Kommerzprodukt. Als wenn die Besucher eines Weihnachtsmarktes in ihrem Glühwein-Zuckerrausch ein Problem mit Kommerz hätten.

Weihnachten wird zur inszenierten Show

Meiner knapp vierjährigen Nichte in Dänemark haben wir erzählt, der deutsche Weihnachtsmann komme dieses Jahr schon zwei Tage vor Heiligabend vorbei. Aus rein logistischen Gründen, denn Dänemark liege nicht gerade auf dem Weg und die Rentiere seien ja schließlich keine Düsenflugzeuge. Dieses Geflunker musste sein, denn dieses Jahr war ich wieder der Mann mit dem roten Kostüm und Rauschebart und es ließ sich für mich einfach nicht später einrichten. Die Lügen purzelten nur so aus unseren verdorbenen Mündern. Es ist ja Weihnachten.

Und so lässt diese hemmungslose Liebe zur Unwahrheit das ganze Fest zur inszenierten Show werden. Der Gipfel der Unverfrorenheit: diese gespielte Freude über Geschenke.

Die gut gemeinte Geste ist nicht alles

Ein Bekannter hat seinem Vater vorletzte Weihnachten Krawatten geschenkt. Und zwar 15 Stück. Eine geschmackloser und billiger als die andere. Und jede einzelne liebevoll verpackt. Selbst bei Nummer 12, Nummer 13, Nummer 14 bedankte sich der Vater, ohne mit der Wimper zu zucken, und wirkte wirklich ganz angetan von einer solchen Auswahl. "Super! Krawatten kann man immer brauchen." Aber bei Nummer 15 konnte er eine gewisse Erleichterung darüber nicht verbergen, dass die Schlips-Bescherung endlich vorbei war. Bis sein Sohn ihn aufklärte: "Pabba, das war 'n Witz. Schmeiß die Dinger weg."

Wir sollten alle endlich mit offenen Karten spielen. Denn ein Weihnachtsgeschenk soll nicht den Schenker glücklich machen, sondern den Beschenkten. Die gut gemeinte Geste allein ist nicht alles. Vor allem deshalb nicht, weil Weihnachtsgeschenke heutzutage ja weniger Herzenssache sind als Terminsache. Es steht halt an. Ein Weihnachtsgeschenk heißt heute nicht: "Ich habe an dich gedacht", sondern: "Ich habe rechtzeitig was in der entsprechenden Preisklasse für dich gefunden".

Wahrheit an Weihnachten tut weh

Im Advent sagt man sich ja auch nicht: "Ich möchte meinen Lieben zu Weihnachten dieses Jahr so gerne eine ganz besondere Freude machen, die sie so schnell nicht vergessen werden". Sondern: "Verdammt, morgen ist Heiligabend und ich brauch noch voll viele Geschenke".

Die besten Last-Minute-Geschenke vor Weihnachten
GutscheinEin Geldumschlag unterm Weihnachtsbaum macht sich nicht so gut - dann lieber einen Gutschein verschenken. Gutscheine von Amazon oder iTunes gibt es zum Beispiel schon an der Supermarktkasse. Quelle: Fotolia
AbosEin Freund holt sich eine bestimmte Zeitschrift besonders gern am Kiosk oder leiht sich gern Filme bei einem bestimmten Streaming-Dienst? Da bietet sich ein Abo als gutes Geschenk an. Quelle: dpa
GourmetkorbGutes Essen mag jeder. Also einfach einen Korb schnappen und guten Wein, Käse, Salami und andere Lebensmittel von Edelmarken aus dem Supermarkt reinlegen. Das kommt immer gut an. Quelle: dpa
AusgehgelegenheitenÖfter mal rauskommen und die Stadt entdecken. Lokale Gutscheinbücher animieren die Besitzer, neue Restaurants, Cafés oder Bars kennen zu lernen. Angebote gibt es etwa von "Taste Twelve" oder von "Luups". Quelle: dpa
TV-Serien auf DVDDie Auswahl ist mittlerweile groß, da ist für jeden etwas dabei. Quelle: dpa
ParfümMit dem Lieblingsduft lässt sich nichts falsch machen. Wer den nicht kennt, sollte auf jeden Fall zu guten Düften greifen und nicht zu Billigmarken. Quelle: dpa
Kugelschreiber oder FüllerPlastik-Werbekulis benutzt jeder, einen hochwertigen Kugelschreiber oder Füller nicht. Damit verschenkt man zugleich ein persönliches Stück, dass man immer mit dem Schenker in Verbindung bringt. Quelle: Fotolia

Weihnachtsgeschenke sind für einen Großteil der Gesellschaft deshalb so etwas wie der Lohnsteuerjahresausgleich. Und wenn das alles schon nicht mehr ist, als eine immer wiederkehrende Pflichtübung, dann sollten wir auf den letzten Metern nicht vor lauter geplanter Romantik und Kerzenschein einknicken.

Wenn der Beschenkte mir dem Weihnachtsgeschenk nichts anfangen kann, dann sollte der Flop souverän rückabgewickelt werden. Ein Mindestmaß an Vernunft ist nach all dem emotionalen Stress jetzt endlich fällig. In erfolgreichen Industrienationen bekennen sich Menschen zu ihren Fehlern und lernen daraus. Deshalb gilt:

1. Wer sich selbst zu fein ist, Bargeld oder Gutscheine zu verschenken: Kassenbon aufheben.

2. Offensiv kommunizieren: "Wenn du mein Geschenk scheiße findest, geht unsere Freundschaft trotzdem irgendwie weiter. Mir ist halt nix Besseres eingefallen."

3. Haben Sie immer eine Geschichte parat, in der Ihnen selber mal etwas geschenkt wurde, das ein Vollversenker war. Das ebnet die Bahn für ehrliche Bekenntnisse. 

Hier meine kleine Geschichte: Eine meiner Tanten schickte mir in den 90er-Jahren zu Weihnachten einst eine CD per Post. Weil meine Eltern meine Tante gut kannten, öffneten sie das Päckchen vorab, sozusagen zur Sicherheitskontrolle, denn die Bescherung sollte ja für alle schön werden. Und siehe da: eine CD mit gregorianischem Gesang. Für einen Teenager. Meine Eltern schluckten trocken, wägten kurz ab und entschieden sich dann, mir die CD schon mittags zu überreichen, fernab aller Feierlichkeiten und mit dem Hinweis, ich solle es mit Humor nehmen. Das tat ich. Wir lachten viel.

Kuriose Geschenkideen für Superreiche
QuadskiDie amerikanische Edel-Kaufhauskette Neiman Marcus hat zur Weihnachtszeit reiche, ideenlose Kunden als Zielgruppe auserkoren. Jährlich veröffentlicht das Unternehmen sein „Christmas Book“ mit ganz besonderen Geschenkideen. Eine Empfehlung für „Sie und Ihn“ in diesem Jahr: Quadskier. Mit diesem Hybrid aus Jetski und Quad kann man zu Land und zu Wasser gleichermaßen Vollgas geben. Preis: 40.000 Euro. Quelle: AP
Fahrt auf einem Mardi-Gras-WagenPrunk und Protz sind bei vielen Superreichen nicht mehr angesagt, haben Wissenschaftler festgestellt. An die Stelle von angeberischem Bling-Bling tritt immer häufiger die Suche nach ganz besonderen Erlebnissen und Erfahrungen. Auch auf solche Kunden hat sich Neiman Marcus mit den "Fantasy Gifts" eingestellt. Angeboten wird zum Beispiel die Fahrt auf einem Umzugswagen beim Mardi Gras in New Orleans. Das luxuriöse Party-Erlebnis für sechs Paare kostet laut Katalog knapp 100.000 Euro. Quelle: www.wikipedia.de
Vanity Fair Oscar-Party Party-Spaß der gehobeneren Klasse gibt es für rund 340.000 Euro. Damit erkauft man dem Beschenkten den Eintritt zur Vanity Fair Oscar-Party. Praktisch: Styling und Abendgadrobe sind im Preis inbegriffen. Die Gefahr, bei den Academy Awards zwischen Brad Pitt und Angelina Jolie eine schlechte Figur zu machen, ist also gering. Quelle: AP
Luxus-Reise zum Daila LamaWer es spiritueller mag, möchte vielleicht ein Treffen mit dem Dala Lama verschenken. Doch das Angebot des Luxus-Reiseanbieters Remote Lands ist nicht nur wegen des Trips nach Tibet teuer. Ihre Heiligkeit empfängt Besucher ab 12.000 Euro. Immerhin: Eine Führung durch die Werkstätten und Büchereien sind ebenso inklusiv wie ein Abendessen mit den Mönchen. Quelle: AP
Flug ins AllEin Geschenk, das eine der letzten Grenzen der Menschheit überwindet: Mit seinem Unternehmen Virgin Galactic will Richard Branson schon bald Touristen ins All schicken. Ein Ticket für das Weltraum-Abenteuer kostet ab etwa 150.000 Euro aufwärts. Promis wie Ashton Kutcher haben bereits einen Platz gebucht. Ob das erste Raumschiff nach dem tödlichen Unglück im Oktober aber tatsächlich schon bald startet, ist unklar. Quelle: dpa
Dekorateur der StarsWeniger abgehoben ist dieses Genschenk für Deko-Freunde: Für Preise zwischen 20.000 und 52.000 Euro designt Preston Bailey – der „Event-Planer der Stars“ – das eigene Haus und den Garten um. Zum Beispiel mit einer zwei Meter hohen Pfauen-Figur. Quelle: PR
TrüffelTrüffel sind nicht nur ideales Luxus-Geschenk für jeden Hobbykoch, sie veredeln auch jedes Festtagsessen. Zu Weihnachten haben ihre teuersten Vertreter, der Weiße Alba-Trüffel und die schwarzen Winteredeltrüffel, Saison. Für sie muss man allerdings ziemlich tief in die Tasche greifen. Schon die schwarzen Exemplare kosten je nach Erntejahr pro Kilo 800 bis 2000 Euro, die weißen das Drei- bis Vierfache. Der „größte weiße Trüffel der Welt“ (1,8 Kilogramm / Bild) ist Anfang Dezember bei Sotheby's in New York für knapp 50.000 Euro versteigert worden. Eine herbe Enttäuschung. Nachdem eine nur 1,3 Kilo schwere weiße Trüffel 2010 von einem anderen Auktionator für 338.000 Euro veräußert worden war, hatten US-Medien für die Rekordtrüffel bis zu eine Million Dollar erwartet. Quelle: dpa

Was ich besser nicht erwähne: Am Tag drauf war großes Familientreffen. Ich begrüßte meine Tante, bedankte mich aber nicht für die CD, um größere Heuchel-Orgien von vornherein zu vermeiden. Deshalb nahm meine Tante kurz darauf meinen Vater beiseite: "Marcus hat sich gar nicht bedankt. Hat ihm die CD nicht gefallen?" Daraufhin sagte mein Vater: "Nein."

Dann reiste meine Tante mit ihrer ganzen Familie vorzeitig ab.

Wahrheit an Weihnachten tut eben ganz schön weh. Wir müssen es erst lernen. Aber wenn wir im ersten Schritt zumindest zu uns selbst ehrlich wären, dann würde es wohl eine neue Massenbewegung geben: die GEFEWOG - Gestresste Europäer für ein Weihnachtsfest ohne Geschenke.

Kein Einkaufsstress mehr davor, kein Heuchelstress mehr währenddessen, kein Umtauschstress mehr danach. Stattdessen schenken, wenn es passt, was passt, für wen man will, nicht auf Knopfdruck, sondern wenn es von Herzen kommt. Ganzjährig. Überraschung garantiert. Ha! Das Abendland stünde Kopf.

Meine Familie fängt jetzt langsam mit dem neuen System an. In zehn bis zwanzig Jahren haben wir wahrscheinlich voll umgestellt.

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