




Junge Menschen in kleinen Städten schöpfen sehr viel Lokalpatriotismus daraus, dass sich Geschäfte und Gastronomie mit bekannten Namen in ihren niedlichen Städtchen ansiedeln. "Ey! Bei uns gibt es jetzt auch ein Vapiano." Motto: Unser Kaff gehört jetzt mit dazu. Endlich kann man wieder ein bisschen mehr von dem konsumieren, was man bislang nur aus Werbespots auf Pro Sieben oder aus der Shopping Mall im nächstgelegenen Oberzentrum kannte. Für viele Kleinstädter ist ein eigenes McDonald's im Ort das kribbeligste Weltstadt-Lebensgefühl ever.
Die Bevölkerung in der Provinz sollte ihre Lage weniger unterwürfig betrachten. Zumindest in zwei Punkten leben sie besser als die Großstädter:
1. Stichwort frische Luft
2. und das ist der Punkt, auf den ich hinaus will: Die Provinz erreichen nur die wirklich bewährten Moden.
Viele Trends schaffen es nicht bis in die Provinz
In Dorfstädten wie Ottersweier, Eckernförde oder Hückeswagen wird man mitunter für immer von so manchem neuen Trend verschont, der gerade noch aus New York oder Tokio nach Europa geschwappt ist. Zum Glück! Denn oft ist dieser Trend zu Recht schon tot, bevor er es aus den Metropolen wie Berlin und Hamburg über die mittelgroßen Städte wie Göttingen, Karlsruhe und Erfurt bis in die kleinen Nester schafft.
Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist der Bubble Tea. Beim besten Willen! Glitschige Geleebällchen in Neonfarben durch einen Strohhalm in den Hals saugen, dass man bei jedem zweiten Schluck fast brechen muss. Diese infantile Kariessuppe MUSSTE hier floppen. Dennoch schossen Bubble Tea Shops in den deutschen Metropolen aus dem Boden wie nichts Gutes. Und machten teilweise so schnell wieder pleite, dass zwischendrin kaum einmal feucht durchgewischt werden musste.
Auf dem Lande bekamen viele von diesem weltweiten Brimborium gar nichts mit. Die deutsche Provinz steht eben komfortabel am Ende einer langen Filterkette.
Apropos Filter: Nun kommen die neuen Kaffeetrends und die Versuchskaninchen sind wieder die in den Metropolen.
Cappuccino mit weniger Luft im Schaum
Der neueste Schrei: der Flat White. Auf der anderen Seite der Welt trinkt man ihn schon seit Jahrzehnten. In Australien ist er ein wirklich alter Hut. Hier bei uns nun MUSS er auf die Karte, sonst gucken die Hipster blöd.
Ein Flat White ist eigentlich der stärkere, flache (flat) Bruder des Cappuccinos (der mit der über den Tassenrand ragenden Milch-Kaputze). Denn die Milch wird beim Cappuccino mit viel mehr Luft aufgeschäumt. Und viel Luft im Schaum ist - das schreiben wir uns am besten alle hinter die Ohren, wenn wir uns in Berlin nicht lächerlich machen wollen - viel Luft ist OUT. Viel Luft im Schaum, das ist sowas von 2014. Altbackener geht es nimmer! Außer in Bielefeld. Dort fragte mich jüngst eine Kellnerin: "Den Cappuccino mit Milchschaum oder Schlagsahne?" Geil! Da gab es ihn noch: den deutschen Cappuccino. Wie damals im alten Jahrtausend. Mann, wie die Zeit im Kaffeebusiness vergeht. Naja.
Der Flat White wird bleiben
Der Flat White ist also ein kräftiger Cappuccino mit fast flüssigem Schaum. Und in unseren Metropolen wird der sogar schon in Privathaushalten stolz serviert: "Hier. Extra feinporiger Schaum." Wenn Sie nicht wissen, was Sie dem Gastgeber darauf antworten sollen, lobhudeln Sie einfach: "Kompliment! Grandiose Textur." Dann sind Sie im Boot.
Gestatten Sie mir die Prognose: Der Flat White wird noch dieses Jahr sämtliche deutsche Städte bis runter auf 200.000 Einwohner erreichen und wird spätestens 2016 die Provinz vollends durchdringen. Wir werden ihn das kommende Jahrzehnt über auf allen Karten über den Köpfen der Kaffee-Kassiererinnen finden. Der Flat White ist gesetzt.