Werner knallhart

Kundenservice bei Lidl: Laden charmant, Hotline ignorant

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Fünf Tage für eine Kundenanfrage

Lidl hingegen bittet um eine E-Mail an info@lidl-shop.de. Oje, oje. Also gut. Die automatische Antwort: „Liebe Kundin, lieber Kunde, vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden uns schnellstmöglich um Ihr Anliegen kümmern. Da uns derzeit außergewöhnlich viele Anfragen erreichen, kann dies bis zu fünf Tage dauern.“

Fünf Tage nimmt sich Lidl raus, um eine simple Kundenanfrage zu beantworten, die schon über die Hotline nicht möglich war. Eine Arbeitswoche! Zusätzlich frage ich die Pressestelle von Lidl an. Die Antwort sinngemäß zusammengefasst: Es ist bedauerlich, aber das etwas schon am ersten Tag ausverkauft sein kann, stehe ja schließlich auf den Handzetteln. Das Lidl-Management als Retter der Service-Wüste. Motto: Wir schreiben ja vorher hin, dass unser Service miserabel sein kann, was regen sich die Kunden auf?
Besonders schlimm daran: Der Online/Hotline-Service von Lidl ist nicht alleine schlecht. Beispiel: der Rewe-Lieferservice.

Da will ein neuer Kunde zum ersten Mal online bestellen und stellt fest: In seinem Liefergebiet sind Liefertermine erst übernächste Woche möglich. Alles andere ist ausgebucht. Kann das sein im Jahr 2018 in Mitteleuropa? Lebensmittel einkaufen und neun Tage warten? Auf Nachfrage des Kunden, wie das denn sein könne, kommt folgende wortwörtliche Antwort von lieferservice@rewe.de, die mir vorliegt: „Dass Sie Ihren gewünschten Liefertermin nicht auswählen können, liegt an der bereits ausgebuchten Lieferkapazität. Bitte wählen Sie einen anderen Zeitraum - vielen Dank.“

Mit anderen Worten: Wir halten Sie für einen Idioten, den wir am besten mit Es-ist-so-weil-es-so-ist-Antworten abspeisen. Denn wir von Rewe haben wirklich weder Lust noch Zeit, uns für unseren rückständigen Lieferservice zu rechtfertigen.

Solch eine Scheiß-egal-Antwort bei einem Neukunden! Fremdscham-Alarm. Wer sich solche Kundenbetreuer leistet, hat offenbar noch nie was von Amazon Fresh gehört.

von Mario Brück, Henryk Hielscher, Christian Schlesiger, Volker ter Haseborg

Fehlt bei einer Fresh-Lieferung etwa ein Artikel (Beispiel: Vanilleeis), bekommt der Kunde ohne Diskussion einen 5-Euro-Gutschein und obendrein Ersatzlieferungen (Beispiel: Stracciatella) meist geschenkt. Und wochenlanges Warten ist dort einfach niemals Thema.

Aber einen Hoffnungsschimmer gibt es für die deutschen Supermarkt-Bürohengste: Amazon Metropolen-Schnelllieferservice Prime Now hat sich vergaloppiert. Die Zustellung innerhalb von sechzig Minuten ist seit einiger Zeit nicht mehr buchbar, obwohl der Blitzservice sogar noch im Hilfebereich aufgezählt und erläutert wird.

Nach Auskunft der auskunftsfreudigen Hotline hat Amazon dieses Angebot still und heimlich vorübergehend eingestellt – um den Service erst einmal in Ruhe zu optimieren. Denn die sechzig Minuten wurden nach Auskunft der Hotline vom Lieferanten zu häufig gerissen; und man wolle nicht versprechen, was man nicht halten kann. Jetzt also erstmal ein Zwei-Stunden-Fenster.

Ist ja nicht Lidl, die bei solch einem Angebot irgendwo ein kleines Sternchen hinschreiben würden: Kann sein, dass es nicht klappt. Also nicht wundern, wenn es Mist wird.

Oder Rewe: Lieber Kunde! Es ist so, weil es so ist.

Und so bleibt den deutschen Ketten ihr einzig großes Pfund zum Wuchern: ihre Mitarbeiter in den Filialen. Die hat Amazon nicht. Und diese Leute bieten gelassen und mit starken Nerven das, was hinter den Kulissen offenbar oft noch fehlt: Respekt vorm Kunden.

Update, 17. Mai:

Die Amazon-PR-Abteilung widerspricht mittlerweile der Aussage des Amazon-Kundenservice zum fehlenden Ein-Stunden-Fenster bei Prime Now: Der Service könne zwar nicht durchgängig angeboten werden, weil dafür einfach nicht genügend Lieferkapazitäten zur Verfügung stünden. Aber komplett eingestellt wurde der Superexpressservice nicht.
Meine Anmerkung: Bei mehreren Stichproben an unterschiedlichen Tagen über mehrere Wochen hinweg in Berlin wurde mir kein 60-Minuten-Fenster angeboten. Ich Pechvogel.

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