Werner knallhart

Komischer Food-Trend: Doggybag liefern lassen

Lieferdienste wie Deliveroo und Foodora bringen das Essen aus Ihrem Lieblingsrestaurant zu Ihnen nach Hause oder ins Büro. Für Genießer ohne Zeit, die nicht kochen können.

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Lieferdienste wie Deliveroo und Foodora bringen das Essen aus Ihrem Lieblingsrestaurant zu Ihnen nach Hause oder ins Büro. Quelle: dpa

Es gibt einen neuen Beruf: Doggybag-Bote. Das klingt in der ersten Sekunde despektierlich. Aber so ist es nicht gemeint. Denn die Geschichte des Doggybags ist eine voller Missverständnisse. Doggybags sind ja kleine Behälter, die man sich im Restaurant mit Essen auffüllen lässt und in einer Tüte mitnimmt, um zuhause zu essen.
Das mag mal eine nur halb aufgegessene Pizza sein oder ein ganzer Nachtisch aus einem doch irgendwie zu üppigen Vier-Gänge-Menü.

Aber beim Namen geht es ja schon los mit der Heuchelei: Doggybag. Ein Ausdruck aus Zeiten, in denen Essen wegzuwerfen noch als eleganter galt, als es später zuhause aufzuessen.

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Aus falscher Scham, man könne als geizig angesehen werden, wenn man das gute (und schließlich ja auch bezahlte) Essen lieber mitnimmt, als es in der Restaurantküche in den Müll kratzen zu lassen, suggerierte man: "Ich nehme es für den Hund mit." Wie warmherzig. Hieß allerdings auch: Bevor ich meinem Köter eine Dose Pansen für 99 Cent aufmache, batsche ich ihm lieber in den Napf, was das Team in der Küche im Schweiße ihres Angesichts für mich auf den Teller gezaubert hat. Nett!

Ich kann mir hingegen kaum ein größeres Kompliment für den Koch vorstellen, als zu sagen: "Ich nehme es mit und ich habe keinen Hund!" Aber meistens esse ich eh vor Ort auf. Ich bin ein Schnellesser mit spätem Sättigungsgefühl. Leider.

Aber egal. Was ich sagen wollte: In vielen von uns steckt immer noch diese 80er-Blockade: Ist es unverschämt, wenn ich das Essen aus dem Restaurant mit nachhause nehme?

Nein! Ist es nicht. Denn jetzt brechen selbst in etwas gehobener Gastronomie alle Dämme. Mit Lieferdiensten wie Deliveroo oder Foodora. Wo früher nur am Tisch im eigenen Laden serviert und im Kerzenschein genossen wurde, wird nun alles auch in kleine Bottiche, Schachteln und Styropor-Verschalungen gestopft und im Rucksack per Bote etwa auf dem Fahrrad durch die Stadt geschleppt. Und wer sein eigenes Essen von vorne herein für die Box kocht, kann logischerweise nichts mehr gegen eine Doggybag haben.

Letztendlich ist die Essenlieferung nach dem neuen Konzept ja nichts anderes als ein Doggybag-Lieferservice. Einziger Unterschied: Es darf halt nicht kalt werden.

Dienste wie Deliveroo und Foodora schließen eine Marktlücke. Bislang ging es beim Essenbestellen so: Entweder bestellte man direkt beim Lieferservice um die Ecke. Oder aber man ging den neueren Weg über Anbieter wie Lieferando. Die bündeln die Angebote von Essenlieferdiensten, vermarkten sie schlagkräftig und bieten die Speisen über eine einzige Internetplattform zur Bestellung an. Das erspart dem Kunden die ewig neue Eingabe seiner Daten wie Adresse und Bezahlinformationen. Geliefert wird aber wie bisher von einem der herkömmlichen Lieferdiensten selber. Mit eigenen Boten und eigenen Fahrzeugen.

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Foodora und Deliveroo aber bieten in Städten wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt oder Köln Bestellplattform und Lieferservice aus einer Hand. Das bietet Restaurants die Möglichkeit, ihr Angebot liefern zu lassen, ohne selber extra Personal und Motorroller anschaffen zu müssen. Sie können sich so auf das konzentrieren, was sie am besten können: kochen.
Die neuen Dienstleister aber übernehmen die Lieferungen vieler Restaurants gleichzeitig und können so das Maximale aus ihrer Logistik herausholen. Klingt alles nach einem sehr vernünftigen Deal.

Höherer Preis, kleinerer Service

Aber! Was hat der Kunde davon? Bislang war die Bestellung einer Mahlzeit ein Kompromiss aus
1. keine Lust oder Zeit, selber zu kochen
2. keine Lust, keine Zeit oder kein Geld, gut essen zu gehen

Das Ergebnis war etwas nicht so richtig Teures, nicht so richtig Raffiniertes, nicht mehr so richtig Heißes: Pizza, Thaicurry, Salat, Sushi oder sowas.

Mit Foodora oder Deliveroo ist es jetzt so: Man zahlt in der Regel den Preis wie im Restaurant plus den Lieferservice von 2 Euro 50 bis 4 Euro 90. Manchmal verlangen die Restaurants sogar höhere Preise, um die Provision an den Lieferdienst teilweise zu kompensieren.

Und man bekommt für mehr Geld logischerweise weniger: Keiner deckt einem den Tisch, keiner lässt einen vorab den Wein probieren, keiner räumt ab und spült danach. Und eine Mahlzeit, die innerhalb der versprochenen Lieferzeit von gut einer halben Stunde eine Zeitlang im Rucksack vor sich hin suppt, wird nicht knuspriger und knackiger. Das Essen schmeckt weniger gut und sieht weniger attraktiv aus, das geben teilnehmende Gastronomen ja zu. Es ist ein Kompromiss - und funktioniert am besten bei Gerichten, die bislang ohnehin schon immer geliefert wurden: Aufläufe, Currys, Pasta, Kaltes.

Essen gehen wäre leckerer und mitunter sogar billiger - vom Trinkgeld abgesehen. Selber zu kochen wäre zumindest frischer. Das einzige, was Deliveroo und Foodora einem sparen, ist: Zeit. Allerdings nicht beim Bestellen. Während man im Restaurant einfach auf die Karte zeigt, geht es online direkt etwas holprig los.

Teilweise sind Vorbestellungen nicht möglich, wenn das Restaurant zum Zeitpunkt der Bestellung noch geschlossen ist, über die Website ist keine Suche nach konkreten Restaurants möglich, man muss ellenlange Listen durchrattern - oder die App laden. Außerdem lassen viele Restaurants nur in einem kleinen Radius von wenigen Kilometern um ihren Laden liefern. Sonst dauert die Fahrt zu lange. Was aber, wenn das Lieblingsrestaurant nicht in Kreuzberg liegt, sondern im Prenzlauer Berg?

Beide Anbieter liefern sich derzeit noch einen erbitterten Konkurrenzkampf. Sie kooperieren zu einem großen Teil mit denselben Gastronomen und kassieren vergleichbare Liefergebühren, da kann der Kunde mit Wonne den Daumen über dem einen recken, über dem anderen senken. Dafür reicht schon ein kleiner Misserfolg beim Bestellvorgang aus.

Ich werde Stammkunde weder beim einen, noch beim anderen. Mein Lieblingsrestaurant ist mein Lieblingsrestaurant, nicht nur weil es dort lecker ist. Sondern weil ich mich dort als willkommener Gast fühle und den Service drumherum genieße. Für Kompromisse ist mir das Geld zu schade.

Und trotzdem freue ich mich über den neuen Trend - und nehme mir vor: langsamer essen und aufhören, wenn ich voll bin. Den Rest nehme ich mit. Doggybag-Style ist jetzt ja Zeitgeist.

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