Was reitet das Haribo-Marketing bei der Namensfindung ihrer Produkte?
Da sind die eingeübten Klassiker, die wir noch aus kindlichen Freibad-Zeiten kennen, als wir mit ein paar nassen Groschen in der Hand in praller Sonne am Kioskfenster standen: „Ich nehme zwei weiße Mäuse, zwei Apfelringe, eine Lakritzschnecke, zwei Salinos, wie viel hab ich?“ – „60 Pfennig.“ – „Hmm, also dann noch zwei saure Pommes, zwei Salzbrezeln, einen Schlupf und einen Pfirsich.“
So heißen die Dinger bis heute. Und dann die Tüten-Dauerbrenner: der Weltstandard Goldbären, Color-Rado (mit den Perlen-Himbeeren des Grauens und den Zuckerschaum-Hütchen, die außer meinem Schwager kein Mensch auf der Welt mag), Konfekt (diese Geschmäcker kann es in der Natur gar nicht geben), Tropifrutti (drückt man drauf, werden sie matt), später dann die Vampire aus Weingummi mit Lakritz (damals ein Meilenstein) und natürlich das Original, die Cola-Flaschen, von denen sicher kaum einer weiß, dass sie Happy-Cola heißen.
Und damit sind wir beim ersten Thema: diese Namen. Die wirken eher gewürfelt als marktführerhaft-visionär. Da sind zum Beispiel die Namen, die sagen, was ist: Salzbrezeln, Wassermelonen, Honigmelonen, Spiegeleier, Bohnen, fertig.
Aber warum heißen die Schaumerdbeeren Primavera? Einige Marken sind nette Wortspiele: die sauren Sauerier und die Kolalas mit Cola-Geschmack und die Sauerbrenner. Die neuen Grünis hingegen sind überwiegend orange, gelb und rot.
Aber suchen Sie sich jetzt bitte festen Halt. Es geht los: Balla-Balla, Pico-Balla, Pasta Basta, Pasta Frutta, Balla Stix, Fruitilicious, Fruitmania Berry, Chamellows Soft Kiss, Fruity-Bussi, Pinkie & Lilly.
Es gibt Happy-Cola (und Happy Cherries ohne Bindestrich und Happy Hörnchen halb englisch, halb deutsch) und Kiss-Cola neben Bronchiol, Milch-Milpferde neben Herzbeben, Berries und Riesen Erdbeeren, Crazy Python, Anaconda und Twinsnakes neben den Frechen Füchsen und Weißen Mäusen, Vulcano und Rainbow neben Bärchen-Pärchen.
Ich stelle mir vor, wie das da in deren Marketing-Konferenzen abläuft:
„Kinners, für diese Schaumzuckertiere mit dem Arbeitstitel Bumix brauchen wir noch einen Namen.“
„Ach so, sorry, wir haben die Tütenproduktion jetzt mit Bumix drauf beauftragt.“
„Na dann, next: Was ist mit den Regenbögen: Mal wieder was mit englisch?“
„Rainbow!“
„Gisela, geil! Manchmal hast du echt so Eingebungen.“
Im Vergleich Aufsteiger Katjes, der 2020 den Umsatz um zehn Prozent steigern konnte (Haribos Absatz im Lebensmittelhandel sank um zwei Prozent). Katjes-Namen schlagen in eine Kerbe: Wunderland, Fred Ferkel, Grün-Ohr Hasen und Grün-Ohr Bärchen (hier stimmt das mit dem Grün), Glücksgefühle, Salzige Heringe, Katzenpfötchen, Katzenohren, Katjes-Kinder, Lakritzbatzen. Einzige Ausnahme: Tappsi.
Noch konsequenter hat Katjes schon seit 2016 tierische Gelatine aus den Produkten geworfen („Alles veggie“ mit einem Herz als i-Punkt), während Haribo seinen Kunden immer noch Knochenreste und Schweineschwarten in die Bonbons rein kocht.
Ist es noch zeitgemäß, solch ein Schlachtabfall-Gezottels verarbeitet in kunterbunte Tütchen zu füllen, um ahnungslose Kinder froh zu machen – und Erwachsene auch?
Mittlerweile hat Haribo die Zeichen der Zeit erkannt und hat einige Veggie-Weichbonbons auf den Markt geschmissen, wie etwa Super Gurken, Grünis, Kirsch-Cola-Flaschen und Grüne Krokodile. Einige Lakritzklassiker sind seit jeher veggie, wie etwa die Lakritz-schnecken (nicht aber die Salzbrezeln!), werden nun aber auch so gekennzeichnet.
Ich habe mich mit einem guten Duzend Tüten von Katjes und Haribo und einem Produkt von Storck eingedeckt, um den Vergleich zu probieren. Warum nutzt Haribo noch Tier und wie schmeckt es, wo Haribo vegan oder zumindest vegetarisch ist?
Die verschiedenen Sorten
Beim Konsistenztest gemeinsam mit einem Freund und Kollegen zeigt sich sofort der Knackpunkt: Wenn es einem gelingt auszublenden, auf was man da kaut, hat die Gelatine einen gewaltigen Vorteil gegenüber der veganen Konkurrenz: Sie macht die Masse bissfest und gummihaft. Gelatine dient nicht nur zufällig als Kollagen der Zugfestigkeit in unseren Sehnen und Knorpeln. Veganes Weingummi hingegen ist oft eher wachsig weich und klebt auch stärker in den Zähnen. Wer sich aber vergegenwärtigt, dass die sauren Pommes deshalb so zäh sind wie ein schlechtes Schnitzel, weil es eben Bindegewebe zum Naschen ist, der bevorzugt vielleicht doch eher die Veggie-Wachsweicheit.
2. Haribo Tropifrutti mit Gelatine gegen vegetarische Katjes Tropenfrüchte
Tropifrutti dürfte vielen von uns aus der Kindheit als sirupsüße Weichteile in Erinnerung sein. Kurioserweise ist ausgerechnet die vegetarische Konkurrenz von Katjes hier bissfester (wenn auch klebriger an den Zähnen). Hier hatten wir am ehesten den Eindruck: Wozu hier Tier?
3. Der Joghurt-Gummi-Vergleich Katjes-Haribo-Storck
Da bringt Haribo ein Fruchtjoghurt-Schaumbonbon neu auf den Markt und wirft wieder Tierkörper rein. Warum? Yoghurt-Gum-Erfinder Katjes kommt hier seit vielen Jahren ohne Gelatine aus. Allerdings sind diese Dinger auch bekannt für ihre schon fast cremige Konsistenz (einst als Joghurt-Alternative beworben von Heidi Klum, die sie zum Nägellackieren zwischen die Zehen gestopft hat).
Also: die vegetarischen Katjes Yoghurt-Gums gegen die vegetarischen Storck Nimm2 Lachgummi Fruitivity Joghurt gegen die neuen und trotzdem mit Gelatine versetzten Haribo Joghurties. Der Konsistenztest:
Katjes: So wachsweich, dass das Wort Gum nicht passt. Bleiben Storck und Haribo. Und es zeigt sich: Für weich, fluffig und elastisch braucht es keine Gelatine. Warum gelingt Katjes der Wachs-weich-Klassiker, setzt Storck eine vegetarische Gummi-Innovation auf und fällt Haribo bei seinem neuen Anlauf neben dem Namen Joghurties nichts anderes ein als Schlachtabfall beizumengen?
4. Lakritz: Katjes vegane Salzige Heringe gegen Haribos Salz Brezeln
Die Salzigen Heringe von Katjes sind so bissfest elastisch und die Brezeln von Haribo so leicht zu beißen, dass Gelatine einfach nur eine tierlieblose Nachlässigkeit zu sein scheint.
5. Haribo Goldbären gegen Katjes Grün-Ohr-Bärchen
Auch wenn die gelernte Goldbär-Bissfestigkeit den Tieren zuliebe bei den Grün-Ohr-Bärchen et-was auf der Strecke bleibt: Wer wert auf vegetarisch legt, muss dank Katjes nicht auf leckere Gummibärchen verzichten.
Veggie-Fazit: Haribo fehlt die Vision
Während Katjes mit der Wunderland-Reihe und auch Storck mit Nimm2 Lachgummi als Aufholer munter neue Produkte und Marken kreieren können, kann Haribo nicht so einfach die Gelatine-Klassiker wie die Goldbären auf veggie umstellen, denn dann wären sie nicht mehr die alten. Stattdessen existieren hier und da sang- und klanglos diverse Veggie-Varianten (von süßen Schnullern über Fruitmania bis zum Bonner Gold), dann wiederum neue Produkte, die scheinbar ohne Not mit Gelatine hergestellt werden (Joghurties). Und dann ballert Haribo mit überdrehten Namen auf englisch und deutsch umher, die wohl kaum jemand in den Sprachgebrauch übernimmt: „Mama, bringst du mir Crazy Python mit?“ Das wirkt, als würden internationale Teilmärkte heillos vermischt.
Das alles kommt weder zielstrebig noch selbstbewusst rüber. Vielleicht folgt der große Haribo-Aufbruch erst, wenn sich tierische Gelatine wie Kunstfleisch auch bald in Kesseln heran ziehen lässt: bissfest ohne Tierleid. Dann wiederum muss sich Katjes ein neues Argument überlegen. Vielleicht ja irgendwas mit „weniger Zucker“.
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