Lidl muss zu bleiben. Weil der Regionalexpress nicht langlaufend genug ist. Verstehen Sie nicht? Nun, das ist die Logik des deutschen Ladenschlusses. Von demokratisch legitimierten Paragraphenreitern uns allen so aufgedrückt:
Eigentlich wollte Lidl am Berliner Bahnhof Innsbrucker Platz auch gerne sonntags öffnen. Aber das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg wollte das nicht. Wahrscheinlich findet es, ausgestorbene Bahnhöfe passen besser zur sonntäglichen Ruhe in einer Millionenmetropole. Das Verwaltungsgericht hat das nun bestätigt. Denn im Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) steht nun mal, dass Geschäfte an Bahnhöfen nur öffnen dürfen, wenn dort mindestens „langlaufende Regionalzüge“ verkehren.
Es kommt also nicht darauf an, ob es den Wunsch der Menschen gibt, am Sonntag dort einzukaufen. Es kommt auf die Länge der Fahrstrecke an, die die Regionalzüge zurücklegen auf ihrem Weg durch den Bahnhof hindurch. Ist doch logisch, könnte man sagen. Wer nur kurz Zug fährt, braucht ja keinen „Reisebedarf“ für unterwegs. Aber um Reisebedarf geht es gar nicht. Ist der Regionalexpress erstmal lang genug unterwegs, dürfen auch Weichspüler, Wischmops und Silberfischchenköder verkauft werden.
Was den Deutschen beim Einkauf wirklich wichtig ist
Fragestellung: “Welche der folgenden Aspekte sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Leistungen des Lebensmitteleinzelhandels?”
Quelle: Institut für Handelsforschung // repräsentative Umfrage unter 1.542 Deutschen
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Das wäre so, als wenn jemand verfügte: Der Schwimmbad-Kiosk darf erst dann Pommes verkaufen, wenn jeder Badegast zehn Bahnen gekrault ist.
Das ist natürlich Bevormundung. Und das in einer Stadt, in der das Rauchen in Kneipen erlaubt ist, weil Passivrauchen Ausdruck von Berliner Freiheit ist.
Gut, in Bundesländern wie dem Saarland und Bayern müssen die Geschäfte sogar an Werktagen um 20 Uhr schließen. Aber in diesen Ländern gibt es ja auch keine richtigen Metropolen. Und zumindest in den weltoffenen Städten wollen die Menschen ihren Tagesrhythmus nun einmal selber bestimmen und nicht nach der Zeit der Hauptgottesdienste richten.
Aber ob Sie es glauben oder nicht: Bei der Frage, wann wo am Sonntag welche Geschäfte öffnen dürfen, hat in Deutschland sehr wohl die Kirche ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Wo kämen wir denn dahin, wenn die Menschen irgendwann am Sonntag nicht mehr in den Gottesdienst gingen, sondern stattdessen ausschlafen, gemütlich frühstücken und am Ende womöglich noch durch Geschäfte bummeln gingen? Dann gute Nacht, Deutschland.
Und so steht im Ladenschlussgesetz, das etwa für Bayern gilt, für Kur- und Erholungsorte: „Bei der Festsetzung der Öffnungszeiten ist auf die Zeit des Hauptgottesdienstes Rücksicht zu nehmen.“ Teilen sich Supermarkt und Kirchen da den Parkplatz?
Oder: „Sonn- und Feiertage im Dezember dürfen nicht freigegeben werden.“ Will da jemand nicht wahrhaben, dass zu keiner Zeit im Jahr die Menschen offene Geschäfte am Sonntag besser gebrauchen könnten, als im Weihnachts-Trubel? Oder soll der Konsumrausch eingedämmt werden? Da können wir alle ja froh sein, dass der Gesetzgeber offenbar noch nicht gemerkt hat, was für ein wildes kapitalistisches Kirmes-Treiben an den Adventssonntagen auf den tausenden von Weihnachtsmärkten herrscht. Die wären sonst als erstes dicht.