Werner knallhart

Ladenschluss-Gesetz: Einkaufen wie im Mittelalter

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Ladenschluss-Gesetze zum Schutz der Angestellten?

Bei der Festlegung von verkaufsoffenen Sonntagen und Feiertagen müssen die Behörden vorher die kirchlichen Stellen anhören, „soweit weite Bevölkerungsteile der jeweiligen Kirche angehören.“ Wieso muss das mit der Kirche eigentlich extra im Gesetz stehen? Ein guter Volkvertreter lässt sich doch gerne beraten von den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Da fragt man den Einzelhandel, da fragt man Kirchenvertreter und Vertreter anderer Religionen, Verkehrsplaner, Event-Manager, Gastronomen, Sportvereine und so weiter. Warum stehen dann nicht alle im Gesetz?

Das mit der Kirchenanhörung gilt übrigens nicht für den 1. Mai und den 3. Oktober. Da wird die Kirche nicht gefragt. Aber was, wenn die heidnischen Feiertage auf einen Sonntag fallen? Man mag es sich gar nicht vorstellen.

Muttertag ist mal auf Pfingstsonntag gefallen. Hohoho, das war vielleicht was. 2008 war das. Durften da Blumen in Baden-Württemberg verkauft werden, wie sonst auch am Sonntag? Durfte man da bitte schön seiner lieben Mutter ein paar frische Blumen schenken? Natürlich nicht. Gemeinden, die das erlauben wollten, wurden per Gericht zurückgepfiffen. So saßen dann Mütter und Kinder vor leeren Vasen. 2035 wird das wieder spannend. Mal sehen, wie weit wir dann sind.

Und damit Händler sonntags nicht vor Geschäftsvergnügen überschnappen, hat man sich in Stuttgart noch etwas Feines ausgedacht. So klingt der Humor der schwäbische Gesetzgeber: Zeitungen und selbst erzeugte landwirtschaftliche Produkte dürfen an Sonntagen sechs Stunden lang verkauft werden. Milch, Brot und Blumen aber nur drei Stunden lang.

Wirklich wahr. Witzig wäre auch: Alles, was rot ist, darf nur eine Minute lang verkauft werden. Naja.

Wäre es Griechenland, würden wir mit hochgezogenen Augenbrauen den Kopf schütteln und sagen: „Kein Wunder, dass dieses Land am Boden liegt.“

Aber wir sind es, die sich diese hinterwäldlerischen Ladenschluss-Gesetze leisten. Angeblich zum Schutz der Angestellten. Aber es klingt doch eher nach aufgezwungener Sonntagsruhe. Denn es ist doch wirklich Siebzigerjahre-Denken, dass längere Öffnungszeiten automatisch mit der Ausbeutung der Mitarbeiter einherginge. Das ließe sich alles fair regeln. Und nicht wenige Mitarbeiter würden sich über die Wochenend-Zuschläge freuen.

Gucken wir mal nach Schweden, wo man Gesetze meist unideologisch ausbaldowert nach der obersten Maxime: Was ist gut für die Menschen? Und siehe da: Es funktioniert!

Da öffnen dann am Sonntag einige Warenhäuser, aber nur am Nachmittag für ein paar Stunden. Weil sich mehr nicht lohnt. Da haben dann einige Supermärkte auf, aber nicht alle, weil es sich nicht für alle überall lohnt. Und weil ein Sonntag, an dem man einkaufen kann, keine Sensation ist wie in Deutschland, ist sonntags in den Fußgängerzonen auch keine Volksfeststimmung sondern einfach ein schöner Tag, an dem die einkaufen, die gerne einkaufen möchten, und an dem nicht einkauft, wer nicht möchte.

Gehen Sie mal an einem Sonntag an den Berliner Ostbahnhof. Das ist so ein Bahnhof mit Zügen, die superduper weit fahren, da hat dann auch Rewe auf. Und da geht es an den Kassen zu, als würde man einen Hühnerschlegel in ein Becken ausgehungerter Piranhas halten. Der Bedarf ist da. Die Menschen wollen sonntags einkaufen. Und müssen dafür extra mit der S-Bahn anreisen, weil alle anderen Märkte geschlossen sind. Rewe freut´s und Lidl guckt blöd. Rewe hat halt die längeren Züge. Das ist soziale Marktwirtschaft in Deutschland 2015.

Hoffentlich kriegt das kein Grieche mit. Denn in den neuen europäischen Vereinbarungen mit Griechenland findet sich die Forderung: Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf Sonntag.

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